Ottfingen. Wieder überrascht das Hochwasser die Menschen in Ottfingen. Jetzt berichten sie von der schrecklichen Nacht und werfen der Gemeinde Versagen vor.
Ein Schuh liegt mitten auf dem Gehweg. In einer Hecke steckt ein knallrotes Rutschauto. An einem Gartenzaun vor dem Haus liegt das bunte Sandspielzeug, das die Flut vom Sandkasten hinter dem Haus nach vorne gespült hat. Überall vor den Häusern türmt sich durchnässter Hausrat, den die Anwohner der Bachstraße in Ottfingen und die zahlreichen Helfer bereits nach draußen geschafft haben.
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„Ich bin fix und fertig“, sagt Roxana Schmidt fassungslos und blickt am Tag nach dem Hochwasser auf das Gerümpel vor ihrem Haus. Als das Wasser der Großmicke am Montagabend immer höher stieg, war sie mit ihrem zweijährigen Sohn, der elfjährigen Tochter, zwei Hunden und ihrem 68-jährigen, gehbehinderten Schwiegervater Andrej Peters alleine in dem Zweifamilienhaus an der Bachstraße. „Meine Tochter hatte große Angst, als wir um kurz nach acht den Strom abstellen mussten“, erzählt die junge Mutter. Da stand das Wasser bei ihrem Schwiegervater in der Einliegerwohnung bereits bis zum Knöchel. „Jetzt geht der ganze Mist von vorne los. Wir haben vor drei Jahren alles kernsaniert und zur Bachseite Mauern gesetzt. Das hat wohl nichts gebracht“, stellt Andrei Peters entsetzt fest.
Als die Flut kam, war er als Bauleiter auf Geschäftsreise in Karlsruhe und konnte seiner Familie nur telefonischen Beistand leisten. „Wir haben diese Nacht kein Auge zugemacht. Kurz nach Mitternacht hat die Polizei und das Ordnungsamt an unsere Türen geklopft und uns aufgefordert die Häuser zu verlassen“, beschreibt Roxana Schmidt die Lage vor Ort. Ihr gehbehinderter Schwiegervater Andrej musste von der Feuerwehr mit der Trage aus dem Fenster befördert werden. Für die Familie und die anderen betroffenen Anwohner stand die Wendener Turnhalle als Notunterkunft bereit, in die sie mit einem Shuttle-Bus gebracht werden sollten. „Mit zwei kleinen Kindern und zwei Hunden? Wie hätte das gehen sollen? Wir hatten das Glück, dass wir von Nachbarn aufgenommen wurden“, berichtet Roxana Schmidt.
Fassungslosigkeit herrscht vor allem am Tag danach im 2200-Einwohner-Dorf Ottfingen. „Hier ist fast 30 Jahre nichts gewesen und jetzt erwischt uns das Hochwasser bereits das zweite Mal in nur drei Jahren. Was hat die Gemeinde Wenden nach der Flut 2021 getan, damit so etwas nicht erneut passiert? Gar nichts“, ist Wladimir Peters aus Möllmicke, der seinen Vater und Bruder beim Aufräumen des Elternhauses unterstützt, sauer.
Auch die direkte Nachbarschaft ist außer sich. Hier hat es Familie Brutzer auch in diesem Jahr wieder stark getroffen. Waschmaschinen, Kühlschränke und andere Elektrogeräte haben sie bereits nach draußen geschafft. „Es ist ein Alptraum. Jetzt geht alles wieder von vorne los. Die Gemeinde Wenden hat uns im Stich gelassen“, sagen Angelika und Josef Brutzer. „Hier ist alles baden gegangen. Die Schuhe schwammen umher und wir standen bis zu den Knien im Wasser“, schildert Schwiegertochter Jessica Schröter die Situation. Auch sie war alleine mit ihren zwei kleinen Kindern im Haus nebenan und sagt: „Als ich es habe kommen sehen, was auf uns zukommt, habe ich meinen Lebensgefährten auf der Arbeit angerufen.“
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„Nichts hat die Gemeinde getan. Die haben geglaubt, dass es damit getan sei, an zwei Stellen die Bachläufe auszugraben. An unseren Kanal sind sogar die Neubaugebiete angeschlossen und alles fließt hier rüber. Es ist ein Unding“, schimpft Josef Brutzer, der auf seiner verschlammten Terrasse sitzt und auf seinen Gartenteich schaut, in dem ein einziger, überlebender Goldfisch schwimmt: „Die toten Fische haben wir heute Morgen vor dem Haus eingesammelt.“ Selbst die neue Gartenhütte, die Josef Brutzer mit seinem Sohn extra auf eine Anhöhe in den Garten gesetzt hat, bleib nicht verschont und wurde von den Wassermassen geflutet. Das Schicksal hat Familie Brutzer und viele andere Bewohner rund um die Großmicke in Ottfingen nun ein weiteres Mal getroffen und, da sind sich alle einig, hat es die Bachstraße viel schlimmer getroffen als im Sommer 2021.