Olpe. Bärbel Schneider aus Olpe war alleinerziehend, mit drei kleinen Kindern und von Hartz IV lebend. So hat sie ihr komplettes Leben umgekrempelt
Rückblickend betrachtet würde Bärbel Schneider aus Olpe in ihrem Leben zwar einiges anders machen, dennoch ist sie stolz, was sie trotz vieler Hürden geschafft hat. Sie ist bereits 30 Jahre – ihr drittes Kind gerade im Kindergarten – als sie sich entschließt, das Abitur nachzuholen, um an einer Universität studieren zu können. „Drei Kinder, keine Ausbildung – mir wurde bewusst, dass ich gar nicht abgesichert war und erst recht nicht auf eigenen Füßen stehen konnte“, erzählt die 54-Jährige.
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„Die Arbeit an einer Maschine – als ungelernte Kraft – wäre für mich keine Alternative gewesen. Wie willst du diesen Job bis 67 schaffen? Mir war schnell klar, dass ich eine Ausbildung brauche“, berichtet Bärbel Schneider von ihren ersten Überlegungen. Sie befand sich nämlich zu dieser Zeit in diesem klassischen Rollenmodell. Zu Hause als Hausfrau, für drei Kinder zuständig und der Mann brachte das Geld mit nach Hause. Doch das wollte sie ändern. Während ihre Kinder in die Schule und den Kindergarten gingen, drückte sie wieder die Schulbank und büffelte zwei Jahre lang in Vollzeit für ihr Fachabitur.
Lebensunterhalt durch Bafög und Hartz IV
Dann ging es für Bärbel Schneider zur Universität nach Siegen, wo sie Soziale Arbeit studierte. Als ihre Ehe in die Brüche ging, stand sie plötzlich alleine da. Mit ihren drei, damals noch recht kleinen Kindern, ohne eine Ausbildung, mit angefangenem Studium und kaum finanziellem Rückhalt. „Das war ein Leben am absoluten Existenzminimum und ich habe sehr oft nachgedacht, mein Studium abzubrechen“, blickt sie zurück. Doch die 54-Jährige beantragte Bafög und für die Kinder Hartz IV, um über die Runden zu kommen und um weiter studieren zu können. Rückblickend sagt sie heute: „Es gab viele Monate, in denen es finanziell sehr eng war. Einmal war der Tank leer und wir mussten dann zu Fuß gehen.“
Bärbel Schneider schafft es, indem sie selbst auf vieles verzichtet, um zumindest den Kindern etwas zu ermöglichen. Sie geht nachts in den Supermarkt und füllt dort die Regale auf, um über die Runden zu kommen und verliert in dieser schweren Zeit nie ihr Ziel aus den Augen. „Kenne deine Wurzeln und überlege, wo du hinwillst. Den Weg musst du ganz alleine gehen. Ich wollte diesen Abschluss unbedingt erreichen, als meine Fahrkarte für eine andere Lebensqualität.“ Und es gelingt ihr. Sie beendet ihr Studium, absolviert ihr Anerkennungsjahr als Schulsozialarbeiterin an einer Gesamtschule, arbeitet bei einem Weiterbildungsinstitut und ist zehn Jahre als pädagogische Leitung in einer Einrichtung der Jugendhilfe in Niedersachsen tätig.
Tätig als Diplom-Sozial-Pädagogin in der Erwachsenenhilfe
Dann war ihr Heimweh ins Sauerland so groß, dass es sie zurück nach Olpe zog. Zwischenzeitlich hatte sie sich berufsbegleitend noch zur systemischen Familientherapeutin weitergebildet und arbeitet mittlerweile als Diplom-Sozial-Pädagogin in der Erwachsenenhilfe. „Durchhalten und durchbeißen, auch wenn es nicht immer leicht ist, war immer meine Devise. Es war ein tolles Gefühl, als ich mein erstes Geld auf dem Konto hatte, wofür ich selber gearbeitet habe“, berichtet Bärbel Schneider stolz. Ihren drei Kindern hat sie vermittelt, wie wichtig es ist, selbstständig und ohne Abhängigkeit zu sein: „Abgesichert zu sein und den Beruf so zu wählen, dass man heutzutage gute Perspektiven hat, gebe ich anderen Menschen mit auf den Weg.“
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Hans-Georg Völmicke, Geschäftsführer vom Jobcenter des Kreises Olpe zollt Bärbel Schneider seinen höchsten Respekt: „Sie kann stolz auf sich sein.“ Selten sei es, dass Frauen, wie Bärbel Schneider ohne vorherige Ausbildung erst mit über 30 Jahren Abitur und Studium beginnen: „Belegbare Zahlen hierfür gibt es jedoch nicht. Anstelle von Bürgergeld können Studierende Bafög beantragen. Das Jobcenter arbeitet eng mit der Abitur- und Studienberatung zusammen.“