Lennestadt. In vier Ortschaften wird das Tempolimit von 50 km/h auf 30 km/h geändert. Bürgermeister Tobias Puspas erklärt die Gründe und wann es losgeht.

In vier Orten in Lennestadt müssen Verkehrsteilnehmer in Kürze auf die Bremse treten, denn in Grevenbrück, Saalhausen, Langenei und Kirchveischede gilt in der Nähe von Kindertageseinrichtungen bald Tempo 30. Sobald die bestellten Schilder beim Bauhof der Stadt Lennestadt eintrudeln, werden sie aufgestellt. Wie das Ganze zustande kam, erläutert Lennestadts Bürgermeister Tobias Puspas im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Lennestadt ist neben Attendorn die einzige Kommune im Kreis Olpe, die der „Initiative Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beigetreten ist. Was ist für Sie eine angemessene Geschwindigkeit?

Es kommt extrem auf die Straße an, auf der man sich fortbewegt. Es ist immer eine Abwägung unterschiedlicher Interessen, wozu der Zweck der Straße da ist. Am sichersten sind Straßen immer dann, wenn gar nicht auf ihnen gefahren wird. Aber Straßen haben nun mal den Zweck, der Beförderung zu dienen und von A nach B zu kommen.

Was steckt hinter dieser Initiative?

Mein Verständnis ist, dass es grundsätzlich die kommunale Selbstverwaltung stärkt. Das heißt, wesentliche Entscheidungen der Kommune zu überlassen. Wir bekommen regelmäßig Anträge, Tempo-30-Bereiche auch auf Bundesstraßen einzurichten. Immer in Abstimmung mit der Verkehrskommission (Landesbetrieb Straßen NRW, Polizei, Stadtverwaltung) prüfen wir den Einzelfall und schöpfen das aus, was rechtlich möglich ist.

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Heißt also, die Stadt Lennestadt kann nun selbst entscheiden, wo Verkehrsteilnehmer zukünftig nur noch 30 km/h fahren dürfen?

Nein, das sieht die aktuelle Rechtslage nicht vor. Möglich ist die Temporeduzierung nur im unmittelbaren Bereich von Kindergärten.

Warum macht die Stadt Lennestadt bei dieser Initiative mit?

Weil der Stadtrat entschieden hat, dass wir Teil dieser Initiative werden wollen. Ich habe den Beitritt zu der Initiative unterstützt. Es ist immer gut, Entscheidungen vor Ort treffen zu können und die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und uns diese Möglichkeiten einzuräumen.

Und wo ist das Aber?

Aus meiner Sicht heraus machen wir das nicht bewusst und gewollt aus ideologischen Gründen, dass ich der Auffassung bin, dass alle Straßen dieser Größenordnung auf Tempo 30 begrenzt werden sollten. Denn das ist genau diese Interessenabwägung. Am Ende gibt es sehr viele, die ein Interesse haben, in möglichst kurzer Zeit an ihr Ziel zu kommen. Natürlich nicht mit erhöhten Gefahren. Die Frage ist immer, wo trifft man sich in der Mitte, und ich halte es für unrealistisch bei dem Blick auf unsere Bundes- und Landstraßen. Wenn wir die alle auf 30 km/h begrenzen würden, würde das den Verkehrsfluss ganz erheblich behindern.

In Kirchveischede, Langenei, Saalhausen und Grevenbrück ist Tempo 30 beschlossen. Soll Lennestadt eine Tempo-30-Stadt werden?

Das neue Tempo 30 gilt nur in diesen vier Orten und nur in unmittelbarer Nähe von Kindergärten, zu den Betriebszeiten der Kindergärten. Also von 7 bis 17 Uhr. Nach den aktuellen Regularien ist es uns nicht freigestellt, diese Begrenzung überall zu errichten. Sondern es gibt da enge Grenzen. Es gilt auch nur dann, wenn aufseiten der Kindergärten ein Gefahrenpotenzial ist, also eine Bebauung mit Gehwegen. In Langenei beispielsweise wird Tempo 30 nur auf Kindergarten-Seite in Richtung Altenhundem gelten. Die Regelungen der Initiative sind stark fokussiert auf einen Bedarf an erhöhter Sicherheit an Kindergärten und nur dann, wenn die Einrichtungen in Betrieb sind.

Das würde bedeuten, dass in Kirchveischede und Saalhausen in beide Richtungen die Tempo-30-Regelung Geltung finden würde?

Ja, weil es eine Bebauung auf beiden Seiten gibt. Es ist eine Regelung, die fokussiert ist auf die Einrichtung, die geschützt werden soll und nicht darauf, auf dieser Straße generell auf eine tiefere Geschwindigkeit zu gehen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung gilt dann immer ab und bis zur nächsten Kreuzung oder Einmündung.

Dann gucken die Bürger von Kirchveischede also wieder in die Röhre, die im Bereich der 90-Grad-Kurven auch wegen der Gefahrenlage schon lange Tempo 30 fordern? Warum funktioniert das nicht?

Wir können nur in Teilbereichen auf Höhe des Kindergartens im Rahmen dieser Initiative Tempo 30 einrichten. Im Falle von Kirchveischede nur bis zur Einfahrt Am Radenberg. Ich bin nicht derjenige, der aus ideologischen Gründen unterstützt, dass überall Tempo 30 sein soll, weil es den Verkehrsfluss massiv bremst, aber trotzdem würde ich mir an dieser Stelle wünschen, dass wir die rechtliche Chance hätten, eine Veränderung durch die kompletten Kurven anzuordnen. Diese haben wir aber bislang nicht.

Im Kurvenbereich in Kirchveischede werden wir im Laufe des Jahres die Gehwege erneuern und ein Hochbord installieren, also einen wesentlich höher liegenden Bordstein, der verhindern soll, dass Fahrzeuge auf den Gehweg kommen. Wir schaffen somit passive Sicherheit.
Tobias Puspas - Bürgermeister der Stadt Lennestadt

Die Durchgangsverkehr-Situation in Kirchveischede im Bereich der Kurven bleibt also weiter brenzlig?

Die Gefahren in diesem Bereich sollen schon weiter minimiert werden. Nicht nur die Geschwindigkeitsbegrenzung an sich sorgt für Sicherheit. Sondern wir als Stadt Lennestadt werden im Laufe des Jahres die Gehwege in diesem Bereich erneuern und ein Hochbord installieren, also einen wesentlich höher liegenden Bordstein, der verhindern soll, dass Fahrzeuge auf den Gehweg kommen. Wir schaffen somit passive Sicherheit.

Wann soll Tempo 30 in den vier Orten in Kraft treten?

Sobald die bestellten Schilder da sind, setzen wir, bzw. der Bauhof, die neue Temporegelung mit der Installation der Schilder um.

Die breite B 55 in Kirchveischede ist gut einsehbar, außerdem gibt es auf beiden Seiten breite Gehwege und eine Fußgängerampel, auch auf der B 236 in Langenei bietet sich freie Sicht. Dort sind auch keine Unfallhäufungspunkte. Ist das nicht übertrieben, hier den Verkehr derart auszubremsen?

Das sind eher Faktoren, die einen wesentlichen Beitrag für Geschwindigkeitsüberschreitungen leisten. Breite Straßen, volleinsehbare Strecken sind ein Momentum, das wir bei der Erneuerung von Ortsdurchfahrten versuchen, abzuschaffen. Den Blick nicht komplett in die Weite zu haben, denn das ist ein Anreiz, Gas zu geben.

Der Lkw-Verkehr hat auch wegen der Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid auf B 55 und B 236 stark zugenommen. Bei Tempo 30 schalten die Lkws zurück und geben am Ende der Zone wieder Gas. Das wird zu Belästigungen der Anwohner und größeren Abgas-Emissionen führen. Spielen diese Argumente keine Rolle?

Das sind genau diese Parameter, die in der Abwägung immer eine Rolle spielen müssen, dass es immer negative Auswüchse sind, die aus einer vermeintlichen Verbesserung herauskommen. In einem krassen Fall setzen sich Bewohner ein, dass Barrieren aufgebaut werden, sprich anschraubbare Fahrbahnerhöhungen, die auf der Straße installiert werden. Dann stellen sie fest, dass die Veränderungen eine exorbitante Geräuschverschlechterung sind, weil es knallt, wenn die Fahrzeuge darüberfahren oder ihre Hänger drüberziehen, immer unter Berücksichtigung des Abbremsens und Beschleunigens. Das sind die gleichen negativen Einflüsse, die vor oder hinten den neuen Tempo-30-Zonen eine Rolle spielen können. Ob es am Ende tatsächlich zu einer wahrnehmbaren Veränderung führen wird, werden wir beobachten müssen.

Für die Blitzer von Polizei und Kreis sind Tempo 30-Zonen auf Bundesstraße sehr lukrativ, da wird es Knöllchen regnen. Bekommt die Stadt davon auch etwas ab?

Nein (lacht), aber wir partizipieren trotzdem davon, weil wenn der Kreis erhöhte Einnahmen hat, verringert das in einem – wahrscheinlich nicht messbaren Maß – die Kreisumlage.

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Wann haben Sie das letzte Knöllchen wegen zu schnellen Fahrens bekommen?

Sie werden es nicht glauben, am heutigen Donnerstag. Auch mir passiert sowas. Wir waren mit mehreren Leuten auf der Messe „Jagd und Hund“ im Februar und ich bin über den Hochsauerlandkreis gefahren. Den Starrenkasten in Wenholthausen – ich war Polizeibeamter im HSK – kenne ich wie meine Westentasche. Jetzt muss ich 30 Euro bezahlen. Am Wochenende habe ich noch erzählt, dass aufgrund des Cyberangriffs diese Knolle nicht mehr kommen wird und heute schickt mir meine Frau eine WhatsApp, dass die Knolle da ist. Am Ende hatten sich sogar die Mitfahrer bereiterklärt, fünf Euro mehr zu geben als Kostenbeitrag zum Sprit. Deshalb haben wir am Wochenende noch darüber gelacht, weil ich gesagt habe, ich habe die Kohle zwar eingenommen von den anderen, musste aber die Knolle bislang nicht bezahlen. Jetzt ist sie da.

Steckbrief

Tobias Puspas ist seit November 2020 Bürgermeister der Stadt Lennestadt. Der 49-Jährige wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern (8 und 5 Jahre) in Sporke und kommt gebürtig aus Oberelspe. Bevor er zum Bürgermeister gewählt wurde, war er Leiter des Kriminalkommissariats für Wirtschaftskriminalität, Internetkriminalität und besondere Betrugsdelikte der Polizeibehörde des Hochsauerlandkreises.

Kurz und knapp:
Kaffee oder Tee? Kaffee
Auf Bundesstraßen: Tempo 30 oder 50? Tempo 50
Auto oder Fahrrad? Fahrrad
Ein Auto mit 100 oder 250 PS? 100 PS