Kreis Olpe. Omar Alhsen ist aus Syrien geflüchtet und würde gern arbeiten. Doch ohne Integrationskurs hat er keine Chance. Wie kann das sein?

Sie sind jung, kräftig, voll motiviert und würden nur zu gern in ihrer neuen Heimat arbeiten: syrische Flüchtlinge im Kreis Olpe mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Doch das funktioniert nicht. Stattdessen sind sie monatelang zum Nichtstun verurteilt, obwohl viele Firmen händeringend nach Arbeitskräften suchen.

Omar Alhsen, geboren 2002 in Aleppo im Norden Syriens, arbeitete dort als Bauhelfer. Im November 2022 flüchtete er nach Deutschland. Ibrahim Alazis kam im Juni 2023 aus Deir ez-Zor in Ostsyrien ins Sauerland. Der 23-Jährige hat in Syrien Archäologie studiert. Zusammen mit vier weiteren jungen Syrern, darunter verschiedene Handwerker, leben sie in einer Flüchtlings-WG in der Gemeinde Kirchhundem. Alle sechs haben das gleiche Problem. Sie haben den Stempel „Erwerbstätigkeit erlaubt“ in ihrem Pass-Dokument und würden gerne arbeiten. Doch das Jobcenter sieht keine Chance, geflüchtete Menschen ohne ausreichende Sprachkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. „Wenn jemand in Deutschland Fuß fassen und integriert werden will, steht an erster Stelle der Spracherwerb“, erklärt Hans-Georg Völmicke, Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Olpe. Mindestens Sprachniveau B 1, am besten B 2, sei Voraussetzung. „2015/16 haben viele Firmen Flüchtlinge eingestellt, dann hat der Meister sie wieder nach Hause geschickt, weil sie noch nicht mal die Sicherheitsanweisungen an der Maschine lesen konnten.“ Deshalb kämen Geflüchtete an dem Besuch eines Integrationskurses – mindestens 600 Stunden in Vollzeit – nicht vorbei.

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Doch es gibt viel zu wenige Integrationskurse, die Wartezeiten sind lang. Monatelang sind die Flüchtlinge dazu verurteilt, in ihren Unterkünften herumzuhängen und nichts zu tun. Li Müller aus Schwartmecke kennt das Problem. Seit zehn Jahren bieten sie und ihr Mann ehrenamtlich Sprachkurse an, um die jungen Neubürger auch ohne Integrationskursus soweit zu bringen, dass sie sich in der neuen Welt zurechtfinden. Aber ein vom Arbeitsministerium (BAMS) anerkanntes Zertifikat dürfen sie nicht ausstellen.

Auch Mohamad Sous aus Würdinghausen kritisiert diese Pflicht zum Integrationskurs. Der 70-jährige kam 1980 selbst aus Syrien nach Deutschland, ist seit 1983 Deutscher. Der gelernte Techniker im Ruhestand betreibt in einem Ladenlokal einen kleinen Flohmarkt mit Reparaturservice in Würdinghausen und kümmert sich ehrenamtlich um Geflüchtete in Kirchhundem und Umgebung. Er weiß, wie sie ticken, begleitet sie bei Behördengängen, hilft als Dolmetscher aus.

Mohamad Sous kümmert sich um syrische Geflüchtete.
Mohamad Sous kümmert sich um syrische Geflüchtete. © Volker Eberts / FUNKE Foto Services | Volker Eberts

Arbeitswillige Geflüchtete müssten möglichst schnell eine Beschäftigung bekommen, sagt er. „Danke an Deutschland, dass so viele Flüchtlinge aus Syrien kommen dürfen. Aber ich verstehe nicht, warum man die Arbeitskapazitäten der Jungs einfach liegen lässt. Wir brauchen doch Arbeitskräfte.“ Viele der Flüchtlinge hätten in Syrien als Elektriker, Schlosser oder in anderen Handwerksberufen gearbeitet, mit einer dort üblichen Ausbildung. Täglich werde er gefragt: Wann können wir arbeiten? „Das sind keine kleinen Kinder mehr. Sie haben eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Die türkischen Gastarbeiter haben auch 30 Jahre gearbeitet, ohne Deutsch zu sprechen“, sagt er. Sous fordert mehr Flexibilität bei Firmen und Behörden: „Warum kann man die Sicherheitsanweisungen nicht auch in syrischer Sprache aushängen?“ Er schlägt eine Kombination von Job und Integrationskurs vor: „Warum nicht morgens fünf Stunden arbeiten und nachmittags in die Schule, statt monatelang zu warten, bis irgendwann der nächste Integrationskurs beginnt?“

Danke an Deutschland, dass so viele Flüchtlinge aus Syrien kommen dürfen. Aber ich verstehe nicht, warum man die Arbeitskapazitäten der Jungs einfach liegen lässt. Wir brauchen doch Arbeitskräfte.
Mohamad Sous - ehrenamtlicher Flüchtlingsbetreuer

In einem Job würden die jungen Männer deutsche Sprache und Umgangsformen viel schneller lernen und kämen aus der Öde des Geflüchteten-Alltags heraus. Denn es gehe auch um das Selbstwertgefühl: „Den ganzen Tag nichts zu tun und nur ‘rumzuhängen, keine Aufgabe zu haben. Das ist nicht gut“, so Sous. Bei den Behörden scheiterten seine gutgemeinten Vorschläge bisher meist an den typischen Hemmnissen wie Versicherungsfragen, Arbeitsschutzvorschriften etc. Laut Li Müller haben es nur wenige Geflüchtete bisher geschafft, privat eine Anstellung als Hilfsarbeiter etc. zu finden.

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Aber immerhin gibt es Hoffnung: Seit Oktober gibt es das Job-Turbo-Programm der Bundesregierung, um anerkannte Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen. Völmicke: „Wir versuchen, zusammen mit Firmen Geflüchtete nach dem Besuch eines Integrationskurses schneller zu vermitteln.“ Berufsbegleitende Sprachkurse seien dafür in Vorbereitung. Manche Firmen machten das mittlerweile auch selbstständig. Leicht sei diese Aufgabe nicht, so der Geschäftsführer. Und nicht jeder werde das schaffen. „Man muss den Einzelfall sehen“, sagt Völmicke und bietet im Fall der jungen Syrer Unterstützung an. Dieses Angebot nimmt Mohamad Sous gerne an. „Es sind nicht alle gleich, der eine kann und will mehr als der andere“, sagt auch er. Aber jeder sollte die gleiche Chance bekommen, aus seinem neuen Leben etwas zu machen.