Lennestadt. Ulrich Rauchheld hat ein Buch über das Fleischer-Handwerk im Kreis Olpe geschrieben und kommt darin zu überraschenden Erkentnissen.
Wer sich drei Jahre intensiv mit der Geschichte des Fleischerhandwerks im Kreis Olpe beschäftigt, unzählige Zeitzeugen befragt und hunderte Fotos ausfindig oder selbst gemacht hat, der muss einen besonderen Zugang zu diesem Handwerk haben. Auf Ulrich Rauchheld aus Bilstein, selbstständiger und engagierter Metzgermeister im Ruhestand mit 50 Jahren Berufserfahrung, trifft dies im besonderen Maße zu. Sein neues Buch „Metzgereien im Kreis Olpe in Vergangenheit und Gegenwart“ ist aber nicht nur ein interessantes Nachschlagewerk über die einst 100 Fleischerei-Betriebe im Kreis Olpe, sondern ein mit viel Herzblut verfasstes Plädoyer für ortsnahe Lebensmittel-Versorgung und regionale Produkte.
„Das Buch zu schreiben ist nur ein Zehntel der Arbeit, die meiste Zeit geht für die Recherche drauf“, erklärt der 73-Jährige. „Ich möchte, dass die Geschichte des Fleischer-Handwerks im Kreis Olpe nicht in Vergessenheit gerät“, sagt er zu seiner Motivation. Wer sich das 270-Seiten starke Buch zur Hand nimmt, merkt bald, dass sich die mühevolle Arbeit gelohnt hat. Viele der Bilder, in bunt und schwarz-weiß, sind sehenswert. Sie allein dokumentieren schon die Entwicklung des Handwerks im Laufe der Jahrzehnte, von der bis in die 70er Jahren üblichen Hausschlachterei bis zum modernen Fleischereibetrieb von heute.
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Geordnet nach den sieben Kommunen des Kreises widmet er jedem Betrieb zum Teil mehrere Seiten. Die meisten Daten hat sich Ulrich Rauchheld bei Besuchen vor Ort selbst erarbeitet und erfragt, teils von dritten Personen, wenn die früheren Betreiber bereits verstorben waren. Die „großen“ Betriebe, „Metten Fleischwaren“ in Finnentrop und Fleischmarkt Olpe beschreibt Ulrich Rauchheld ausführlicher.
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Auch Veganer und Vegetarier kommen auf ihre Kosten, wenn sie sich für erlebte Heimatgeschichte interessieren. Nur örtliche Insider wissen zum Beispiel, dass es in den 60er Jahren in dem kleinen Ort Rinsecke bei Oberhundem eine Wurstwaren-Fabrik gab, die täglich 5000 Koteletts an das Flughafen-Restaurant in Frankfurt/Main lieferte und warum die Hunderasse „Rottweiler“ als Metzgerhund gilt.
In vielen Gemeinde- und Stadtarchiven hat der Autor recherchiert, ausgerechnet die Kreishandwerkerschaft ließ keine Einblicke in ihr Archiv aus Datenschutzgründen zu. „Schade, ich wollte nur wissen, wann Betriebe im Kreis Olpe eröffnet und geschlossen wurden“, so Rauchheld. Die erste Metzgerei im Kreis wurde bereits 1816 eröffnet. Viele historische Fotos dokumentieren auch, wie sich das Ständewesen bis heute völlig verändert hat. Die Innung als „Heimathafen“ aller Betriebe eines Handwerksberufs gibt es heute nicht mehr. Feierte ein Betrieb früher Jubiläum, war es selbstverständlich, dass die Meister-Kollegen aus der Innung vor Ort gratulierten. Auch präsentierte sich die Fleischer-Innung bei Jubiläumsumzügen und machten mit geschmückten Wagen Stolz auf ihr Handwerk aufmerksam.
Aber auch die dunkle Zeit des Handwerks im dritten Reich hat Ulrich Rauchheld nicht ausgespart. Auf einem Bild mit NS-Symbolen gelobt der Fleischerstand „allzeit Treue zum Vaterland.“ Bis 1938 gab es einige jüdische Metzgereien in Olpe, Attendorn, Lenhausen und Altenhundem, wo auf der Hundemstraße vier Stolpersteine an die vier 1942 ermordeten Mitglieder der Metzgerfamilie Neuhaus erinnern.
Wer die Fleischerei-Szene so gut kennt wie Ulrich Rauchheld, der kann sich eine Analyse der Ist-Situation und einen Ausblick auf das Fleischerhandwerk der Zukunft nicht verkneifen. Und die sieht nicht rosig aus, obwohl sich neue Vertriebswege, wie zum Beispiel das Catering von Veranstaltungen oder die regelmäßige Belieferung von Betrieben etabliert haben. „Im Kreis Olpe existierten vor 50 Jahren noch 60 Metzgereien, jetzt nur noch 20“, schreibt er in seinem Buch.“ Das Metzgerei-Sterben werde weitergehen. Die Gründe dafür u. a.: Der Preisdruck durch die Discounter mache wirtschaftliches Arbeiten kaum noch möglich. Dazu komme der Fachkräftemangel. Nur noch fünf kleinere Handwerksbetriebe im Kreis Olpe schlachten noch selbst, sondern verarbeiten angekaufte Teilstücke. Der Druck durch immer neue Vorschriften und Gesetze schrecke junge Leute ab, in die Selbstständigkeit zu gehen. „Wir können davon ausgehen, dass es in 35 Jahren in Deutschland keine klassische Metzgerei mehr gibt. Man kann dann nur noch im Supermarkt verpackte Fleisch und Wurst kaufen“, schrieb Rauchheld schon 2020 in einem Leserbrief.
Ausstellung mit 800 Fotos zum Buch
Ulrich Rauchheld hat parallel zur Vorstellung seines neuen Buches eine Ausstellung mit 800 Fotos auf 50 Plakatwänden erstellt, die am Samstag und Sonntag, 16. und 17. März, zu sehen ist. Die Ausstellung findet an beiden Tagen jeweils von 14 bis 18 Uhr im Pavillon in „Brills Garten“ in Lennestadt-Bilstein, Poorte 2, statt. Der Eintritt ist frei. Dort ist auch das neue Buch (25 Euro) zu erwerben. Das Buchprojekt wird u. a. unterstützt vom Landschaftsverband LWL Westfalen-Lippe.
Das Buch „Metzgereien im Kreis Olpe in Vergangenheit und Gegenwart“ (268 Seiten) ist außerdem erhältlich bei Autor Ulrich Rauchheld in Bilstein, Poorte 3. Um vorherige Anmeldung per Mail an u.rauchheld@t-online.de wird gebeten.
Ob es so kommen wird? Ulrich Rauchheld, der seit Jahren versucht seine eigene, vollausgestattete Metzgerei in Bilstein zu vermieten, würde sich sicher am meisten freuen, wenn er an dieser Stelle Unrecht hätte. Immerhin ist der Wurstabsatz in NRW im Jahr 2022 laut IT.NRW (Statistisches Landesamt) trotz Preissteigerungen um 4,3 Prozent auf 284 400 Tonnen Wurst gestiegen und knüpft damit an die Zeit vor 2020 an. Der durchschnittliche Absatzwert je Kilogramm Wurst erhöhte sich von 5,31 Euro im Jahr 2021 um 20,7 Prozent auf 6,41 Euro im Jahr 2022.