Möllmicke. Marlene aus Möllmicke wirkt wie ein gesundes Baby. Doch sie hat einen seltenen Gendefekt – und braucht jetzt die Hilfe von Pflegekräften.

Marlene ist noch ganz klein. Das Mädchen ist gerade mal ein paar Monate alt. Lange Wimpern rahmen ihre Augen. Ein verschmitztes Lächeln liegt auf ihren Lippen. Es sind Bilder, die Benjamin Butzkamm unserer Redaktion zeigt. Bilder seiner Tochter. Auf den ersten Blick wirkt alles normal. Ein normales kleines Mädchen, das in den Armen ihrer Eltern liegt. Doch Marlene ist krank. Sie ist mit einem sehr seltenen Gendefekt auf die Welt gekommen. Was die Kleine jetzt braucht, ist – neben viel Liebe ihrer Familie – Pflegekräfte, die sie nachts und gelegentlich tagsüber versorgen.

Wie war es, als Sie erfahren haben, dass Sie Vater werden?

Benjamin Butzkamm: Es war ja nicht das erste Mal. Wir, meine Frau Nadine und ich, haben eine sechsjährige Tochter. Dann haben wir in fortgeschrittener Schwangerschaft zwei Kinder verloren. Als wir erfuhren, dass Nadine wieder schwanger ist, haben wir uns natürlich gefreut. Aber am meisten hat sich die große Schwester gefreut.

Benjamin und Nadine Butzkamm halten ihre Tochter Marlene im Arm.
Benjamin und Nadine Butzkamm halten ihre Tochter Marlene im Arm. © Privat | Privat

Wann wurde denn klar, dass Ihre Tochter nicht gesund ist?

Wir waren zur Kontrolluntersuchung in der Kinderklinik in Bonn. Da haben die Gynäkologen festgestellt, dass im Verhältnis zum letzten Mal zu viel Fruchtwasser da war. Da wusste aber noch keiner, warum das so ist. Deswegen hatte man sich dann dazu entschieden, Marlene per Kaiserschnitt zu holen. Das war die 36. Schwangerschaftswoche. Der 3. November. Ein Freitag.

In welcher Verfassung war Ihre Tochter, als sie auf die Welt kam?

Man hat gesehen, dass etwas nicht stimmte. Ihre Haut war relativ bläulich und sie hat nicht geschrien, wie es Kinder eigentlich tun sollten. Jetzt ist das bei Kaiserschnitt-Kindern nicht so ungewöhnlich, aber sie hat halt gar nichts gemacht. Sie war ganz ruhig.

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Ein Albtraum für Eltern. Wie reagiert man denn da?

Erstmal gar nicht. Eben, weil man weiß, dass das vorkommen kann. Aber dann kamen immer mehr Ärzte und Anästhesisten. Außerdem wurden immer mehr medizinische Geräte geholt, man hatte relativ schnell Röntgengeräte geholt, um die Lunge zu röntgen. Da haben die Ärzte dann gesehen, dass sich die Lunge nicht entfaltet hat.

Die Lunge hat sich nicht entfaltet? Das hat dieser seltene Gendefekt zur Folge?

Das Einzige, was man von diesem Gen „GLDN“ weiß, ist, dass er eine Muskelschwäche zur Folge hat. Aber was das später für Folgen hat, ist unklar. Marlene bewegt zwar jetzt Arme und Beine, aber ob das später so ausreichend ist, dass sie mal laufen kann oder sitzen kann, das kann einem keiner sagen. Es gibt einfach keine vergleichbaren Fälle.

Wie können Ärzte momentan denn überhaupt helfen?

Die Ärzte können im Grunde nur Symptome behandeln. Einen Gendefekt kann man ja sowieso nicht behandeln. Sie können halt nicht in die Glaskugel schauen. Man kann keine Prognose abgeben. Keiner kann sagen, wie die Zukunft aussieht. Marlene könnte 99 Jahre alt werden oder eben auch nur ein Jahr. Das ist diese Ungewissheit.

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Das ist schrecklich. Wie selten ist dieser Gendefekt?

Es gibt weltweit nur zwei Fälle, die bekannt sind. Und diese beiden Kinder sind direkt nach der Geburt gestorben. Wir hatten Glück, dass wir mit Marlene in der Kinderklinik in Bonn waren. Dort ist sie direkt an die Herz-Lungen-Maschine gekommen. Diese Geräte gibt es weder in Olpe noch in Siegen. Das war Glück im Unglück.

Aktuell ist Marlene ja noch in der Kinderklinik in Bonn. Wie geht es ihr derzeit?

Aktuell geht es ihr den Umständen entsprechend. Mittlerweile kann sie aus der Flasche trinken. Sie hat vor knapp fünf Wochen ein Tracheostoma (chirurgisch angelegte Öffnung der Luftröhre) bekommen. Seitdem ist sie auch wach, vorher war sie immer sediert. Außerdem kann sie sich jetzt auch relativ frei bewegen, sie strampelt wie jedes andere Baby auch. Sie hat halt nur die Einschränkung, dass sie das Tracheostoma hat.

Was muss jetzt passieren, damit Sie Ihre kleine Tochter nach Hause holen können?

Marlene braucht Unterstützung von Kinderkranken- und Krankenpflegekräften. Das würde uns sehr helfen, da wir auch voll berufstätig sind. Der Pflegedienst kommt ja von der DRK-Kinderklinik in Siegen. Und die benötigen eben Personal. Also wenn irgendjemand Kinderkrankenschwester ist, wäre das sehr hilfreich, wenn er oder sie sich bei der Kinderklinik meldet.

Marlene braucht nachts und gelegentlich tagsüber Unterstützung, richtig?

Erstmal ja. Dann müssen wir schauen, wie sich das entwickelt.

Wie hat sich Ihr Alltag seit der Geburt von Marlene verändert?

Komplett! Die älteste Tochter ist derzeit oft bei Oma und Opa. Wir fahren halt oft hin und her, also zwischen Möllmicke und Bonn, wir wollen ja beiden Kindern gerecht werden. Die große Schwester ist aber auch oft mit in Bonn. Aber sie hat natürlich auch ihren Alltag mit Kindergarten und was sonst noch so ansteht.

Wie nimmt die Große das wahr? Wie erklärt man das?

Tja, das ist eine gute Frage. Ich hatte Bilder gemacht von der Kleinen. Diese Bilder hatte ich unserer ältesten Tochter Annemarie dann gezeigt. Irgendwann fragte sie, warum sie das Gesicht ihrer Schwester nicht sehen konnte auf den Bildern. Da war die Kleine halt an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und man sah die Blutschläuche. Das wollten wir ihr natürlich nicht zeigen. Wirklich richtig gut reagiert haben die Stationsschwestern. Die haben Annemarie dann alles kindgerecht erklärt. Sie haben sich richtig viel Zeit genommen. Seitdem ist sie schockverliebt in ihre Schwester, füttert sie, kümmert sich, streichelt sie – eben die große Schwester.