Kirchhundem. Fraktion stellt Unabhängigkeit des Bürgermeisters in Frage. Gemeinderat bei Haushalt einig. „Bürokratiewahnsinn“ muss endlich aufhören
Selten waren sich die Fraktionen im Gemeinderat so einig wie beim Haushalt 2024: Riesenkompliment von allen Rednern an Kämmerin Saskia Zschegel und ihr Team für die Aufstellung des Etatentwurfs unter schwierigsten Bedingungen - vor allem wegen des Hackerangriffs, durch den die Finanzsoftware im Rathaus quasi abgeschaltet wurde. Zweitens: Massive Kritik von allen Seiten an den immer größer werdenden Belastungen durch Bund, Land und Kreis, die den Kommunen kaum noch Spielräume lassen. „Personalausgaben und Transferaufwendungen machen 70 Prozent unserer Ausgaben aus.“ Dabei schlage die Kreisumlage mit fast 80 Prozent dieser Transferausgaben zu Buche, rechnete Manuel Behle (SPD) vor. 13,3 Millionen Euro muss Kirchhundem an den Kreis überweisen.
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Michael Färber (CDU) prangerte zudem den „weiterhin zunehmenden und Kosten treibenden Bürokratiewahnsinn“ an. Die Gemeinde mit viel Fläche und wenigen Einwohnern habe bereits die höchsten Steuern und Gebühren im Kreis. „Die Gemeinde hat kein Einnahme- sondern ein Ausgabenproblem“, so Färber. Und dies sei eben nicht hausgemacht, sondern von Land und Bund zu verantworten.
UK und Grüne gingen mit ihrer Kritik ins Detail und sprachen konkrete Themen an. Christoph Henrichs (UK) prangerte die drohende Konzentration der Windkraft auf einige wenige Dörfer an. „Die Windkraftlobby, dazu zähle ich auch unsere beteiligten Waldbauern, dürfen nicht die Politik und nicht unsere Mehrheitsfraktion CDU bestimmen“, so der UK-Fraktionschef. Und auch die mögliche Unterbringung von Flüchtlingen in der Ortsmitte Heinsberg, wo die Gemeinde den ehemaligen Gasthof Hulankes in ein Gemeindehaus umwandeln will (wir berichteten), ist dem Heinsberger nach wie vor ein Dorn im Auge: „Die Heinsberger sind nicht gegen Flüchtlinge im Ort, allein der Standort und die Dauerhaftigkeit bringt die Bürger auf die Barrikaden.“ Die Grünen sehen angesichts der geplanten Investitionen im Haushalt „fehlenden Willen zum Klimaschutz“ und forderten mit den freien Mitteln „mutig und ideenreich“ umzugehen.
Bei 33,5 Millionen Euro an Aufwendungen und „nur“ 28,6 Millionen Euro an Erträgen klafft ein Loch von 4,6 Millionen Euro im Haushalt, das zum Glück noch durch einen Griff in die Ausgleichsrücklage gestopft werden kann. Dadurch ist der Haushalt fiktiv ausgeglichen. Zudem sind Investitionen vor allem in die Infrastruktur in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro geplant und Gebühren und Steuern bleiben unverändert. Dies werden einige Kommunen im Kreis in diesem Jahr nicht schaffen.
CDU, UK und Grüne winkten den Haushaltsplan bei fünf Gegenstimmen durch. Die drei SPD-Vertreter und Karl Josef Cordes (CDU) stimmten dagegen, um so gegen die ungerechte Finanzierungssystematik zu Lasten der Kommunen ein Zeichen zu setzen, also gegen ein „Weiter so.“ Diethard Schürmann (fraktionslos) verweigerte die Zustimmung wegen fehlender Detailangaben zu Grundstückskäufen.
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Bürgermeister Jarosz freute sich über das klare Votum: „Jetzt können wir wichtige Entwicklungen auf den Weg bringen“, so der BM und nannte die Erschließung des Gewerbegebietes „Am Heid II“ in Welschen Ennest. Dafür stehen 3,5 Millionen Euro bereit. „Wir müssen investieren, auch wenn es schwierig ist.“ Mit Blick auf das frühere marode Wasserleitungsnetz in Heinsberg sagte Jarosz: „Wer nicht investiert, der hat sich irgendwann kaputt gespart.“
Haushaltsberatungen sind immer mehr als ein „Zahlenroulette“, hier geht es traditionell auch um politische Einordnungen. Dafür hatte der bisher parteilose Bürgermeister Björn Jarosz mit der Ankündigung, in die CDU eintreten zu wollen (wir berichteten), die Vorlage gegeben. Christoph Henrichs nannte dies einen „Hammer“. Jarosz wäre besser beraten gewesen, Unabhängigkeit zu zeigen und parteilos zu bleiben. Dass er dem offensichtlichen Druck aus der CDU nachgebe, fördere die Politikverdrossenheit. „Ich wünschte mir einen unabhängigen Bürgermeister, der ohne dominierende Partei im Hintergrund Entscheidungen trifft“, so Henrichs. Manuel Behle konterte den CDU-Beitritt leicht ironisch: Es freue ihn, dass der Bürgermeister die Nähe zu „seiner“ Kommune suche. Leider habe er sich für die CDU entschieden. Nun fehle noch die Ansiedlung in der Gemeinde, „damit er berechtigterweise 1. Bürger der Gemeinde genannt werden kann.“
Der Bürgermeister ging erst am Ende der Sitzung auf die Attacken ein. Der CDU-Beitritt sei seine freie Entscheidung gewesen. Er wolle damit klar deutlich machen, dass er zur politischen Mitte und nicht zu den Rändern gehöre. „Dass ich mich näher zur CDU hingezogen fühle, ist kein Geheimnis.“ Er freue sich dennoch auf eine weitere gute, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit allen im Gemeinderat.