Lennestadt/Kirchhundem. Wegen des Hackerangriffs kann die Stadt keine Bescheide für die Grundbesitzabgaben erstellen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Es kommt nicht oft vor, dass eine Gemeinde- oder Stadtverwaltung an ihre Bürgerinnen und Bürger appelliert, säumige Gebühren und Steuern bitte „nicht“ zu bezahlen. Meistens ist es andersherum. Aber der Hackerangriff auf die IT-Datensysteme der Kommunen am 31. Oktober 2023 stellt auch hier die Realität auf den Kopf.

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Weil die Verwaltungen immer noch keinen Zugriff auf ihre digitalen Daten haben, haben sechs der sieben Städte und Gemeinden im Kreis Olpe Mitte November auf den Einzug der Grundbesitzabgaben verzichtet. Oft weicht die letzte Zahlung im November von den ersten drei im Jahresverlauf ab. Weil die Verwaltungen mangels Dateneinsicht nicht ermitteln konnten, wieviel genau jeder Grundeigentümer im November zahlen musste, haben die Kommunen auf den Einzug der Abgaben verzichtet, weil die meisten Bescheide falsch gewesen wären. Nur die Stadt Drolshagen hatte Mitte Dezember die Gelder eingezogen.

Wir würden hunderte falsche Steuerzettel versenden.
Jochen Biermann, Kämmerer der Stadt Lennestadt

Während sich einige Bürger sicher über den Verzug gefreut haben, waren andere nicht erfreut. Im Lennestädter Rathaus gab es dutzende Anrufe deshalb. „Viele wollten zahlen, weil sie es so gewohnt sind“, so Lennestadts Kämmerer Jochen Biermann. Sie wollten die Schulden bei der Stadt nicht mit ins neue Jahr schleppen.

Die Stadtverwaltung Lennestadt verschickt immer am letzten Freitag im Januar, das wäre in diesem Jahr der 26., die Bescheide über Grundbesitzabgaben für das Jahr neue Jahr, im Volksmund auch „Steuerzettel“ genannt. Dies wird in diesem Jahr höchstwahrscheinlich auch nicht passieren, weil kein Datenzugriff möglich ist. „Es sieht sehr schlecht aus“, so Biermann.

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Theoretisch wäre es möglich, sich an den Zahlen des letzten Jahres zu orientieren, „aber dann würde wir hunderte falsche Steuerzettel versenden“, so der Kämmerer. In Lennestadt gibt es jedes Jahr 300 bis 400 Grundeigentümerwechsel, dazu kommen Änderungen zum Beispiel bei der Hundehaltung oder bei den Müllgefäßen.

9.000 Grundbesitzer in Lennestadt

Sämtliche Grundbesitzabgaben, die neuen Steuersätze für Grundsteuer und Hundehaltung sowie die Gebührensätze für Trinkwasser, Kanal, Niederschlagwasser, Abfallbeseitigung und Straßenreinigung sind in den Steuerzetteln, die in Lennestadt allein an rund 9000 Grundstückseigentümer verschickt werden, erfasst. Sie dienen auch den Vermietern als Grundlage für die Mietabrechnungen für 2023 bzw. die Vorauszahlungen der Mieter für 2024. Diese dürften bei einigen Mietern dieses Jahr später als gewohnt im Postkasten liegen.

So wie es jetzt aussieht, werde die Stadt Lennestadt auch am 15. Februar noch nicht in der Lage sein, auf den Cent genau die Gebühren und Steuern einzuziehen, vermutet der Kämmerer. Das bedeutet auch, dass der Stadtkasse jedes Mal fünf Millionen Euro an Einnahmen fehlen. „Darunter leidet natürlich die Liquidität“, so Biermann. Dennoch habe die Stadt noch stabile Zahlen, weil Ende des Jahres noch viele Gewerbesteuereinnahmen in die Stadtkasse überwiesen wurden. Auch in der Nachbargemeinde Kirchhundem bleibt man entspannt. „Wir haben noch keine Liquiditätsprobleme“, so Kämmerin Saskia Zschegel. Wenn es finanziell eng würde, könne man ja immer noch die Grundbesitzangaben einziehen und später die Bescheide aktualisieren. „Das Problem ist, dass man keine Perspektive hat, wann die Systeme wieder richtig laufen.“ Auch ihr Kollege Jochen Biermann hofft, dass sich die „üble Situation“ nach und nach entspannt. „Es kann sein, dass wir in vier Wochen wieder weiter sind.“ Aber sicher sei das natürlich nicht.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Sicher ist dagegen, dass die Stadt- und auch die Gemeindeverwaltung die ausgesetzten Gebühren- und Steuereinzüge nicht „vergessen“, sondern nachholen wird. So empfiehlt Jochen Biermann allen 9.000 Grundeigentümern, das Geld zu horten: „Legen Sie das Geld an die Seite, die Abbuchungen werden kommen.“