Feldmannshof. Der momentane Milchpreis rechnet sich für die Versorger im Kreis Olpe nicht. Viele Milchbauern sind in Sorge, ihre Existenz zu verlieren.
Üblicherweise beginnen Führungen in der Hofmolkerei „Volle Kanne“ im Drolshagener Weiler Feldmannshof mit einem Film, in dem zunächst Fakten über Milchkühe erklärt und danach die Zusammensetzung der Milch aufgeschlüsselt werden. Am Dienstag ließ Geschäftsführerin Anna Bieker beide Kapitel aus, denn die im Vortragsraum versammelten Gäste waren sämtlich vom Fach: Milchbauern hatten sich auf Einladung der örtlichen Kreisgruppe des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter (BDM) eingefunden.
Von frischer Milch bis Magerquark
Bei einer virtuellen Führung durch die Hofmolkerei erfuhren die Besucher Details über die etwas mehr als einjährige Geschichte der „Vollen Kanne“, die inzwischen Voll- und Magermilch, Joghurt, Sahne und Magerquark produziert. Eine echte Führung war bei einer so großen Gruppe nicht möglich – aus hygienischen Gründen müssen alle Besucher Einwegkleidung überziehen. Zwei Besonderheiten hat die „Volle Kanne“: Zum einen wird hier außer herkömmlicher Milch vom Hof Engels auch sogenannte A2-Milch produziert, die vom Hof Alterauge kommt und vielen Menschen als bekömmlicher empfunden wird. Sie enthält durch entsprechende Züchtung der Kühe ein anderes Beta-Kasein als herkömmliche Milch. Zum anderen produziert die „Volle Kanne“ ausschließlich die fast ausgestorbene herkömmliche Frischmilch, wahlweise mit naturbelassenem Fettgehalt von rund 3,8 Prozent oder fettreduziert mit 1,8 Prozent – die allermeisten anderen Marken sind inzwischen auf ESL-Milch umgestiegen, die Abkürzung steht für „extended shelf life“, frei übersetzt meist schlicht „länger haltbar“ markiert. Sie wird hergestellt, indem Vollmilch noch einmal behandelt wird und stellt ein Zwischending zwischen Frisch- und H-Milch dar, unterscheidet sich im Geschmack aber von herkömmlicher Frischmilch. Schon bald werden Milch und Sahne auch in Großgebinden angeboten, was die Verarbeitung etwa in der Gastronomie erleichtert.
Der BDM hatte bundesweit Bekanntheit erlangt, als er 2008 zum großen „Milchstreik“ aufgerufen hatte. Mit aufsehenerregenden Aktionen hatten sich auch im Kreis Olpe zahlreiche Milchbauern von der Politik des Bauernverbands abgewandt und waren provokativ tätig geworden, etwa durch das Versprühen großer Mengen Milch auf Äckern und Wiesen, um damit zu demonstrieren, wie wenig den Großmolkereien das Lebensmittel Milch wert ist. Inzwischen ist es deutlich ruhiger geworden um den BDM – er ist in der landwirtschaftlichen Szene zu einer berufspolitischen Größe geworden, der mit am Verhandlungstisch in Berlin und Brüssel sitzt, wenn über Agrarpolitik gesprochen wird. Wie nötig das weiterhin ist, machte der Termin in Feldmannshof deutlich.
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Michael Alterauge ist nicht nur zusammen mit der Hünsborner Lebensmittel-Kette Dornseifer und der Familie Engels aus Feldmannshof Eigentümer der Hofmolkerei, sondern auch seit vielen Jahren BDM-Vorstandsmitglied und Kämpfer für die Sache der Milchbauern. Er hatte dafür gesorgt, dass die „Volle Kanne“ eine Station auf der aktuellen „Tour de Dorf“-Bereisung des BDM ist. Jutta Weiß ist seit kurzem Bundesgeschäftsführerin des BDM, und Bernhard Heger aus Oberbayern ist eines von drei neugewählten Mitgliedern im fünfköpfigen Bundesvorstand. Beide waren nach Feldmannshof gereist, um einerseits die Stimmung vor Ort aufzunehmen, andererseits, um Neuigkeiten aus der Agrarpolitik vorzustellen.
„Wir sind ja ständig im Kontakt mit unseren Kollegen“, so Jutta Weiß, „aber es kam immer wieder der Hinweis, dass, so gut der Kontakt über soziale Medien ist, nichts das persönliche Treffen ersetzt.“ So entstand die „Tour de Dorf“, und zunächst führte Landwirtin Katrin Engels die Besucherinnen und Besucher durch den Familienbetrieb, bei dem weit über 100 Milchkühe gehalten werden. Dabei stellte sich rasch heraus, wie sinnvoll derartige Kontakte unter Landwirten sind: Rasch gab es Fachgespräche über Besonderheiten der Stallkonstruktion, über natürliche oder künstliche Belüftung, Tipps und Tricks zu Einstreu und Futter und vieles mehr. „Ihr habt es aber auch ganz schön kalt hier“, entfuhr es dem Oberbayern Heger beim Wechsel von einem Stall in den anderen.
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Angekommen im Vortragsraum der Molkerei, informierte BDM-Vorstandsmitglied Heger, der Milchpreis sei – abgesehen von einem kurzen Saisonhoch, bedingt durch die Weihnachsbäckerei – wieder im Sinkflug nach einem guten Jahr 2022. Die Milchviehhaltung sei derzeit wieder eine Gratwanderung, und hier sei es egal, welchen Vermarktungsweg die Landwirte nutzten, ob Hof- oder Lieferung an eine Großmolkerei. Denn während die Großen niedrige Preise zahlten, sei der Absatz hochwertiger und daher hochpreisiger Milch angesichts der Konjunkturkrise ebenfalls im Sinkflug.
Um dauerhaft auskömmlich von der Milchviehhaltung leben zu können, tue der BDM weiterhin alles, um mittels Milchmengensteuerung dafür zu sorgen, dass auf dem Markt auskömmliche Preise erzielt werden könnten. „Es wäre so einfach, es geht ja nicht um gigantische Mengen, die aus dem Markt genommen werden müssen, wenn die Preise sinken“, so Heger. Es gehe um Prozente, die Milchbauern etwa durch veränderte Fütterung steuern können, um die Milchmenge zu verknappen und damit für steigende Preise zu sorgen, wenn nötig. „Derzeit ist die einzige Art der Milchmengensteuerung das fortgesetzte Höfesterben.“ Alterauge bestätigte: So sei die Anzahl der Milchviehhalter im Kreis Olpe weiterhin sinkend. Heger berichtete, der BDM sei mit anderen Verbänden abseits des mächtigen Bauernverbands einig, dass Landwirtschaft im Prinzip über den Markt funktionieren müsse und nicht über Zuschüsse und Reglementierungen.
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Aus den Reihen der versammelten Milchbauern wurde Kritik an den Großmolkereien laut: Diese forderten immer mehr von ihren Milchbauern, ohne es aber entsprechend zu vergüten. So reiche der Aufschlag etwa für besonders tiergerechte Haltung bei weitem nicht aus, um die durch die Umstellungen anfallenden Kosten zu decken. Ohnehin habe es sogar den Fall gegeben, dass der Grundpreis für die Milch reduziert worden sei, und zwar genau um das, was dann als Aufschlag für Mehrleistungen wieder obendrauf gepackt worden sei. Das Gros der Milchviehbetriebe wäre, so die einhellige Meinung, nicht überlebensfähig, wenn nicht andere landwirtschaftliche Zweige als Ergänzung für auskömmlichen Betrieb sorgten.