Drolshagen/Eichhagen. Zwei neue Wohncontainer und ein Übergangswohnheim gehen in Betrieb, die rund 80 Plätze reichen aber nicht. Angebot aus Eichhagen.
Gerhard Lütticke, Flüchtlings-Manager der Stadt Drolshagen, ist schon einiges gewohnt. Musste er in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder kritische Situationen umschiffen. Doch im Gespräch mit unserer Redaktion rutscht ihm ein Satz über die Lippen, den man von ihm eher nicht erwarten würde: „Darüber darf ich gar nicht nachdenken.“ Gemeint ist die Situation der aus aller Welt nach Deutschland Geflüchteten, die über den Bund den Ländern und von dort den Städten und Gemeinden zugewiesen werden. Dort müssen Verwaltungsmitarbeiter wie eben Gerhard Lütticke versuchen, den Menschen irgendwie ein lebenswertes Obdach zu bieten. Doch das wird zunehmend schwieriger. Auch in Drolshagen. Mitten in seine Sorgenfalten fällt jetzt das überraschende Angebot von Marc Hufnagel, Immobilienbesitzer des ehemaligen Christlichen Jugenddorfes in Eichhagen, in dem derzeit rund 60 Geflüchtete aus der Ukraine Obdach gefunden haben: „Wenn das CJD in der momentan kritischen Situation für die Unterbringung von Geflüchteten benötigt wird, könnte ich mir eine Weitervermietung vorstellen. Allerdings wie bisher ausschließlich für Ukrainer.“ HIntergrund: Der bisherige Vertrag mit dem Kreis läuft Ende März 2024 aus. Und vor allem Drolshagen drückt dann der Schuh, wenn es die rund 50 Ukrainer in ihrem Stadtgebiet unterbringen muss. Doch der Kreis sieht keine Möglichkeit, das aktuelle Konstrukt über den April weiterzuführen: „Die anderen Städte und Gemeinde profitieren kaum vom Wohnheim in Eichhagen, haben deshalb kein Interesse an einer Weiterführung“, bestätigt Landrat Theo Melcher im Gespräch mit unserer Redaktion.“ Auch Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum macht deutlich, dass eine Weiterführung des CJD in Eichhagen wie bisher unrealistisch sei: „Den Großteil der Kosten, beispielsweise für die Miete und den Betrieb, zahlen alle sieben Städte und Gemeinden, also auch und gerade die, die wenig bis überhaupt nicht davon profitieren.“ Gemeint sind bevölkerungs- und wirtschaftsstarke Kommunen wie beispielsweise Attendorn.
Unstreitig ist, dass das CJD in Eichhagen mit seinen über 300 potenziellen Wohnplätzen ideal geeignet für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) wäre, wie es sie in Olpe bereits gibt und demnächst auch wieder in Heggen. Doch dagegen sträubt sich Vermieter Hufnagel, der dann keinen Einfluss mehr auf die Nationalitäten der künftigen Bewohner hätte. Mit den Ukrainern sei das 400-Seelen-Dorf bislang gut gefahren.
Für Gerhard Lütticke und die Stadt Drolshagen wäre eine Weiterführung des CJD in Eichhagen als Geflüchteten-Unterkunft über den März hinaus ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Denn die Situation in Drolshagen spitzt sich zu, obwohl die Stadt alle Hebel in Bewegung setzt, um Wohnraum zu schaffen. Ende dieser Woche türmte ein riesiger Kran auf dem städtischen Grundstück am Eiskeller/In der Wünne eine doppelstöckige Wohncontaineranlage für rund 45 Menschen aufeinander, neben der Sporthalle wird ein Übergangswohnheim für über 30 Geflüchtete in wenigen Wochen bezugsfertig. Doch selbst das, so resümiert Lütticke, verschaffe ihm längerfristig kaum Spielraum.
Ein Schub vor Weihnachten
Lütticke klärt über die Systematik auf, die ihn nahezu um den Schlaf bringt: „Wir waren sehr froh, als wir Mitte Oktober mit der Bezirksregierung einen kurzfristigen Zuweisungsstopp vereinbaren konnten. Aber der ist wieder aufgehoben worden, und jetzt erwarten wir allein in den Kalenderwochen 48 und 49 (27. November bis 8. Dezember) fast 30 Menschen aus der Ukraine, aus Russland, Syrien, Libyen und dem Irak.“ Diese große Zahl sei eigentlich kaum zu bewältigen. Die Hälfte der Geflüchteten stamme aber aus der Ukraine, könnten bis Ende März also noch in Eichhagen untergebracht werden. Sollte das CJD aber Ende März als Flüchtlingsunterkunft schließen, sei jener Zustand erreicht, über den Lütticke eingangs lieber nicht nachdenken wolle. In den Wochen vor Weihnachten rechnet er noch einmal mit einem kräftigen Zuwachs an Menschen aus Nordafrika, Nahost oder Osteuropa: „Da den Kommunen über die Weihnachtsfeiertage bis zum neuen Jahr in der Regel keine Geflüchteten zugewiesen werden, wird es kurz davor noch einmal einen kräftigen Schub geben und ab dem 3. Januar geht es dann weiter wie bisher, wenn die große Politik uns nicht hilft.“ Sollte der Trend unvermindert anhhalten, ist Lütticke sicher: „Dann stehen wir, was Wohnraum für diese Menschen angeht, vielleicht schon im Januar wieder mit dem Rücken an der Wand.“
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Der Kreis, so Kreisdirektor Scharfenbaum, werde das Verlängerungsangebot von Marc Hufnagel zwar nicht annehmen, gegen ein Drolshagener Engagement in Eichhagen und somit auf dem Gebiet der Stadt Olpe, gebe es aber nichts einzuwenden.
Dass angesichts der großen Probleme andernfalls doch wieder Sporthallen in die Diskussion geraten könnten, kann Lütticke zwar nachvollziehen, in seinen Gesprächen mit Bürgermeister Uli Berghof sei davon bisher aber nicht die Rede gewesen. Und in der letzten Stadtratssitzung hatte Berghof zum wiederholten Mal beteuert, dass er alles menschenmögliche tun wolle, um die Belegung von Sporthallen und Dorfgemeinschaftshäusern mit Geflüchteten zu vermeiden.