Olpe. Nach 34 Jahren als Richter geht Richard Sondermann am Amtsgericht Olpe in den Ruhestand. Er erzählt aus seinem langen Berufsleben.
Er war eine Institution im Olper Amtsgericht. Richard Sondermann fällte unzählige Urteile, sein letztes sprach er am vergangenen Montag. Am kommenden Montag ist sein letzter Arbeitstag. Dann räumt er den Schreibtisch in seinem Büro in der zweiten Etage des Olper Gerichtsgebäudes an der Bruchstraße. In den Prozessen hat der Richter ein feines Gespür bewiesen, das gilt vor allem auch, wenn Jugendliche bei ihm auf der Anklagebank saßen. Richard Sondermann zeigte Empathie und Verständnis, war aber auf der anderen Seite immer konsequent. Der Jurist aus Lütringhausen stand und steht mitten im Leben – er ließ sich im Gerichtssaal, wo so viel gelogen wird, nie etwas vormachen und redete stets Tacheles. Keine Frage: Richard Sondermann wird eine große Lücke in der heimischen Justiz hinterlassen.
Kurz vor seinem verdienten Ruhestand hat unsere Redaktion den scheidenden Richter in seinem Büro besucht. Hier offenbart sich auch Sondermanns große Leidenschaft: der BVB. An der Wand hängt ein Poster der Meister-Mannschaft von 2010/2011. Sein Herz schlägt schwarz-gelb. Häufig hat er in all den Jahren mit den Justizbeamten gefrotzelt, für die Schalke 04 hoch im Kurs steht. Neben seinem großen juristischen Fachwissen zeichnet Richard Sondermann seine Geselligkeit aus. Der 65-Jährige war in den 1990er-Jahren Prinz und Schützenkönig in seinem Heimatort Lütringhausen.
Jura-Studium in Bonn
„Ich würde jederzeit wieder den Richterberuf ergreifen“, blickt Sondermann auf sein langes Berufsleben zurück. Für die Juristerei habe er sich schon in der Schulzeit interessiert. So war es eine logische Folge, dass er nach dem Abitur am Städtischen Gymnasium Olpe im Jahr 1978 in Bonn Jura studierte. Dort absolvierte er 1. und 2. Staatsexamen, absolvierte seine Referendarzeit am Landgericht Bonn und war gleichzeitig wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni. Am 1. Januar 1990 wurde Richard Sondermann dann Richter in Siegen. Er war zunächst am Landgericht und nach einem Jahr am Amtsgericht tätig. „Ich hatte immer Zivilsachen gemacht. Dort habe ich das erste Mal Strafsachen bearbeitet. Das sagte mir sehr zu“, erinnert er sich.
1993 wechselte der Jurist dann in heimische Gefilde, war bis Ende 1994 am Amtsgericht Lennestadt tätig. Als beim Amtsgericht Olpe ein Vertreter für den damals erkrankten Familienrichter Gerd Meschede gesucht wurde, ging Sondermann in seine Heimatstadt: „Das ist schon ambivalent, wenn man am Wohnort als Richter tätig ist. Ich hatte überlegt, ob es hier vielleicht zu viele Bekannte gibt, mit denen ich zu tun hätte. Diese Bedenken haben sich aber schnell zerstreut.“
Die Vertretungsstelle wurde für Richard Sondermann zur Dauerlösung: „Aus den drei Monaten, die vorgesehen waren, wurden 26 Jahre.“ 2002 übernahm der 65-Jährige die Jugendsachen von Richter Hubert Fuhge, 2010 das Erwachsenen-Schöffengericht von Jochen Schneider, für das er bis Ende 2022 zuständig war.
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Auf die Frage, in wie vielen Prozessen er tätig gewesen ist, zuckt Sondermann mit den Schultern: „Das waren unzählige. Ich war fast 34 Jahre im Dienst. Da bin ich überfragt.“ Der Richter erinnert sich aber noch an einige außergewöhnliche Verhandlungen. „Es gab so ein paar Promis, mit denen wir zu tun hatten“, schmunzelt er. Es ging unter anderem um den Streit um einen kleinen Hund zwischen einem Model und einer ehemaligen Teilnehmerin beim „Sommerhaus der Stars“. „Die Herausgabe des Hundes hat erst die Zivilgerichte beschäftigt und dann später mich als Strafrichter“, so Sondermann.
Im Gedächtnis geblieben ist dem Juristen auch ein Fall des Schöffengerichtes: „Es ging um vielfachen Betrug. Der Angeklagte, der sich als Influencer ausgab, kaufte Waren im vierstelligen Bereich und zahlte nicht. Er bestritt damit seinen Lebensunterhalt. Er trat mit großen Autos auf.“ Eine Bewährung gab es vom Olper Amtsrichter für den Bewährungsversager logischerweise nicht mehr. „Er hat uns bekniet, doch wir haben es nicht gemacht. Das war nicht zu rechtfertigen“, berichtet Sondermann. Der Angeklagte zog in Berufung zum Landgericht nach Siegen.
Durch einen Tipp sei er dann auf ein Video aufmerksam geworden, so der 65-Jährige weiter: „Darin wandte der Mann sich an seine Follower und schilderte, dass es doch einfach dumm sei, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Man sollte es machen wie er, das Geld liege doch auf der Straße. Das passte nicht zu dem, was er uns für die Bewährung erzählt hatte.“ Das Video habe er dann ans Landgericht Siegen weitergeleitet, wo noch die Berufungsverhandlung anstand.
„Die Lennestädter Zeit hat mir gezeigt, wie wichtig es doch ist, dass man seinen Gerichtsbezirk und die dort tätigen Personen kennt. Ich hatte dort unter anderem auch Unterbringungen zu bearbeiten“, sagt Richard Sondermann. Eines Tages sei er in die Praxis eines Psychiaters gerufen worden, weil dort ein psychisch kranker Mann gerade in seiner manischen Phase war: „Er war teilweise fremdgefährdend und sollte in der Klinik untergebracht werden. Um ihn zu beruhigen, hatte man ihm einen weißen Kittel angezogen und ihn auf den Arztsessel gesetzt. Da fühlte er sich kompetent. Und dann kam ich ins Sprechzimmer. Im ersten Moment dachte ich, er sei der Arzt. Ich war als junger Richter überrascht, weil ich die Protagonisten nicht kannte. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes hat das dann aber schnell aufgelöst.“
Manchmal, erzählt Richter Sondermann, habe er auch Fälle mit nach Hause genommen: „Das muss nicht Schwerstkriminalität sein, aber Fälle, in denen Leute in etwas hineingeraten sind aus finanzieller Not. Da gab es einige Fälle, in denen einem die Angeklagten leidtun.“
Etwas Besonderes sei die Tätigkeit als Jugendrichter gewesen: „Da gehört die Vollstreckung des Urteils auch zu den Aufgaben.“ Die Entwicklung der Jugendkriminalität habe sich geändert, so Richard Sondermann: „Als ich das 2002 übernommen habe, gab es größere Gruppen von Jugendlichen, Heranwachsenden und Kindern, die unter anderem serienweise Einbrüche verübten. Das sehe ich in letzter Zeit nicht mehr.“
Mehr Zeit für die Familie
In all den Jahren als Richter habe er zu allen möglichen Lebensbereichen Berührungspunkte gehabt: „Das ist natürlich das Reizvolle.“ Auf die Frage, was er im Ruhestand am meisten vermissen wird, antwortet Sondermann: „Die Kolleginnen und Kollegen. Damit meine ich alle, insbesondere auch die Geschäftsstelle. Es war eine hervorragende Zusammenarbeit.“
Im Ruhestand will Richard Sondermann unter anderem das Radfahren intensivieren und mehr wandern. Auch die Familie solle in Zukunft einen größeren Platz haben als in der Vergangenheit, betont er. „Es wird sicher keine Langeweile aufkommen“, ist sich der Pensionär in spe sicher.