Olpe. Angesichts des aufflammenden Antisemitismus organisierte ein Olper Bürger ein Zeichen der Solidarität mit Jüdinnen und Juden.

Es war eine beeindruckende Veranstaltung, zu der sich am Freitag rund 400 Männer und Frauen auf dem Olper Marktplatz versammelten. Auf Initiative des Olper Mediziners Dr. Gerd Reichenbach fand hier eine Kundgebung statt, die angesichts der Terror-Angriffe der Hamas auf Israel und der folgenden antisemitischen Auswüchse in Deutschland an den 85. Jahrestag der Novemberpogrome erinnern sollte, den Tag, in dem auch in Olpe Mitbürger jüdischen Glaubens allein aufgrund ihrer Religion Opfer von Schmach, Gewalt und Hass wurden.

Veranstalter Dr. Gerd Reichenbach, Bürgermeister Peter Weber, Prof. Dr. Wolfgang Werner, Alon Sander und Landrat Theo Melcher (von links) sprachen bei der Kundgebung.
Veranstalter Dr. Gerd Reichenbach, Bürgermeister Peter Weber, Prof. Dr. Wolfgang Werner, Alon Sander und Landrat Theo Melcher (von links) sprachen bei der Kundgebung. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Dr. Gerd Reichenbach dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Kommen: „Es ist Zeit, Stellung zu beziehen“, forderte er. Hannah Breuer, Schülersprecherin des Städtischen Gymnasiums Olpe, verlas ein Grußwort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, welches das Staatsoberhaupt eigens für die Kundgebung in Olpe verfasst und am Vorabend an Dr. Reichenbach übermittelt hatte. Landrat Theo Melcher appellierte an die Versammelten, die heute lebenden Menschen in Deutschland trügen keine Verantwortung für die Verbrechen der Nazis, „aber wir tragen die Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert. Bei uns im Kreis ist kein Platz für Rassismus und Antisemitismus.“ Wenn auf Demonstrationen in Deutschland Menschen jubelten, weil bei Terrorangriffen Menschen gequält, verletzt und getötet wurden, dann „zeigt uns das, dass wir in Sachen Bildung und Integration noch viel nachzuholen haben“.

Bei uns im Kreis ist kein Platz für Rassismus und Antisemitismus.
Theo Melcher, Landrat

Bürgermeister Peter Weber rief in Erinnerung, dass die Opfer der Novemberpogrome vor 85 Jahren Olper Bürgerinnen und Bürger gewesen seien, hochangesehene und integrierte Olperinnen und Olper, deren einzige „Verfehlung“ ihre Religionszugehörigkeit gewesen sei. „Der Staat muss vor solchen Übergriffen schützen. Aber der Staat, das sind wir alle.“ Wenn Menschen wie der jüdische Wendener Alon Sander heutzutage sagen müssten, dass sie in Angst lebten, dann sei es höchste Zeit, aufzustehen und dagegen anzugehen. Er freue sich über jeden einzelnen der Teilnehmer und insbesondere darüber, dass es eine Veranstaltung sei, die aus rein bürgerschaftlichem Engagement entstand.

Der Staat muss vor solchen Übergriffen schützen. Aber der Staat, das sind wir alle.
Peter Weber, Bürgermeister

Die Ansprachen wechselten sich ab mit Auszügen aus dem Buch „Jüdisches Leben im Kreis Olpe“ von Gretel Kemper: Hannah Breuer las Passagen aus den Erinnerungen von Giesela Lenneberg, die als Ehefrau des jüdischen Kaufmanns Julius Lenneberg als Olperin die Novemberpogrome bei der Stürmung der Wohnung am eigenen Leib erfahren musste und in erschütternden Worten ihre exakten Erinnerungen niedergeschrieben hat.

Hannah Breuer las Texte der Olperin Gisela Lenneberg, die die Novemberpogrome als Ehefrau eines jüdischen Kaufhausbesitzers in Olpe am eigenen Leib erleben musste.
Hannah Breuer las Texte der Olperin Gisela Lenneberg, die die Novemberpogrome als Ehefrau eines jüdischen Kaufhausbesitzers in Olpe am eigenen Leib erleben musste. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Alon Sander ergriff auch selbst das Wort: Der jüdische Co-Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Siegen sprach deutliche Worte. Die Novemberpogrome seien in der Nazizeit der Schwellenbruch gewesen, der das freie Leben der Jüdinnen und Juden in Deutschland endgültig beendet habe. Angesichts des im Zuge des Hamas-Angriffs aufflammenden Antisemitismus auch in Deutschland sei er erschüttert und ernüchternd, „wie wenig aus Deutschland kommt und dem Hass entgegengesetzt wird“. Er appellierte an die Muslime in Deutschland: „Lasst nicht zu, dass ihr mit Hass und Gewalt in Verbindung gesetzt werdet.“ Dies sei möglich durch das Zeigen von Gesicht und Haltung. Gleichzeitig hoffe er, dass nun klargemacht werde, dass die Deutschen Toleranzgrenzen haben. „Diese Kundgebung ist großartig, es kann aber nur ein Anfang sein.“ Prof. Dr. Wolfgang Werner, katholischer Geistlicher, las bewegende Worte aus dem Tagebuch der niederländischen Jüdin Etty Hillesum, die ab 1941 ihre Erlebnisse niederschrieb und erschütternde Einblicke in ihr Seelenleben gab bis zum Abtransport ins Vernichtungslager Auschwitz, wo sie mit Eltern und Bruder ermordet wurde.

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Mit einer Schweigeminute endete die Kundgebung, der langer Applaus für die Veranstalter folgte. Viele Teilnehmer blieben noch auf dem Markt, um das Gespräch miteinander zu suchen.