Brachthausen. In keinem Ort in der Gemeinde Kirchhundem wohnen so viele Geflüchtete wie in Brachthausen. Probleme gibt es dadurch kaum.

Es läuft in Brachthausen, keine Frage! Während die autarke Wasserversorgung woanders auf wackligen Füßen steht, beim örtlichen Wasserverband im höchstgelegenen Ort des Kreises muss das sprudelnde Nass aus den Tiefbrunnen sogar gedrosselt werden, auch in trockenen Sommern. Rund 500.000 Euro investiert der WBV in die neue Infrastruktur bis nächstes Jahr samt Wasseraufbereitung. Im kommenden Jahr startet endlich auch die Erweiterung des Feuerwehrhauses, um der 22 Mann starken Einsatzabteilung und der eigenen Jugend- (18 Jugendliche) sowie der Kinderfeuerwehr eine moderne Feuerwehrunterkunft mit Schulungsraum zu bieten.

30 Bürger sind gekommen

„In den letzten 20 Jahren ist hier bei uns schon viel passiert“, sagt Sebastian Hermes beim WP-Mobil-Treff im Proberaum des Musikzugs im Feuerwehrhaus – und es wird in Zukunft noch einiges passieren. Rund 30 Bürgerinnen und Bürger diskutierten am Donnerstagabend im Rahmen der Aktion „WP Mobil“ zusammen mit der WP-Redaktion darüber, was der 500-Seelen-Ort hat und was er braucht. Das sind vor allem engagierte Mitbürger, um das Vereinsleben auch in Zukunft am Laufen zu halten. Momentan läuft es gut in den meisten der mehr als zehn Vereinen, aber die Protagonisten sind oft immer dieselben Frauen und Männer – wie in vielen Dörfern. Das fängt bei der ARGE an, die das Dorf in Ordnung hält, für Blumenschmuck sorgt, den Kinderspielplatz pflegt und vieles mehr auf der To-do-Liste hat. „Wir wünschen uns, dass auch jüngere Väter mitmachen, die Beteiligung ist im Moment sehr schlecht. Wir sind alle Rentner und haben einen Altersdurchschnitt von 72 Jahren, das ist traurig“, appelliert Alois Hermes.

„Die Bereitschaft, im Ehrenamt zu arbeiten, ist gering. Die, die bereit sind, haben schon zwei bis drei Posten“, pflichtet ihm Marlene Hellenthal. Andererseits läuft es in anderen Vereinen wie Schützen- und Sportverein sowie in der Feuerwehr und im Musikzug prima. Zu den positiven Beispielen gehört auch die örtliche Bücherei. „Wir haben überhaupt keine Probleme, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden“ so Birgit Tigges.

Alfred Bierhoff: „Wenn verschiedene Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammenkommen, gibt es immer mal wieder das ein oder andere, was nicht so gut läuft. 
Alfred Bierhoff: „Wenn verschiedene Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammenkommen, gibt es immer mal wieder das ein oder andere, was nicht so gut läuft.  © WP | Josef Schmidt

Tatkräftige Helfer werden auch im Zuge der Feuerwehrhaus-Erweiterung benötigt, denn „der jetzige Spielplatz muss auf den jetzigen Bolzplatz auf der anderen Straßenseite wechseln“, so Thomas Beckmann (Feuerwehr). Der Sportverein SV Brachthausen wünscht sich auf dem Gelände des neuen Spielplatzes ein modernes, multifunktionales Kleinspielfeld wie in Hofolpe, weil der SV-Sportplatz außerhalb des Ortes liegt. „Aber das scheitert momentan an Fördermitteln, aus eigenen Mitteln können wir das nicht stemmen“, so Dirk Zeppenfeld (Sportverein).

Stemmen muss der Ort schon seit Jahren den überproportionalen Zuzug von geflüchteten Menschen. Mehr als zehn Prozent der Dorfbewohner, derzeit 56 Personen, untergebracht in drei größeren Gebäuden mitten im Ort, kommen aus anderen Ländern und Kulturkreisen außerhalb der EU. Kaum ein Ort hat eine so hohe Quote.

Eine Herausforderung? „Wenn verschiedene Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammenkommen, gibt es immer mal wieder das ein oder andere, was nicht so gut läuft. Ich würde mir von der Gemeinde eine regelmäßigere Betreuung wünschen und dass sie sich mal mit den Nachbarn über die Probleme unterhält“, so Alfred Bierhoff. „Wenn neue Leute kommen, quellen die Mülltonnen über, der Biomüll wird neben das Haus geworfen“, kritisiert ein Bürger. Andere rümpfen die Nase über Lärm zu allen Tages- und Nachtzeiten und wundern sich, dass die Neubürger ständig mit dem Taxi unterwegs seien. Einig sind sich die Bürger aber, dass dies eher Kleinigkeiten seien. „Seit 2015 hat es hier nie größere Probleme gegeben, es läuft eigentlich ganz gut“, so Alois Hermes.

Für Neubürger, die bereit sind, sich in die Dorfgemeinschaft zu integrieren, stehen in Brachthausen alle Türen offen. Dies scheitere aber oft an der Sprachbarriere und es wäre deshalb wünschenswert, dass die Geflüchteten mit Bleibeperspektive schneller deutsch lernen würden. Alfred Bierhoff: „Nur ganz wenige sprechen englisch.“ Bei der Frage nach dem Integrationswillen gibt es auch in Brachthausen unterschiedliche Meinungen. Einige meinen, dass die Geflüchteten keinen Kontakte zur Dorfgemeinschaft möchten und dieser den Frauen von ihren Männern gar untersagt würde.

Ludwig Hellenthal (Mitte): „Es kann nicht sein, dass wir das anderen überlassen, die die Anlagen ums Dorf herumstellen. Wir wollen mit den Bürgern die beste Lösung für alle finden.“  
Ludwig Hellenthal (Mitte): „Es kann nicht sein, dass wir das anderen überlassen, die die Anlagen ums Dorf herumstellen. Wir wollen mit den Bürgern die beste Lösung für alle finden.“   © WP | Josef Schmidt

Überhaupt keine Probleme gibt es bei der Integration der Flüchtlingskinder im anerkannten Bewegungskindergarten „Kleine Strolche“. Hier findet Integration täglich statt.

Die Eltern zur Mitwirkung bei Arbeitseinsätzen zu bewegen, sei manchmal schwierig. „Aber das ist bei manchen deutschen Eltern auch nicht anders“, so Sebastian Hermes, Vorsitzender des Elternvereins. Die Einrichtung mit derzeit 37 betreuten Kinder hat nur ein Problem: Sie platzt aus allen Nähten. „Wir müssen jedes Jahr mehrere Kinder ablehnen“, so Hermes.

Kontroverse zur Windenergie

Dass Brachthausen aufgrund seiner Höhe für Windkraftfirmen interessant ist, ist keine Überraschung. Zig Projektierer versuchen nach wie vor, sich Standorte auf den Höhenzügen rund um den Ort zu sichern. Seit 2012 und konkret seit 2020 ist die Initiative Energiepark Brachthausen (IPB) dabei, einen Bürgerwindpark mit bis zu zehn Windrädern im Waldgebiet südlich des Ortes in Richtung Hilchenbach zu entwickeln. Das Besondere dabei: Die Projektentwickler sind selbst eingefleischte Brachthauser und wohnen im Ort. Ludwig Hellenthal, Sprecher der Initiative, nannte bei „WP-Mobil“ Details: Mitte bis Ende 2024 will er den Genehmigungsantrag für die ersten Windenergieanlagen (WEA) einreichen. Die Anzahl stehe noch nicht genau fest – mindestens drei, höchstens zehn Anlagen. „Es wird eine Beeinflussung geben, aber wir wollen sie planerisch auf ein Minimum begrenzen“, so Hellenthal. „Durch Windräder und die Speicherung des Stroms werden Einnahmen generiert. Wir wollen die Überschüsse in eine Stiftung geben.“ So könnten 4000 Euro pro Windrad und pro Jahr dem Ort, Vereinen, Kita, etc., zufließen. Trotz des „Heimvorteils“ der IPB sind die Befürchtungen, der Ort werde demnächst von Mega-Windrädern umzingelt, groß. denn das Unternehmen Volkswind plant auf den Albaumer Höhen nordöstlich von Brachthausen ebenfalls fünf.

Die Skepsis ist in Brachthausen auch deshalb groß, weil Geräusche des Windparks Rothaarwind I bei Heinsberg je nach Windrichtung im Ort zu hören seien, wie einige Bürger glaubhaft versicherten. Hellenthal hofft auf die Einsicht der Kritiker, dass ohne Windenergie die Energiewende nicht zu schaffen sei. Alfred Bierhoff favorisiert eher Sonnenenergie. Mehr als 40 Häuser verfügten bereits über eine Photovoltaikanlage: „Brachthausen ist auf einem guten Weg.“

Einen „Heimvorteil“ verzeichnet der Ort auch durch den eigenen Wasserbeschaffungsverband Die beiden Tiefenbrunnen und die Leitungen werden derzeit für eine halbe Million Euro modernisiert, dadurch wird sich der Wasserpreis Ende 2024 von 1,20 Euro (50 Euro Grundgebühr) auf 2,40 Euro (100 Euro Grundgebühr) verdoppeln, liege damit immer noch weit unter dem Wasserpreis der Gemeinde von 3,17 Euro und 170 Euro Jahresgrundgebühr, so Philipp Wagener.

Philipp Wagener: „Wir liegen immer noch weit unter dem Wasserpreis der Gemeinde von 3,17 Euro  und 170 Euro Grundgebühr.“
Philipp Wagener: „Wir liegen immer noch weit unter dem Wasserpreis der Gemeinde von 3,17 Euro und 170 Euro Grundgebühr.“ © WP | Josef Schmidt

ÖPNV findet statt, aber eher „mittelgut“, so Edith Wagener, vor allem für Familien mit mobiler werdenden Kindern. „Die Busse fahren nicht regelmäßig genug.“ Auch leide der Ort unter dem Busfahrmangel. „Schulbusse fallen regelmäßig aus. Das ist im Augenblick schwierig.“ Anruf-Taxibusse seien eine gute Alternative, die in der Woche auch funktioniere. „Aber hier muss man ein Auto haben, am Wochenende sowieso.“

Friedhelm Eberts erinnert an die verhältnismäßig gute Verkehrs-Infrastruktur, die Brachthausen trotz der Lücken im ÖPNV habe: „Die Universität ist gerade mal 25 Kilometer entfernt, die Autobahnauffahrt in Kreuztal 15 Kilometer. Der Bahnhof Hilchenbach ist 7 Kilometer, der in Altenhundem 11 Kilometer entfernt. Also die Struktur ist ganz ordentlich.“ Defizite gibt es dagegen beim Thema Bauen und Wohnen. Bauplätze für junge Familien fehlen oder sind nicht verfügbar. Die Bürger hoffen auf Hilfe aus dem Rathaus. Die Gemeinde soll einige Bauplätze neu ausweisen, die dann zügig bebaut werden müssen. Alfred Bierhoff: „Das wäre für den Ort sehr wichtig.“

Bauplätze ja, aber ein größeres interkommunales Gewerbegebiet zusammen mit Hilchenbach in Nähe des Ortes, das sich Alfred Bierhoff (CDU) wünscht und die Gemeinde dringend braucht, sehen einige Bürger positiv, andere eher kritisch. „Sämtliche Emissionen kommen bei Westwind nach Brachthausen, Lärm, Geruch, Gas und das Gewerbegebiet würde sogar in den Ort hineinreichen“, befürchtet Wilfried Hennen.