Kreis Olpe. Nachwuchs in medizinischen Berufen für den ländlichen Raum zu gewinnen, ist eine große Herausforderung. Doch woran liegt es eigentlich?
Den roten Teppich im Kreis Olpe für den Nachwuchs in medizinischen Berufen auszurollen, reicht längst nicht mehr. Um im Bild zu bleiben, spricht Stefan Spieren inzwischen von einem „goldenen Teppich“, der nötig sei, um junge Ärzte, Krankenschwestern oder Pfleger ins Sauerland zu locken. „Die Zukunft der medizinischen Versorgung ist weiblich und digital“, blickte der Allgemeinmediziner aus Hünsborn und Vorsitzende des Ärzteverbundes Südwestfalen im Olper Kreishaus in die nahe Zukunft. Im dortigen großen Sitzungssaal hatte der Ärzteverbund zum Kolloquium „Zukunft – Ärztinnen und Ärzte in Südwestfalen – derzeitige/zukünftige Versorgungssituation“ eingeladen.
Das Thema brennt Stefan Spieren schon seit vielen Jahren unter den Nägeln. „Wir haben alle verstanden, dass wir etwas tun müssen“, sprach der Hausarzt aus Hünsborn vielen heimischen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele, die an diesem Abend ins Kreishaus gekommen waren, darunter auch Interessierte aus den Nachbarkreisen. „Der Standard-Hausarzt, der verlangt wird, den gibt es schon nicht mehr. Niemand will mehr so arbeiten“, betonte Spieren. Der eine oder andere ältere Mediziner im Publikum dürfte dies vielleicht anders sehen.
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„Wir machen ja einiges“, berichtete Landrat Theo Melcher und verwies auf „Kümmerin“ Christina Röcher, die bei der Kreisverwaltung für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zuständig ist. Längst sind es „weiche“ Standortfaktoren wie ausreichend und ortsnahe Kindergartenplätze, Schulen, geeignete Baugrundstücke, aber auch Praxiskostenzuschüsse und gezielte finanzielle Förderung von jungen Ärzten, die eine große Rolle bei der Anwerbung spielen. „Was wir hier machen, machen andere schon seit Jahren“, verwies Stefan Spieren auf die Förderung der medizinischen Grundversorgung in Ostdeutschland. Für den engagierten Hausarzt ist jetzt der Punkt erreicht, „an dem wir auf Ärzte, Krankenschwestern“ und anderes Fachpersonal „zugehen müssen“.
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Die Zahlen, die Ansgar von der Osten (Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, KVWL) und Dr. med. Markus Wenning (Ärztekammer Westfalen-Lippe) präsentierten, sind nicht neu und dürften das Fachpublikum auch nicht überrascht haben, treiben den Verantwortlichen aber weiterhin die Sorgenfalten auf die Stirn. Von den rund 400 Ärzten im Kreis Olpe sind 25 Prozent über 60 Jahre, bei den niedergelassenen Ärzten beträgt der Prozentanteil sogar 39 Prozent. Viele könnten schon in Ruhestand gehen. Auch Dr. Anne Albus aus Drolshagen mit ihren rund 2000 Patienten gehört zu diesem Personenkreis. Auch sie findet keine Nachfolgerin. Eine Alternative für sie wäre ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).
Mediziner ohne deutschen Hochschulabschluss
Groß ist inzwischen in Südwestfalen der Anteil der Mediziner ohne deutschen Hochschulabschluss. Dazu gehören auch junge Ärzte, die im Ausland studiert haben. Aber „ohne ausländische Kollegen geht es nicht“, weiß Ärztevertreter Dr. Markus Wenning. Bei denen sei die Bereitschaft zur Selbstständigkeit, sprich der Wechsel vom Krankenhaus in eine Hausarztpraxis, aber geringer. Diese Erfahrung haben auch zwei leitende Krankenhausärzte aus Siegen und Lüdenscheid gemacht. Gerade die Kollegen aus Krisengebieten wollten an erster Stelle Geld verdienen, um ihre Familien zuhause zu unterstützen, und scheuten sich davor, ihre sicheren Stellen im Krankenhaus aufzugeben.
„Wir brauchen mehr ärztlichen Nachwuchs und müssen den so gezielt steuern, dass er auch dahin geht, wo er gebraucht wird“, plädierte Ansgar von der Osten dafür, „gezielte Anreize“ für das dringend benötigte Personal in den Gesundheitsberufen zu setzen. Dazu gehörten Förderung, Beratung, Digitalisierung und eine Entlastung von bürokratischen Pflichten. Zwar ist die Anzahl der Einzelpraxen in Südwestfalen nach wie vor hoch, aber die Zahl der angestellten Mediziner wächst nach Angaben von KVWL-Vertreter von der Osten „rasant“. „Einzelpraxen haben große Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden“, verriet der Geschäftsbereichsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe kein Geheimnis. Zugleich nimmt der Anteil der Ärztinnen zu. Ein Lichtblick ist auch die Entwicklung bei den hausärztlichen Weiterbildungsassistenten.
Einfach nur die wegen der vermeintlichen „Ärzteschwemme“ drastisch reduzierten Studienplätze in Deutschland zu erhöhen, ist nach Meinung der Experten auch kein Allheilmittel. Denn für einen Hausarzt von heute müssten eigentlich gleich drei Nachfolger gefunden werden, um den Ansprüchen der angehenden Medizinergeneration gerecht zu werden.
Eines hat Ansgar von der Osten in den letzten 22 Jahren „so dramatisch noch nicht erlebt“. Die Stimmung in der Ärzteschaft sei noch nie so schlecht gewesen. Deshalb forderte der Mann von der Kassenärztlichen Vereinigung: „Wir müssen Druck auf Berlin entwickeln“. Damit dürfte er den allermeisten im Saal aus der Seele gesprochen haben.
Zu den sensiblen Bereichen der medizinischen Grundversorgung gehört die Krankenhausplanung in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen befinden sich laut Ansgar von der Osten gleich acht Krankenhäuser in einem Insolvenzverfahren. „Wenn nichts geschehen wird, haben wir ab dem nächsten Jahr ein Problem“, macht sich der KVWL-Vertreter große Sorgen.
Die aktuell diskutierte Krankenhausreform dürfte konkrete Folgen auch für die drei bestehenden Krankenhäuser im Kreis Olpe haben. So haben die Krankenkassen (Stand Juni 2023) folgende Vorschläge: Am St. Josefs-Hospital Altenhundem soll unter anderem die Geriatrie und Urologie wegfallen. Wer eine neue Hüfte benötigt, muss im Kreis Olpe in die Attendorner Helios-Klinik fahren. Geburten werden dort auch in Zukunft nicht mehr möglich sein.
Hochkarätige Referenten
Beim Kolloquium „Zukunft – Ärztinnen und Ärzte in Südwestfalen - derzeitige/zukünftige Versorgungssituation“ sprachen die Referenten zu folgenden Themen. Ansgar von der Osten (Geschäftsbereichsleiter Sicherstellungspolitik und Beratung, Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe): „Versorgungssituation in Südwestfalen“. Sabrina Kühn (Geschäftsbereichsleiterin Patientenservice, KVWL): „Notdienst und Telemedizin“. Dr. med. Markus Wenning (Ärztekammer Westfalen-Lippe): „Krankenhausplanung und Ambulantisierung“. Johannes Koch (Virtuelles Krankenhaus NRW): „Virtuelles Krankenhaus“. Moderiert wurde der Abend mit der abschließenden Podiumsdiskussion von Mathias Heise.