Drolshagen-Scheda. Die Geschäftsführer des Steinbruchs in Scheda sind sauer auf die Politik. Die Energiekosten und die Bürokratie rauben ihnen den letzten Nerv.

Axel Schulte, Thomas Schulte und Christoph Kaufmann sind das, was man sich unter typischen Sauerländer Mittelständlern vorstellt: Geradeheraus, bodenständig - und eigentlich geduldig. Doch genau ihr Geduldsfaden wird zunehmend strapaziert. Nicht nur, dass die Energiekosten in einem nie dagewesenen Ausmaß explodiert seien, sondern vor allem die behördlichen und bürokratischen Hürden, die Mittelständlern wie ihnen in den Weg gestellt würden, seien nahezu unerträglich geworden. Mit der jetzigen Bundespolitik, sagt Axel Schulte, sei der einst so erfolgreiche Industriestandort Deutschland in ernster Gefahr. Sein Geschäftspartner Christoph Kaufmann bringt sein Seelenleben in einem Satz auf den Punkt: „Montags bis mittwochmittags arbeite ich gern. Dann gehe ich nämlich meinem eigentlichen Beruf nach und verkaufe Steine. Die zweite Hälfte der Woche muss ich mich nur noch um Antragsformulare und Behördenpost kümmern. Das raubt einem die Lust an dem Beruf.“

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Der riesige Steinbruch der Robert Schulte GmbH aus Drolshagen-Scheda. Hier wird Grauwacke abgebaut.
Der riesige Steinbruch der Robert Schulte GmbH aus Drolshagen-Scheda. Hier wird Grauwacke abgebaut. © Josef Schmidt

Die drei sind alte Hasen in ihrem Geschäft, dass sie in dritter Generation führen und haben schon einiges erlebt. Aber die jetzige Politik bringe das Fass zum Überlaufen. Deutschland sei nicht mehr das Land der Erfinder und der Industrie, sondern eine Nation der Bürokraten und Wirtschaftsbremser geworden, nimmt Axel Schulte kein Blatt vor den Mund: „Wir zahlen für die Kilowattstunde Strom in diesem Jahr nur für den Arbeitspreis über 15 Cent, und das ist schon mehr als eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Und im nächsten Jahr müssen wir mit 30 Cent oder mehr rechnen, wobei die staatlichen und steuerlichen Anteile des Strompreises noch hinzu kommen.“ Verbrauch pro Jahr: 1,7 bis 2 Millionen Kilowattstunden im Durchschnitt. Diesel: 250.000 bis 300.000 Liter. Braunkohlestaub: rund 750 Tonnen, Heizöl: 80.000 bis 90.000 Liter. „Unterm Strich haben wir mindestens eine Verdopplung der Energiekosten, möglicherweise sogar eine Verdreifachung.“

Die Schulte GmbH: Familienbetrieb

Seit Mitte der 60er Jahre lag die Geschäftsführung nicht nur in den Händen des Firmengründers Robert Schulte sondern zunehmend bei seinem Schwiegersohn Heinz Kaufmann. Zusammen mit ihm und seinen Söhnen Ulrich Schulte und Alfons Schulte führte Robert Schulte das Unternehmen. Unternehmensnachfolger wurde 1983 Heinz Kaufmann sowie die Söhne Ulrich Schulte und Alfons Schulte als geschäftsführende Gesellschafter. 1996 übernahm Christoph Kaufmann die kaufmännische Führung des Steinbruchbetriebs. Im Jahr 2007 übergab Alfons Schulte seine Gesellschaftsanteile seinem Sohn Thomas Schulte, und Ulrich Schulte wiederum seine Gesellschaftsanteile seinem Sohn Axel Schulte, die beide auch in die Geschäftsführung eintraten.

Somit wird der Familienbetrieb in der dritten Generation geführt. Jeder der heutigen drei Gesellschafter ist Doppelgeschäftsführer. Dipl. Ing. Christoph Kaufmann (Vertrieb und kaufmännischer Bereich) führt auch die Firmentochter JSC, Dipl. Kaufmann Axel Schulte (Gewinnung und kaufmännischer Bereich) die Westerberger Steinwerke GmbH. Dipl. Ing.(FH) Thomas Schulte (Aufbereitung, werkseigene Produktionskontrolle, Versand, Asphaltherstellung und -aufbereitung) ist auch Geschäftsführer des AMG Asphaltmischwerkes Grevenbrück.

Christoph Kaufmann: „Wir bauen hier zu 100 Prozent Grauwacke ab. Der steckt in vielen existenziell wichtigen Produkten drin. Zum Beispiel im Beton, in jedem Asphalt, also jeder Straße, über die sie fahren. Und wenn wir den Energiepreis an unsere Kunden weitergeben müssen, werden alle diese Produkte, jede Bodenplatte, jede Brücke, jede Straße, gravierend teurer. Das sorgt für extreme Inflation. Außer dem Steinbruch betreiben wir noch zwei zwei Asphalt-Mischanlagen, und dort sind die Hauptenergieträger der Braunkohlenstaub sowie das Heizöl.“ Und auch hier werde die Preisschraube gedreht bis zum Anschlag. An Braunkohlenstaub benötige das Unternehmen fast 750 Tonnen an nur einem Standort.

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Axel Schulte: „Mit Braunkohlenstaub ist eine Asphaltmischanlage preisgünstiger zu betreiben als allein mit Heizöl. Das gilt übrigens für die meisten der 540 Asphaltmischanlagen in Deutschland. Die hohen Temperaturen benötige man u. a. zum Aufheizen des Gesteins. „Wenn wir den Asphalt liefern, muss er einen Temperaturbereich von mindestens 140 bis 160 Grad haben.“

Energie überall billiger

Dass auch der länderübergreifende Wettbewerb mit Blick auf Energiepreise eine Rolle spiele, macht Christoph Kaufmann am Beispiel Norwegen deutlich: „Ein Grauwackeähnliches Gestein aus Norwegen hat uns den Markt in den Niederlanden wieder abgenommen. Das resultiert vor allem aus den deutlich niedrigeren Energiekosten in Norwegen.“ Apropos Braunkohlenstaub: „2022 haben wir noch rund 150 Euro pro Tonne gezahlt, in diesem Jahr kommen 64 Euro CO2-Abgabe je Tonne obendrauf, und für 2024 ist noch mal eine Erhöhung um rund 100 Euro je Tonne geplant.“ All das seien politisch entschiedene und somit hausgemachte Kostentreiber. Mit ein Grund für die allgemeine Inflation, die jeder Bürger mitzahlen müsse.

Wenn man alles addiere, also alle Energiekosten aller Standorte, habe sich das im Jahr 2022 auf rund 1,4 Millionen Euro summiert. In diesem Jahr müsse man mit 2,5 Millionen Euro rechnen. Die Produktionsmenge zu erhöhen, sei illusorisch, da das Abbauvolumen durch aufwendige Genehmigungsverfahren begrenzt sei. Axel Schulte: „Auf eine Genehmigung für eine Erweiterung wartet man statistisch zwischen sechs und 20 Jahre.“ Dabei schlummere das Gestein in der Erde, aber angesichts des Genehmigungsmarathons bräuchten Steinbruchunternehmer einen langen Atem. Diese künstliche Verknappung des Angebotes mache den Stein teuer. Schulte: „Da wundert es auch nicht, wenn plötzlich der Bauherr eines Zweifamilienhauses eine Bodenplatte gießen will und mit einem Preisaufschlag von 50 Prozent rechnen muss.“ Und dann vielleicht ganz darauf verzichtet. An zahlreichen regionalen Neubaugebieten habe man das sozusagen vor der eigenen Haustüre erleben können. So funktioniere wirtschaftliche Stagnation. Hausgemacht, denn den Betrieb von Atomkraftwerken einzustellen, sei ebenso eine selbst gewählte Amputation wie die CO2-Bepreisung und so weiter.

Von der Bürokratie ganz zu schweigen: Mit welchen Kuriositäten er mitunter zu kämpfen habe, macht Schulte am Beispiel einer Siebanlage deutlich: „Die Siebanlage zu bestellen, ist nicht das Problem. Sie steht in Rotterdam, aber wir kriegen aktuell keine Transportgenehmigung durch Deutschland. Das ist kein Witz. Selbst wir als kleine Klitsche verbringen bis zu 50 Prozent unserer Arbeitszeit damit, irgendwelchen Dokumentationspflichten nachzukommen.“ Für IT NRW, für die Berufsgenossenschaft, für die Krankenkassen und so weiter. Vom geforderten Energiemanagement ganz zu schweigen - ein bürokratischer Moloch. Schulte: Wir haben nur hier am Standort für unsere Produktion 18 Genehmigungen.“ Stichworte: Artenschutz, Wasserrecht, Landschaftspflege - und so weiter.

Recycling keine Alternative

Dr. Hendrik Schulte-Wrede, Syndikus-Rechtsanwalt des Verbandes der Bau- und Rohstoffindustrie (VERO) mit Sitz in Duisburg, stammt aus der Gemeinde Kirchhundem.
Dr. Hendrik Schulte-Wrede, Syndikus-Rechtsanwalt des Verbandes der Bau- und Rohstoffindustrie (VERO) mit Sitz in Duisburg, stammt aus der Gemeinde Kirchhundem. © Josef Schmidt

Wie relevant natürliches Gestein für den Menschen sei, macht Dr. Hendrik Schulte-Wrede deutlich, aus der Gemeinde Kirchhundem stammender Rechtsanwalt des Verbandes der Bau- und Rohstoffindustrie VERO (Duisburg): „Im Durchschnitt verbraucht jeder Mensch in Deutschland ein Kilogramm mineralischen Rohstoff pro Stunde - Stein, Sand, Kies, Kalk, Ton, Gips. Also über 80 Millionen Kilogramm. Der Jahresbedarf liegt bei rund 500 bis 550 Millionen Tonnen. Ab 1. Januar 2024 soll eine Rohstoffabgabe auf Kies und Sand kommen. Das ist ein politisch gewolltes Szenario, soll umweltlenkend wirken. Der eben beschriebene Bedarf soll lieber aus Recyclingmaterial kommen.“

Pferdefuß: Alles, was an Abfällen anfalle in Deutschland, seien aber nur rund 220 Millionen Tonnen. Und davon könnten nur rund 15 Prozent genutzt werden, weil Altbauten häufig mit umweltschädlichen Baustoffen wie Teer oder Asbest belastet seien. Fazit: Der Gesamtbedarf an Rohstoffen sei nicht ansatzweise durch Recycling zu ersetzen.