Kreis Olpe. Stundenlange Wartezeiten in den Notaufnahmen sind ein Dauerthema. Notfallmediziner Dr. André Römgens von den GFO-Kliniken erklärt die Ursachen.

Dr. André Römgens (38), Chefarzt der Notaufnahme in den GFO-Krankenhäusern Olpe und Lennestadt, ist absolut sicher: „Kein Patient wartet bei uns länger als zwei Stunden, bis ihn zum ersten Mal ein Arzt sieht.“ Hintergrund unseres Gespräches mit dem Notfallmediziner: Notaufnahmepatienten und Angehörige hatten im Medizincheck unserer Redaktion und per Facebook erschreckende Zustände in Krankenhäusern im Kreis Olpe beklagt. Wartezeiten von vier, sechs oder sogar acht Stunden, so Betroffene, spiegelten ein unzureichendes Gesundheitssystem wider.

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Römgens relativiert vermeintliche Schreckensberichte und klärt über das automatisierte Notfallsystem auf, das bundesweit einheitlich sei. Und darüber, dass manche Patienten – beispielsweise mit chronischen Rücken- oder Kopfschmerzen – einfach keine Fälle für die Notfallmedizin seien. Dass beim einen oder anderen Patienten schon mal Emotionen hochkochten, wenn lange Wartezeiten nicht eingeordnet werden könnten, sei verständlich. Da falle sicherlich auch die bei Facebook geäußerte Beschimpfung zu: „Das Krankenhaus in Olpe gleicht einem Schlachthaus. Nie wieder geht eine Person aus meiner Familie dorthin.“

Der Chefarzt der Notaufnahme für die GFO-Kliniken in Olpe und Lennestadt, Dr. André Römgens (38).
Der Chefarzt der Notaufnahme für die GFO-Kliniken in Olpe und Lennestadt, Dr. André Römgens (38). © WP | Josef Schmidt

Römgens erklärt, wie am St.-Martinus-Hospital, aber auch in anderen Notfallaufnahmen nach einem fünfstufigen Ampel-System vorgegangen werde. Die höchste Stufe ,Rot’ bedeute „Lebensgefahr“ und die sofortige Behandlung, Orange stehe für eine „sehr dringende Behandlung“, Gelb für eine „dringende Behandlung“, Grün für „Normal“ und Blau für „nicht dringend.“ Gerade mit Blick auf die im Medizincheck unserer Redaktion geäußerte Kritik an extrem langen Wartezeiten versichert Römgens: „Selbst wenn ein Patient in die unterste Stufe 5 eingeordnet wird, wartet er nicht länger als maximal zwei Stunden, bis ihn sich ein Arzt ansieht.“ Ganz sicher, so Römgens, komme es nicht vor, dass ein Patient, wie in den Kritiken des Medizinchecks geäußert, sechs Stunden warten müsse, ohne einen Arzt gesehen zu haben.

Warten bei Wespenstichen

Römgens nennt aber ein konkretes Beispiel, was unter Umständen passieren könne: „Wenn der Patient mit mehreren Wespenstichen kommt, die er vor drei Tagen erlitten hat, sieht sich das zwar ein Arzt kurz an, erkennt aber keine Dringlichkeit, und dann kann ein Patient schon mal einige Stunden warten.“

Im Rahmen des Medizinchecks hatte ein Patient beklagt, er habe Schlaganfallsymptome vermutet und acht Stunden warten müssen. Römgens klärt auch hier auf: „Ich kann Ihnen versichern, dass so etwas bei uns unmöglich ist. Wenn ein Patient mit Schlaganfall-Verdacht neurologische Ausfälle hat, geht der sofort in die Behandlung und ins Lyseverfahren, das heißt, Blutverdünner werden umgehend eingesetzt, eine Computer-Tomographie ist Pflicht.“

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Was, fragen wir, sind typische neurologische Ausfälle und alarmierende Anzeichen für den Schlaganfall? Römgens: „In solchen Fällen führt schon der Rettungsdienst einen guten Test durch. Der Patient muss dann beide Augen zukneifen, die Zähne zeigen sowie die Zunge herausstrecken. Gelingt das nicht symmetrisch, ist das ein Alarmzeichen. Kann er beide Arme nicht symmetrisch ausstrecken, sondern einer der Arme sackt herunter, ebenso. Auch, wenn er drei Worte nachsprechen soll und es nicht gelingt.“ Dann gehe es sofort in die Neurologie nach Siegen. Es komme allerdings darauf an, seit wann die Einschränkungen bestünden. Denn das sogenannte „Lysefenster“ betrage nur bis maximal viereinhalb Stunden. Bis dahin sei die blutverdünnende Therapie angezeigt, danach nicht mehr: „Ist das Geschehen zum Beispiel einen Tag alt, könnte ein Blutverdünner eine Hirnblutung provozieren.“ Mit allen Schlaganfall-Verdachtsfällen werde ein Schicht-CT gemacht, um zu diagnostizieren, ob noch an einer anderen Stelle im Gehirn ein gravierendes Gefäßproblem bestehe.

Stundenlanges Warten auf die OP

Weiteres Beispiel aus dem Medizincheck: Ein Kind bricht sich das Handgelenk, bringt drei Stunden im Krankenhaus Lennestadt zu, wird mit dem Krankenwagen nach Olpe transportiert und muss da noch einmal fünf Stunden warten, bis es operiert wird. Römgens: „Das ist schmerzabhängig. Dem Patienten, in dem Fall das Kind, wird eine Schmerzskala vorgelegt. Nennt das Kind eine hohe Schmerzstufe, wird es in gelb eingestuft. Das bedeutet, höchstens 30 Minuten, bis ein Arzt es sich anschaut.“ Dass die Familie so lange habe warten müssen, könne er schwer glauben. Eine Röntgenuntersuchung habe früher stattfinden müssen. Dass ein Patient nach der Diagnose fünf Stunden auf die Operation warten müsse, könne vorkommen: „Das hängt davon ab, wie viel Betrieb in den OPs herrscht.“

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Ein von vielen Krankenhäusern immer wieder vorgetragenes Problem seien Patienten, die die Notaufnahme strapazierten, dort aber nicht hingehörten. Römgens: „Jeder sollte sich vor Augen führen, dass eine Notaufnahme für Notfälle zuständig ist.“ Alles, was nicht akut, sondern chronisch auftrete, sei nichts für die Notaufnahme: „Das verstopft den Patientenfluss bei uns“, so Römgens. Beispiel aus der Praxis: „Was wir leider sehr häufig haben, sind Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Ein Patient, der uns sagt: ,Ich habe seit vier Wochen Rückenschmerzen, an denen sich kaum etwas ändert’, gehört nicht hierher.“ Die Schlussfolgerung von Patienten: ,Die Rückenschmerzen gehen nicht weg, jetzt muss mal danach geschaut werden’, sollte nicht in die Notaufnahme führen, sondern zum Hausarzt oder in die orthopädische Facharztpraxis.“ Diese Diskussion, so Römgens, führe er häufiger, als man denke. In solchen Fällen werde auch keine CT durchgeführt. Nicht immer mit dem Verständnis des Patienten.

Klar sei aber grundsätzlich, so Römgens: „Wir schicken keinen weg, behandeln jeden. Aber je nach Akutzustand nach unterschiedlichem Zeitpunkt.“

Drei Leistungsstufen

Dr. André Römgens (38) stammt aus Aachen und ist seit dem 1. Juli 2021 Chefarzt und Leiter der Notaufnahme für GFO-Kliniken in Olpe und Lennestadt. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Klinischer Akut- und Notfallmediziner. Römgens weist daraufhin, dass es für Notaufnahmen drei Leistungsstufen gibt: Stufe 1 ist die Basisversorgung, Stufe 2 die erweiterte Notfallversorgung, 3 die Maximalversorgung. Attendorn und Lennestadt sind Stufe 1, Olpe Stufe 2, das einzige Krankenhaus im Kreis Olpe. „Wir halten beispielsweise Tag und Nacht einen Herzkatheter vor, MRT und eine Dialyse.“