Drolshagen-Husten. Wie schnell fließt das Wasser im Sauerland, wollen Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich in Drolshagen-Husten herausfinden.

In einem vergessenen Stückchen Wald, ganz am Rande des Drolshagener Dörfchens Husten, geschehen scheinbar rätselhafte Dinge: Kleintransporter mit österreichischem Kennzeichen rollen über die weitgehend ausgetrockneten Waldwege, und ein halbes Dutzend wie Waldarbeiter gekleidete Personen marschieren zwischen Apparaturen her, die nicht sofort zu identifizieren sind. Kein Wunder, dass Geografie-Professor Peter Chifflard ganz dankbar dafür ist, dass wir das umfangreiche Projekt einmal genauer vorstellen. „Es ist gut, wenn die Menschen hier wissen, was wir eigentlich tun“, sagt der aus Bayern stammende Chifflard.

Forschung in vier Regionen

Die Forschungsgruppe unter Federführung des Fachbereichs Geografie der Philipps-Universität Marburg wird über vier Jahre hinweg unterirdische Wasserbewegungen in Mittel- und Hochgebirgen untersuchen, die Einfluss auf die Qualität von Fließgewässern und Grundwasser haben und Erdrutsche sowie Hochwasser begünstigen können.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt mit insgesamt über 4,8 Millionen Euro.

Die systematischen Untersuchungen finden in verschiedenen Landschaften statt: im Erzgebirge, dem Schwarzwald, dem Sauerland und den Tuxer Alpen.

Ziel: ein besseres Verständnis der Entstehung von Hochwasser, Speicherdynamik und Wasserverfügbarkeit in den betroffenen Regionen.

An der Forschungsgruppe beteiligt sind Wissenschaftler der Universitäten Innsbruck, Freiburg, Bayreuth, Duisburg-Essen, Berlin, Dresden und Zürich sowie des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ), des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrums für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig (UFZ).

Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes steht etwas, das in der Fachsprache eher dem Titel eines US-Blockbusters ähnelt: „Subsurface Stormflow“ bedeutet so viel wie schnelle, unterirdische Wasserbewegungen. Genau die will der Geografie-Professor, der an der Philipps-Universität Marburg lehrt, erforschen - und das in Hoch- aber eben auch in Mittelgebirgen wie im Sauerland anzutreffen. Professor Chifflard: „Wir erforschen das Wasser im Untergrund, also im Boden und Gestein. Wir wollen wissen, wie viel gespeichert wird, wenn das Regenwasser versickert, wie schnell es zum Bach fließt, wie viel bleibt im Boden und wie viel geht ins Grundwasser. Das tun wir hier im Sauerland, aber auch im Schwarzwald bei Freiburg, im Erzgebirge und in den Alpen.“

Dr. Bernhard Kohl (links) und Emanuel Thoenes kontrollieren ein Herzstück des Forschungsprojektes: die Berieselungsanlage.
Dr. Bernhard Kohl (links) und Emanuel Thoenes kontrollieren ein Herzstück des Forschungsprojektes: die Berieselungsanlage. © WP | Josef Schmidt

Mittelgebirgslandschaften seien für die Beantwortung solcher Fragen gut geeignet, da Regenwasser hier in der Regel etwa 1,50 Meter tief in die Erde fließe und gespeichert werde. Dann stoße es auf eine undurchlässigere Schicht und fließe deutlich schneller in benachbarte Bachläufe. Unter anderem um die Mengen und die Geschwindigkeit des Wassers gehe es: „Ein wichtiges Ziel unserer Arbeit ist es, bei Starkregen-Ereignissen frühzeitiger als bisher vorhersagen zu können, ob ein Hochwasser droht.“ Gerade beim Ahrtal-Hochwasser, so Chifflard, hätten längere Vorwarnzeiten vermutlich Menschenleben retten können.

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„Mit den Ergebnissen unserer Studien können wir später auch genauer berechnen, wie Schadstoffe von den Hängen in die Bäche, also hier in die Brachtpe, gelangen, aber auch, wie schnell ein Hang austrocknet“, so Chifflard weiter.

Spezialisten aus Österreich

Während wir das Forschungsgebiet abschreiten, begrüßt Chifflard einen seiner erfahrenen Mitarbeiter, Klaus Suntinger, ein Spezialist aus Österreich, der an den beiden mobilen Wasserzisternen beschäftigt ist, die in den gerade zurückliegenden trockenen Wetterphasen auch mit Hilfe der Drolshagener Feuerwehr befüllt werden mussten. Chifflard: „Wir können natürlich nicht auf natürlichen Regen warten, zudem brauchen wir einen kontrollierten Zufluss.“

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Ein paar Meter weiter kontrollieren Dr. Bernhard Kohl und Doktorand Emanuel Thoenes eine Anlage an einem moderat steilen Hang, die von weitem aussieht wie eine Nebelmaschine. Was wie Nebel aussieht, ist aber versprühtes Wasser. Mit Hilfe von Sensoren wird eine genau kontrollierte Regenwassermenge simuliert. Unterhalb des „Riesel-Hanges“ messen Kontrollapparaturen, wie viel und wie schnell der künstliche „Regen“ durch den Sauerländer Boden geflossen ist.

Klar sei bereits, so Chifflard, dass der unterirdische Wasserfluss in Mittelgebirgen vergleichsweise schnell sei, vermutlich ein Grund, dass Hochwasser entstehen könne: „Hier fließt das Wasser bis zu 50 Zentimeter pro Tag. Es sind aber auch 80 Zentimeter möglich. Und vielleicht auch noch schneller. Das wollen wir eben herausfinden. Und wir wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen und zu welchen Jahreszeiten Wasser wie schnell fließt.“

14 Professoren beteiligt

Die Forscher im Auftrag der Uni Marburg nutzen modernste Elektronik für ihre Wasserversuche.i
Die Forscher im Auftrag der Uni Marburg nutzen modernste Elektronik für ihre Wasserversuche.i © WP | Josef Schmidt

Wie er als Forschungsstätte ausgerechnet auf Husten gekommen sei, kann der Professor erklären: „Ich habe 2005 in Bochum meine Doktorarbeit geschrieben, und dafür hatte ich hier in Husten Untersuchungen vorgenommen und mit dem Ruhrverband kooperiert.“ Der Ruhrverband habe wissen wollen, wie sich das Wasser in den Einzugsgebieten seiner Talsperren verhalte.

Das aktuelle Forschungsprojekt, so Chifflard weiter, sei ein großes seiner Art: „Wir sind 14 Professoren und etwa 30 Wissenschaftler und Techniker der Universitäten Duisburg-Essen, Freiburg, Berlin, Dresden, Bayreuth, Potsdam, Marburg und Innsbruck und haben im Januar 2022 begonnen. Zum gesamten Projekt gehören sieben Forschungsgruppen, und meine Österreicher Kollegen beschäftigen sich hier mit den Beregnungsversuchen, in denen sie über eine gewisse Erfahrung verfügen.“

In Husten werde die Forschungsgruppe bis Ende 2025 anzutreffen sein.