Rothemühle. Alexander Czenkusch und Stefan Müller entwickelten für das Apparatebau-Gelände die erste Nutzungsidee, waren aber nur „zweite Sieger“.

Auf dem ehemaligen Firmengelände des Apparatebaus Rothemühle werden die Abbrucharbeiten vorbereitet. Dass unter anderem die ortsbildprägende Halle 1 mit dem weithin sichtbaren Schriftzug „Rothemühle“, nicht nur der Name der Ortschaft, sondern auch jahrzehntelang Markenzeichen der Firma Brandt & Kritzler, fallen wird, sehen viele mit gemischten Gefühlen – ganz vorn dabei: Stefan „Trecker“ Müller und Alexander Czenkusch, die ein eigenes Konzept für das Areal entwickelt hatten und im von der Gemeinde Wenden gewählten Vergabeverfahren unterlegen waren. Mehrere Nachfragen nach einem Interview hatten sie im Nachgang der Projektvergabe abgelehnt, doch Hartnäckigkeit macht sich manchmal bezahlt: Beide standen uns nun zum Interview zur Verfügung. Czenkusch und Müller waren nicht nur in Sachen Apparatebau ein Team – auch abseits davon arbeiten sie eng zusammen: Müller ist als Projektleiter in Czenkusch’ Speditionsfirma beschäftigt, beide verbindet eine persönliche Freundschaft.

Frage: Mehrfach haben Sie erklärt, Sie wollten kein schlechter Verlierer sein und würden sich nicht zum Vorgang äußern, nachdem der Zuschlag der Gemeinde nicht an Sie, sondern an die „Projektgesellschaft Zukunftsquartier Rothemühle“, bestehend aus Sparkasse und der Pyramis Immobilien-Entwicklungs-GmbH, erfolgt war. Nun der Wandel. Wie kommt das, Herr Czenkusch?

Alexander Czenkusch: Da müssen wir zum besseren Verständnis mal ganz vorne anfangen. Unser Herr Hohmann (Baudezernent Gemeinde Wenden, die Red.) hätte besser niemals das ISEK mit dem Slogan „Arbeiten am Wasser“ ins Spiel gebracht. Wie es der Name schon sagt: innerstädtisches Entwicklungs-Konzept: Unser Rothemühle ist ein Dörfchen auf dem Land und keine Stadt. Das passte vom Grundsatz her schon gar nicht auf unsere damaligen Herausforderungen. Aber in unserem Rathaus wollte man halt genau das partout durchsetzen, koste es was es wolle. Selbst nach vorheriger Ablehnung im Rat holte man es schlussendlich mit der Konzeptvergabe „durch die Hintertür“ wieder ‘rein. Unsere Meinung dazu: Wer Arbeiten am Wasser will, sollte sich bei der Biggeflotte bewerben. Und wo wir gerade mal dabei sind. Co-Working-Spaces und Carsharing in Rothemühle ist vergleichbar mit einem Skiverleih an der Bigge. Das will hier kein Mensch und ist absolut überflüssig.

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Herr Müller, waren Sie damals sehr enttäuscht, als zweiter Gewinner durchs Ziel zu gehen?

Stefan Müller: Auf jeden Fall. Die Frage ist halt immer, wie verliert man? Zunächst als Stefan Müller als Privatperson alleine und später gemeinsam mit Alexander Czenkusch haben wir alles uns zur Verfügung Stehende unternommen, diese einzigartige Immobilie zu kaufen. Aber auch hier wurden wir ja bereits mit „Tatsachen“ konfrontiert, die ich so von unserer Gemeinde nicht für möglich gehalten hätte. Mit der Begründung aus dem Rathaus: „Wir haben solch eine große Immobilie noch nie veräußert, dabei kann man viele Fehler machen“ wurde von Seiten der Gemeinde, absolut verständlich übrigens, ein Rechtsanwalt, ein Spezialist für Immobilien, eingeschaltet und für teuer Geld damit beauftragt, diese Sache in erster Linie neutral bzw. fair und zudem rechtssicher abzuwickeln. Wenn aber jetzt am letzten Tag der Bewerbungsfrist genau dieser Rechtsanwalt, Herr Michael Hoppenberg, stellvertretend für die bekannten Parteien Pyramis und Sparkasse mit seiner Unterschrift selber, also höchstpersönlich, eine offizielle Bewerbung abgibt, kommt man schon ins Grübeln. Ich fasse zusammen: Jetzt soll, darf einer der damals vier Bewerber sein eigenes Konzept „ganz fair“ mit den anderen vergleichen und entscheiden, welcher nun den Zuschlag bekommt. Ich bin ja nur im 340-Seelen-Dorf Brün groß geworden, habe auch nur eine Maschinenbautechniker-Ausbildung, aber da habe ich mich echt gefragt, ob die damaligen Protagonisten im Rathaus ein Spiel mit uns spielen wollen. Diese Bewerbung hätte die Gemeinde unseres Erachtens nach nie akzeptieren bzw. zulassen dürfen. Die Entscheidung aus dem Rathaus, die Zusammenarbeit mit Herrn Hoppenberg als Rechtsanwalt am selben Tag noch als beendet zu erklären, hilft hier dann auch nur noch den Geschichtsschreibern.

Nun haben die Projektgewinner einen Teil ihres Projekts, die „Kulturhalle 4“, aus der Umsetzung herausgenommen und gestrichen, begründet mit zu erwartenden Kosten von über 5 Millionen Euro, die nicht zu leisten seien. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Czenkusch: Hier wurde in der Bewerbung etwas versprochen, das wir aus betriebswirtschaftlicher Sicht nie verstanden haben. Vielmehr wäre unser damaliges Konzept zum Thema Kultur nach wie vor umsetzbar. Grundlage wäre eine Kantine bzw. ein Bistro, das sieben Tage die Woche geöffnet wäre. Montags bis freitags für Frühstück und Mittagessen für die Mitarbeiter der ansässigen Firmen, nachmittags Kaffee und Kuchen für Seminare bzw. Wanderer oder Radfahrer und abends für Chöre oder Musikvereine. Proberäume und Ausstellungsflächen für Künstler gibt es ja bekanntlich im Mehrzweckgebäude in allen Variationen. Und das ohne ein Invest von 5 Millionen Euro. Der Parkplatz würde hierbei nach wie vor tagsüber als Mitarbeiterparkplatz und abends für die Sänger und Musiker da sein.

Müller: Der Bereich Kultur wurde ja bei der Konzeptvergabe lediglich mit 5 Prozentpunkten gewichtet. O.K., die werden bei der Endabrechnung jetzt definitiv fehlen. Aber mir erschließt sich nicht, wie man ohne Wohneinheiten, ohne energetische Konzepte, ohne ein Mobilitätskonzept, ohne einen Zugang der Fläche für die Öffentlichkeit und ohne den Erhalt identitätsprägender baulicher Strukturen nur ansatzweise auf die volle Punktzahl aus der Bewerbung gelangen will. Man könnte die Fragestellung auch mal umdrehen und fragen: Wofür wird bislang überhaupt ein Punkt vergeben?

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Aus der Kommunalpolitik kam jüngst Kritik am Vorgehen in Rothemühle. Glauben Sie, dass es ein Umsteuern geben könnte? Oder planen Sie, selbst aktiv zu werden?

Müller: Bezüglich der Konzeptvergabe werden wir uns bis zum Schluss aus sicherer Entfernung vor allem die Konzept-Umsetzung anschauen und gegebenenfalls von Fachleuten auf Rechtssicherheit prüfen lassen. Gleichwohl würden wir uns bereiterklären, für Fragen oder Anmerkungen nach wie vor zur Verfügung zu stehen. Dabei bewegt mich besonders eine Frage: Wie wird eigentlich nach dem Abriss der Gebäude mit dem darunter befindlichen kontaminierten Boden umgegangen? Wie sieht das Entsorgungskonzept aus und wo werden mit diesem Hintergrund die Grundstückspreise für Gewerbetreibende liegen? Hierzu muss es doch im Vorfeld als Grundlage für den Abriss eine Kalkulation gegeben haben. Sollte es zum aktuellen Zeitpunkt keine Antworten auf diese Frage geben, wage ich die These: Weihnachten stehen wir vor einem geschichtsträchtigen Schutthaufen.

Wenn Sie jeweils einen Wunsch im Hinblick auf die Konzeptvergabe Rothemühle frei hätten, wie würde dieser aussehen?

Müller: Abriss sofort stoppen, Vertrag mit Pyramis aufgrund von groben Vertragsbrüchen auflösen und die gesamte Immobilie an kleinteiliges Gewerbe vergeben, aber nicht wie von uns damals vorgeschlagen vermieten, sondern direkt vermarkten. Im Hinblick auf den Brandschutz wäre das absolut umsetzbar.

Czenkusch: Die Gemeinde sollte dem Kollegen Trecker (Stefan Müller, die Red.) ein kleines Dankeschön in Form einer Kostenübernahme (Steuerberater, Brandschutz, Architekt und so weiter) zukommen lassen. Schließlich hat er diese ganze Sache angestoßen und für die Gemeinde dadurch eine große Vorarbeit geleistet.

Zur Person

Alexander Czenkusch ist 43 Jahre alt und Inhaber einer Spedition, die kürzlich in die ehemaligen Hallen der Spedition Arens-Abtrans in Friedrichsthal eingezogen ist. Er wurde in Olpe geboren, lebt in Wenden, ist Familienvater mit drei Töchtern. Nach der Realschule und der Höheren Handelsschule belegte er ein Fernstudium und wurde selbstständig als Spediteur.

Stefan „Trecker“ Müller ist 47 Jahre alt und Brüner. Nach der Realschule lernte er bei Brandt & Kritzler den Beruf des Technischen Zeichners und bildete sich umfassend fort. Er ist inzwischen hauptberuflich Projektleiter in Czenkusch’ Unternehmen ITC express und im Nebenberuf Unternehmer:

Seit 16 Jahren bietet er unter der Marke „Trecker-Tours“ Planwagenfahrten an. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Als Hobbys - außer dem Treckerfahren - ist er als Leutnant im Schützenverein Brün aktiv und singt im Männerchor „VocalArt“ Ottfingen.