Kreis Olpe. Menschen ohne Smartphone und PC können das begehrte 49-Euro-Ticket im Kreis nicht kaufen. Es hagelt Beschwerden.

Das Deutschlandticket bedeutet gerade für Senioren die große Freiheit. Für 49 Euro im Monat im Nahverkehr per Bus oder Bahn durch ganz Deutschland rollen, das klingt sehr verlockend. Ist es auch, wenn man sich in der digitalen Welt auskennt. Für alle anderen, darunter viele Senioren, ist der Weg zum D-Ticket dagegen im Kreis Olpe eine Odyssee. Denn ohne PC oder Smartphone ist das Ticket nicht zu bekommen.

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Günter Becker aus Saalhausen kann ein Lied davon singen. Wochenlang fuhren die Busse der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS), die im Kreis Olpe den Öffentlichen Nahverkehr organisieren, auf ihren Fahrzeugen großflächig Werbung für das Deutschlandticket. Also marschierte der 77-Jährige zur DB-Agentur im „Wiewowatt“ in Altenhundem, um ein D-Ticket zu kaufen, so wie man halt eine Fahrkarte schon immer gekauft hat.

Doch die freundlichen Damen dort konnten ihm ebenso wenig helfen wie später das DB-Reisezentrum in Siegen, das er ebenfalls aufsuchte. Denn im gesamten VWS-Gebiet in Südwestfalen gibt es das D-Ticket nur digital über den VWS-Online-Shop. Aber: Um dort einzukaufen, benötigt man ein Smartphone oder einen PC. Für Günter Becker und andere, die nur ein einfaches Mobiltelefon haben und weder PC noch E-Mail-Account besitzen, ist dies eine unüberwindbare Hürde.

Das Deutschland-Ticket als Chipkarte. Doch diese gibt es im Kreis Olpe nicht zu kaufen.
Das Deutschland-Ticket als Chipkarte. Doch diese gibt es im Kreis Olpe nicht zu kaufen. © dpa | David Young

Klaus-Dieter Wern, Chef der Wern-Group und damit auch der VWS, zuckt auf Anfrage unserer Redaktion nur mit den Schultern: „Das ist ein politischer Beschluss aus Berlin.“ Stephan Boch, Sprecher der VWS in Siegen, kann den Frust des Lennestädters gut nachvollziehen, denn Becker ist kein Einzelfall. 20 bis 30 Mal klingelte im Mai, als das Deutschlandticket in den Handel kam, das Telefon bei der VWS, am Hörer „nicht digitale“ Menschen wie Günter Becker, die sich lauthals beschwerten.

Boch bestätigt seinen Chef Wern: „Das hat sich die große Politik in Berlin ausgedacht“. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), auch Digitalminister in der Ampelregierung, habe durchgesetzt, dass das Ticket nur in digitaler Form ausgestellt werde – entweder als Smartphone-App oder als Chipkarte.

Eine Chip-(Fahr)Karte würde Günter Becker auch helfen, aber diese wiederum gibt es bei der VWS im Gegensatz zu anderen Verkehrsverbünden nicht. Boch: „Wir mussten uns damals auf die Schnelle für eine Version, Handy-App oder Chipkarte, entscheiden.“ Und weil die Vorbereitungen für eine Smartphone-App bereits weiter fortgeschritten waren, habe man sich für die Smartphone-App entschieden.

Aber bis Ende des Jahres gebe es noch eine Übergangslösung auf Papier. Also doch die gute, alte ausgedruckte Fahrkarte?! Natürlich nicht!

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Auch für die Chipkarte muss man sich zunächst im Online-Shop registrieren, persönliche Daten und Bankverbindung angeben, ein Abo abschließen und kann dann das D-Ticket bestellen. Das kommt per E-Mail samt PDF-Dokument mit QR-Code nach Hause, wo man es ausdrucken muss. „Wer schon mal online etwas bestellt hat, für den ist das ein ganz normaler Vorgang“, sagt Stephan Boch. Nur: Einen PC mit E-Mail hat Günter Becker ebenfalls nicht. Menschen wie er sind also darauf angewiesen, dass Dritte ihnen bei so banalen, selbstverständlichen Dingen wie dem Kauf einer Fahrkarte helfen müssen – der Digitalisierung sei Dank. Armes Deutschland!

„Es wäre uns auch lieber, unsere Kunden würden mit einen 50 Euro Schein bezahlen und bekämen das ausdruckte Ticket und einen Euro Rückgeld in die Hand gedrückt, aber das war leider nicht gewollt“, so VWS-Sprecher Stephan Boch.