Kreis Olpe. Lohnt sich das Deutschlandticket für die Menschen im Kreis Olpe? Ein Vergleich zur normalen Monatskarte gibt erstaunliche Einblicke.
„Alles neu macht der Mai“ heißt es in einem alten Volkslied. Und für das Jahr 2023 gilt das nicht nur für die aufblühende Natur: Mit der am 1. Mai erfolgten Einführung des neuen „Deutschlandtickets“ hat für viele Menschen im öffentlichen Personennahverkehr eine neue Zeitrechnung begonnen. Ähnlich wie mit dem in der Corona-Krise probeweise eingeführten Neun-Euro-Ticket ist mit dem zunächst 49 Euro im Monat kostenden „Deutschlandticket“ eine bundesweit gültige Netzfahrkarte zu haben, die in praktisch allen Linienbussen und Nahverkehrszügen gilt. Ziel der Bundesregierung ist es, durch das einfache und vergleichsweise preiswerte Angebot Menschen vom Auto weg- und in Busse und Züge hineinzulocken. Ob das auch in der vergleichsweise ÖPNV-schwachen Region Südwestfalen gelingt? Der erste Eindruck: Das „Deutschland-Ticket“ wird ein Erfolg. Allerdings einer mit Ansage.
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Denn, das erklärt der Sprecher der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd, Stephan Boch, das „Deutschlandticket“ ist kostengünstiger als fast alle Monatskarten, die der Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd bisher im Angebot hat, bietet aber viel mehr. Ein Vergleich: Wer sich die reguläre Monatskarte kauft, um mit dem attraktiven Schnellbus von Olpe nach Siegen zur Arbeit zu fahren, der ist mit dem „MonatsTicket Abo“ mit 122,80 Euro im Monat dabei. Das „Deutschland-Ticket“ spart hier also 73,80 Euro im Monat – und bietet dazu den Mehrwert, jederzeit jede andere Nahverkehrsstrecke damit nutzen zu können. Unser Beispiel-Busnutzer kann daher mit demselben Ticket, das ihm werktäglich den Weg zur Arbeit ebnet, am Wochenende den Nahverkehrszug nach Attendorn oder Finnentrop nutzen, sich alternativ in den Bus nach Winterberg setzen oder im Urlaub im Schwarzwald den örtlichen Nahverkehrsbus nutzen. Selbst das preiswerteste Monatsticket im Angebot kostet 45,20 Euro, bietet aber eben nur die Verbindung auf einer Kurzstrecke durch zwei Haltestellen-Zonen und ist damit ebenfalls nicht mehr konkurrenzfähig zum „Deutschland-Ticket“, wenn man Bus oder Zug auch nur ein einziges Mal im Monat für eine andere Verbindung in Anspruch nimmt.
Verkauft haben die VWS bisher rund 2600 der „Deutschlandtickets“ in ihrem Verbandsgebiet. Wie viele davon im Kreis Olpe registriert sind, wird nicht erfasst. Stephan Boch schätzt, dass 5 Prozent der Tickets an Neukunden gegangen sind, 95 Prozent dürften bestehende Monatskarten ersetzen. Er geht davon aus, dass über kurz oder lang praktisch alle normalen Monatskarten des ZWS in „Deutschlandtickets“ umgewandelt werden: „Die klassische Monatskarte kann nur noch in Ausnahmefällen das attraktivere Angebot sein, weil hier Mitnahmeregelungen bestehen, die das ,Deutschlandticket’ nicht hat“, beispielsweise für ein Fahrrad, den Hund oder einen Mitfahrer.
Dass so viele Kunden das „Deutschlandticket“ gekauft habe, ist für Stephan Boch keine Überraschung: „Die Zahl ist nicht überraschend, denn unsere Bestandsabonnenten werden wechseln, weil es sonst verschenktes Geld ist. Die spannendere Frage: Was gewinnen wir an Neukunden? Darum geht es ja im Prinzip. Und da halte ich die 49-Euro-Hürde für etwas hoch, dass jemand sagt: Ich lasse mein Auto stehen, stelle mein Leben um und fahre mit dem Bus oder dem Zug.“ Das sei beim 9-Euro-Ticket einfacher gewesen: „Da wusste jeder: Das lohnt sich, und wenn ich nur zweimal im Monat den Bus benutze.“ Insofern gelte es, die nächsten Monate gespannt zu verfolgen und die Entwicklung der Zukäufe im Auge zu haben.
Mit der Einführung des „Deutschlandtickets“ haben sich die Fragen im „WieWoWatt“ in Altenhundem, das unter anderem eine Bahn-Agentur betreibt, vervielfacht. Vor allem, weil viele Nutzer über technische Probleme klagten. „Das Deutschlandticket wird grundsätzlich nur digital angeboten – also per App oder auf einer Chipkarte. Viele Kunden bestehender Abos hatten allerdings Schwierigkeiten, online ins Deutschlandticket zu wechseln. Dementsprechend groß war der persönliche Beratungsbedarf“, so eine Mitarbeiterin der DB-Agentur in Altenhundem. Zumal mit dem Start des Deutschlandtickets am 1. Mai der Deutsche-Bahn-Server über mehrere Stunden so überlastet war, dass nichts mehr ging.
Vor allem Pendler im Kreis Olpe können von dem Deutschlandticket profitieren, so die Einschätzung der Mitarbeiterin der DB-Agentur. „Eine Monatskarte für die Strecke Lennestadt – Olpe kostet 125 Euro, für die Strecke Lennestadt – Siegen 190 Euro. Hier ist das Deutschlandticket wirklich ein tolles Angebot.“ Auch Auszubildende, die regelmäßig den ÖPNV nutzen, können viel mit durch das Deutschlandticket sparen: Aktuell kostet der Azubi-Abo-Westfalen-Tarif nämlich 63 Euro, für eine Ausweitung auf das NRW-Netz kommen nochmal 20 Euro dazu. Allerdings, gibt die Mitarbeiterin zu bedenken, haben auch die Fahrplan-Zeiten einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung für ein Deutschlandticket: „Wer um 6.15 Uhr im Büro sein muss, der kann mit dem Deutschlandticket in unserer Region weniger anfangen.“
Das Jobticket, ein vom Arbeitgeber subventioniertes preisgünstiges Monatsticket, dürfte vom neuen Angebot vom Markt gefegt werden. Allerdings ist dies im Kreis Olpe noch nahezu unbekannt. Stephan Boch: „Bisher gibt es im ganzen Kreis Olpe nur eine einzige Firma, die das Jobticket nutzt“, ein Kartonagen-Produzent in der Gemeinde Wenden. Wie bei normalen Monatskarten ist aber auch das Jobticket auf eine feste Strecke festgelegt, während das „Deutschlandticket Job“ als bundesweite Netzfahrkarte gilt. Das Jobticket kostet statt 49 nur 46,55 Euro und kann angeboten werden, wenn der Arbeitgeber mindestens ein Viertel der Kosten trägt.