Schwartmecke. Flüchtlingsunterkunft Carpe Diem in Kirchhundem droht das Aus. 120 Menschen aus der Ukraine verlieren zum zweiten Mal in einem Jahr ihr Zuhause.

„Ich glaube, dass wir das beste Flüchtlingsheim in ganz Deutschland sind, das klingt jetzt vielleicht arrogant, aber ich bin davon überzeugt“, sagt Ariane Metzner, Leiterin der Unterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge im früheren Hotel „Carpe Diem“ in Schwartmecke bei Oberhundem. In der Tat wohnen die 120 ukrainischen Flüchtlingen unter Bedingungen, von denen andere Flüchtlinge nur träumen können. Doch wie es im Moment aussieht, wird der Betrieb am 31. August eingestellt. Bis dahin besteht das Mietverhältnis der Hilfsorganisation ADRA Deutschland e.V. mit dem Eigentümer.

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Als im Frühjahr 2022 Russland die Ukraine überfiel und die Menschen von dort zu Tausenden in den sicheren Westen flüchteten, schuf ADRA mit der Anmietung des leerstehenden Hotelkomplexes eine nahezu ideale Zufluchtsstätte. „Wir haben hier Integrationskurse, jede Familie ist in einem eigenen Bereich untergebracht, wir haben Super-Außenanlagen, Sportplätze, Gymnastik, Kindergarten und vieles mehr“, so die Leiterin. Neben wenigen Senioren sind nur Mütter mit Kindern dort unterbracht, Alkoholkonsum ist verboten, Probleme mit der einheimischen Nachbarschaft nicht bekannt. Die Kinder besuchen die Schulen in Kirchhundem und Umgebung, die Zusammenarbeit mit der Gemeinde läuft gut und problemlos.

Das Hauptproblem, warum dieses erfolgreiche Modell dennoch keine Zukunft auf Dauer haben wird, sind die Kosten. In die Finanzierung fließen ein Teil der Regelleistungen und der Unterkunftszuschuss, den die ukrainischen Flüchtlinge von Vater Staat erhalten.

Dies reicht aber nicht aus, um den Betrieb zu finanzieren, obwohl die Leitung versucht, die Personalkosten so gering wie möglich zu halten. Ariane Metzner: „Wir haben zwei Köchinnen, das finde ich bei drei Mahlzeiten für 120 Leute sieben Tage die Woche nicht übertrieben, außerdem sechs 520-Euro-Jobber als Fahrer, Servicekraft oder Küchenhelfer, alles Ukrainer.“

Ansonsten fließen Spendenmittel aus der Aktion „Deutschland hilft“, die mit ADRA Deutschland eng zusammenarbeitet, in die Finanzierung. Am Ende des Monats reichen diese Mittel jedoch nicht aus. Nikolas Panic, Referent für internationale Zusammenarbeit bei ADRA Deutschland, spricht von einem Defizit von einigen tausend Euro jeden Monat. Andere Quellen, die von mindestens 15.000 Euro Zuschussbedarf ausgehen, will er nicht bestätigen. Er betont: „Das Carpe Diem ist eine Notunterkunft, am Anfang war das eine sehr gute Lösung, aber das Projekt war nie als Dauerlösung gedacht. Die Inlandsarbeit ist auch nicht der Hauptschwerpunkt von ADRA Deutschland.“

Mittlerweile sei ADRA auf aktiver Wohnungssuche für die Bewohner. „Wir suchen in ganz Nordrhein-Westfalen händeringend nach Wohnungsmöglichkeiten.“ Aber es werde keinen „Hard Cut“ geben: „Ende August wird keiner der Geflüchteten auf der Straße stehen, wir haben eine Exit-Strategie, bis alle einen sicheren Hafen gefunden haben“, so Panic.

Dass es doch noch anders kommen könnte und ADRA das Heim weiterbetreiben wird, will er nicht gänzlich ausschließen. „Wir wissen nicht, wie sich die Flüchtlingsströme entwickeln werden, wir schauen natürlich weiterhin in alle Richtungen, von anderen Trägern bis zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten, aber man muss realistisch sein.“

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Heimleiterin Metzner hofft, dass es doch noch anders kommt als befürchtet. Sie hofft auf Unterstützung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für die Integrationsarbeit und auf privates Sponsoring, will sogar persönlich zur Landesregierung nach Düsseldorf fahren. „Es kann ja nicht sein, dass wegen ein paar tausend Euro so ein Haus geschlossen wird. Mir tun die Menschen hier so leid, sie verlieren zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ihr Zuhause.“ Gerade für die Kinder, die plötzlich wegziehen müssten und nicht mehr zum Gymnasium gehen oder andere Schulen besuchen könnten, wäre dies eine Katastrophe.

Die Nachfrage nach einer Unterkunft im Carpe Diem sei nach wie vor riesig. Im letzten Jahr hätten rund 80 Bewohner die Einrichtung verlassen, um privat unterzukommen, dennoch bleibe das Haus mit 120 Geflüchteten voll belegt. „Ich habe hier 20 neue Anträge nur aus den Krisengebieten in der Ost- und Südukraine liegen“, so Ariane Metzner.

Sollte das Flüchtlingsprojekt im Herbst auslaufen, werde dies auch die Gemeindeverwaltung vor Probleme stellen, befürchtet Bürgermeister Björn Jarosz: „Der Wohnungsmarkt bei uns gibt diese Kapazitäten nicht her, wir können das nicht allein auffangen.“

Infos:

Nach Ausbruch des Ukrainekrieges galt das Hotel „Carpe Diem“ als eine von drei möglichen interkommunalen Großunterkünften im Kreis. Viele Flüchtlinge hofften anfangs noch nach wenigen Monaten in ihre Heimat zurückzukehren.

Die Hilfsorganisation ADRA Deutschland e.V. ist gemeinnützig und berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Infos unter www.adra.de.