Bonzel. In Lennestadt muss ein Landwirt einen verletzten Bullen erlösen. Das Tier hatte sich das Bein gebrochen. Doch der Bauer hatte keine Genehmigung.

Josef Blefgen ist Landwirt mit Leib und Seele und hat in seinem langen Berufsleben vieles erlebt. Schöne und weniger schöne Erlebnisse. Wenn er sich mal wieder über die ausufernde EU-Bürokratie, immer neue Vorschriften und Auflagen geärgert hat - und das kommt öfter vor - setzt er sich oft in seinen Geländewagen und fährt die Weiden ab, wo seine Rinder grasen. Meistens, so seine Frau, habe sich sein Ärger dann wieder gelegt. Doch am Dienstag war er fast so weit, die Brocken endgültig hinzuschmeißen. Der Grund: EU-Vorschriften, die sich weder mit gesundem Menschenverstand noch mit Tierwohl vereinbaren lassen.

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Der Blefgen-Hof betreibt seit vielen Jahren Fleisch- und Weidetierhaltung. Rund 60 Tiere gehören zum Bestand des 70-Hektar-Betriebs. Als der 73-Jährige am Mittwoch letzter Woche um 7.30 Uhr in den Stall kam, fand er dort ein leidendes Tier vor. Der zweijährige, gesunde Bulle (Blefgen: „Ein Spitzentier“) hatte sich in der Nacht augenscheinlich den Oberschenkel gebrochen. Möglicherweise hatte sich das Tier mit dem Bein im Spaltboden verhakt. Das Tier brüllte vor Schmerzen, Josef Blefgen rief einen ihm gut bekannten Fleischermeister an, der das Tier gegen 8 Uhr von seinen Qualen erlöste. Der Tierkörper wurde anschließend ins Schlachthaus transportiert und vorschriftsmäßig für die Aufbewahrung im Kühlhaus aufbereitet.

Wie sich später herausstellte, ein Fehler – zumindest nach den EU-Vorschriften. Denn Blefgen kann das Fleisch des Tieres nun weder vermarkten noch zum Eigenbedarf verwerten, sondern muss es wie gewöhnlichen Schlachtabfall entsorgen lassen. Am Montag nahmen Mitarbeiter des Kreisveterinäramts die Fleischhälften im Kühlhaus in Augenschein und markierten die Stücke mit einem dreieckigen Stempel, das Zeichen für „untauglich“. Aber nicht, weil das Fleisch ungenießbar oder gesundheitsgefährdend ist, sondern weil es die EU-Vorschriften so vorschreiben.

„Da manche Krankheiten nur an lebenden Tieren erkannt werden können, ist die Lebendtier-Untersuchung zwingend vorgeschrieben. Sie kann auch nicht nachträglich erfolgen. Eine Ausnahme von der Lebendtier-Untersuchung kann nur bei einer sogenannten Hausschlachtung für den privaten Verzehr erfolgen, aber auch nur dann, wenn kein gestörtes Allgemeinbefinden vorliegt. Bei einer akuten Verletzung, wie in diesem Beispiel bei einem Knochenbruch, handelt es sich nicht mehr um eine Haus-, sondern um eine Notschlachtung, die eine Lebendtierbegutachtung durch den amtlichen Tierarzt bedingt“, teilt die Pressestelle des Kreises Olpe auf Anfrage mit.

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Das Kreisveterinäramt in Olpe wurde aber erst nach der Erlösung des Tieres am letzten Mittwoch informiert. Formal korrekt wäre gewesen, das Tier bis nach der Begutachtung weiter leiden zu lassen. Nicht nur für Besitzer Josef Blefgen („Ich habe deswegen drei Nächte nicht geschlafen.“) ist dies ein Unding, nicht nur aus Tierschutzgründen. „Das ist doch aktive Lebensmittelvernichtung“, schimpft der Landwirt. Ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden: Für den Bullen mit einem Schlachtgewicht von nahezu 500 Kilogramm hätte er gut 3000 Euro erzielt. Stattdessen muss er nun rund 300 Euro für die Entsorgung zahlen.