Kreis Olpe. Modernste Technik soll bald im Kreis Olpe im Bereich der medizinischen Versorgung eingesetzt werden. Konkret geht es um ein Telenotarzt-System.
Wenn sich ein Unfall ereignet, fahren im Kreis Olpe stets zwei Autos zum Einsatzort: ein Rettungswagen, besetzt mit zwei Rettungsassistenten, und ein Notarzteinsatzfahrzeug, in dem ein Rettungsassistent einen Notarzt samt Ausrüstung zur Unfallstelle bringt. Das „Rendez-vous-System“ hat die früher üblichen Notarztwagen abgelöst und sorgt für mehr Flexibilität: Egal, wer von beiden zuerst eintrifft, die Rettungsarbeiten können sofort starten. Im Rahmen unserer Serie „Medizin-Check“ befassen wir uns heute mit einem Beispiel, welche Rolle die Kommunalpolitik bei der medizinischen Versorgung spielt. Denn nicht in allen Bereichen haben Stadt- oder Gemeinderäte oder der Kreistag Einfluss auf die medizinische Situation. Anders ist dies beim Rettungsdienst: Hier liegt die Zuständigkeit beim Kreis, und so hatte der zuständige Fachausschuss für Soziales und Gesundheit in seiner jüngsten Sitzung ein Thema auf dem Tapet, das schon bald das derzeitige System ergänzen soll: durch Rettungswagen, die zwar notärztliche Begleitung haben, in denen aber der Mediziner möglicherweise 100 Kilometer weit weg ist. Es geht um die Einführung eines gemeinsamen Telenotarzt-Systems für die Kreise Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Oberbergischer Kreis, Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest.
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Bis 2025 soll diese Neuerung landesweit eingeführt sein. Das System besteht darin, dass ein speziell ausgebildeter Notarzt sich per Telemetrie in Rettungswagen am Einsatzort zuschalten und das dort tätige Rettungsdienstpersonal anleiten und unterstützen kann. Über Funk erhält der Telenotarzt dazu die benötigten Daten und Messwerte oder auch Fotos. „Ferner kann der Telenotarzt den Transport vom Einsatzort ins Krankenhaus oder die Verlegung von Notfallpatienten aus heimischen in entferntere Krankenhäuser begleiten“, heißt es in der Beschlussvorlage des Kreises. Der Telenotarzt darf bestimmte medizinische Maßnahmen oder Medikamentengaben aus der Ferne anordnen. Auch gilt seine virtuelle Anwesenheit für bestimmte Verlegungsfahrten als ärztliche Transportbegleitung und macht damit Kapazitäten für Primäreinsätze frei.
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In Aachen erfolgreich getestet
Das System werde in Aachen bereits seit einigen Jahren erfolgreich getestet, erklärt die Kreisverwaltung. 2020 haben das NRW-Gesundheitsministerium, die Krankenkassen, die Kommunalen Spitzenverbände und die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe eine gemeinsame Absichtserklärung zur Einführung des Systems in ganz Nordrhein-Westfalen abgegeben, die nötigen Rahmenbedingungen festgelegt und weitere Schritte definiert. „Das Telenotarzt-System soll danach der qualitativen Weiterentwicklung des Rettungsdienstes dienen und ein zentraler Baustein der Digitalisierungsstrategie des Landes werden.“ Die südwestfälischen Kreise haben vor neun Jahren einen Arbeitskreis gegründet, der sich etwa zweimal im Jahr mit grundsätzlichen Fragen der rettungsdienstlichen und notärztlichen Versorgung beschäftigt. 2016 trat der Oberbergische Kreis bei. Nachdem die südwestfälischen Kreise 2021 gegenüber dem Land ihr gemeinsames Interesse an der Einführung eines Telenotarzt-Systems bekundet haben, hat das Land zugestimmt. Die Kernträgerschaft für die administrativen Aufgaben übernimmt der Kreis Soest.
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Alle Kreise haben sich für das Modell entschieden, dass in jedem teilnehmenden Kreis ein Telenotarztstandort eingerichtet werden soll, der alternierend über das Jahr besetzt ist. Starten soll das System Ende 2024.
Einstimmiges Votum
Im Fachausschuss stieß die Beschlussvorlage auf einhellige Zustimmung. Joachim Hoffmann, der für die FDP dem Gremium angehört, ist selbst Mediziner: „Herzlichen Glückwunsch, dass das auf den Weg gebracht worden ist. Das wird eine große Entlastung für alle, die notärztlich unterwegs sind.“ Mike Warnecke von den Grünen hatte Fragen zur Technik: „Wo sitzen die dann? Wie sind die ausgestattet?“ Patrick Becker vom Fachdienst Brand- und Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst erklärte, das stehe noch nicht genau fest. „Die Technik entwickelt sich da unheimlich schnell.“ Im Grunde benötige der Telenotarzt nur einen Internet-Anschluss und einen PC mit drei Bildschirmen. Klar sei, dass der Platz in oder nahe der Rettungsleitstelle eingerichtet werde. „Wo das Ganze hinführt, müssen wir sehen.“ Rein technisch sei denkbar, dass ein Telenotarzt sogar unterwegs oder von zu Hause aus der Bereitschaft zu Einsätzen hinzugeschaltet werde. Einstimmig sprachen sich die Ausschussmitglieder dafür aus, dass der Kreis Olpe die entsprechende öffentlich-rechtliche Vereinbarung unterzeichnet.