Olpe/Attendorn. Die Staatsanwaltschaft kann die Mauer des Schweigens der Familie nicht durchbrechen. Warum die Vernehmung des Mädchens so wichtig ist.

Niemand sprach es aus, aber das Thema des heute neun Jahre alten Mädchens, das nach derzeitigem Informationsstand sieben Jahre lang durch seine Mutter im großelterlichen Haus mitten in Attendorn von der Öffentlichkeit vollständig isoliert wurde, stand quasi wie ein Geist im Raum, als am Dienstag der Jugendhilfeausschuss des Kreises tagte.

Noch immer ist kaum etwas zu den Hintergründen bekannt, doch die Kreisverwaltung hat die Vielzahl an Vorwürfen gegen das Jugendamt zum Anlass genommen, die Arbeit dieser Behörde in Frage zu stellen und zu überprüfen. Ein ausführlicher Bericht über die Arbeit des Bezirkssozialdienstes und dessen Umgang mit Meldungen zu möglichen Fällen von Kindeswohlgefährdung war für den Ausschuss ein Einstieg in die Aufarbeitung (siehe gesonderten Text unten). Im Jugendhilfeausschuss war Ende vergangenen Jahres heftige Kritik lautgeworden an der Arbeit des Bezirkssozialdienstes, weil es der Mutter des Mädchens so lange gelungen war, das Kind vor den Behörden zu verbergen.

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Die große Frage: Sagt das Mädchen aus?

Unterdessen geht die juristische Aufarbeitung einen offenbar steinigen Weg. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss, räumte am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion ein, dass sich die Ermittlungen äußerst schwierig gestalteten.

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Es sei nicht auszuschließen, dass überhaupt keine Anklageerhebung erfolge: „Dazu könnte es kommen. Wir warten immer noch auf die Entscheidung, ob wir das Mädchen vernehmen können. Dafür benötigen wir die Zustimmung von Rechtsanwalt Thomas Trapp (Finnentrop), dem vom Gericht bestellten Ergänzungspfleger.“ Trapp habe Ende Januar signalisiert, mit dem Mädchen sprechen zu wollen, weitere Informationen habe man aber nicht, so von Grotthuss: „Ich hoffe, dass da in nächster Zeit eine endgültige Entscheidung getroffen wird.“ Eine Aussage des Mädchens stehe jetzt im Mittelpunkt des Interesses der Ermittlungsbehörde. Ohne diese Aussage, so von Grotthuss, „kommen wir nicht zum Kern.“ Rechtsanwalt Thomas Trapp erklärte am Mittwoch Nachmittag auf Anfrage unserer Redaktion, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

Polizeibericht vermutlich zu wenig für Anklage

Oberstaatsanwalt von Grotthuss wies daraufhin, dass sowohl die Kindesmutter als auch die Großeltern des Mädchens bisher zu keiner Aussage bereit seien. Auch das weitere familiäre Umfeld der Kindsmutter habe bisher nichts zur Erhellung des mehrjährigen Geschehens beigetragen. Grotthuss: „Wenn alle aus der Familie, die etwas wissen könnten, nichts sagen, wozu sie ja auch das Recht haben, dann wird es schwierig.“

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Letztlich verbliebe dann nur die „Auffindesituation vor Ort“, also das, was die Polizeibeamten vorgefunden hätten, als sie das Mädchen am 23. September im Haus am Attendorner Grafweg entdeckt hätten. Von Grotthuss: „Ob das aber für eine Anklage ausreicht, müssen wir dann bewerten.“ Bearbeitet werde der Fall derzeit von einer Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft, das bedeute aber nicht, dass diese Kollegin später vor Gericht auch die Anklage führe – wenn es denn überhaupt zu einer solchen komme.

Im Gespräch mit unserer Redaktion versicherte von Grotthuss, dass die Vernehmungen der Mitarbeiter des Jugendamtes noch nicht abgeschlossen seien: „Es hat erste Vernehmungen mit Mitarbeitern des Kreisjugendamtes gegeben, aber damit sind wir noch nicht am Ende.“