Sondern/Niederkassel. Demnächst muss die „Westfalen“ nachts ans Ladegerät: Der Dieselmotor wird durch einen Elektroantrieb ersetzt. Wie NRW das Projekt fördert.

Wolfgang Keseberg, Seniorchef der Biggeseeschifffahrt, muss sich einen Weg durch das Innendeck des Motorschiffes (MS) „Westfalen“ bahnen. Es wird montiert, gesägt und angepasst, was das Werkzeug hält. Dass es so eng ist, hat einen ganz bestimmten Grund. Fast 300 Batteriepakete versperren den Weg, jedes rund 60 Kilogramm schwer: „Die werden die neuen Elektromotoren mit Strom versorgen, die alten Diesel kommen raus“, klärt Kapitän Keseberg im Gespräch mit unserer Redaktion auf. Bisher wurde allein die Westfalen von zwei Dieseln mit rund 350 PS angetrieben. „Im Jahr haben die Dieselmotoren beider Schiffe rund 60.000 Liter Sprit pro Jahr verbraucht.“

Die Mannschaft um Seniorchef Wolfgang Keseberg (links) werkelt derzeit auf vollen Touren, um den Umbau hin zum Elektroantrieb bis Ostern hinzukriegen. Hunderte von Batterie-Komponenten stehen auf dem Innendeck, wie hier zu sehen ist. Teile für den Elektroantrieb fehlen aber noch.
Die Mannschaft um Seniorchef Wolfgang Keseberg (links) werkelt derzeit auf vollen Touren, um den Umbau hin zum Elektroantrieb bis Ostern hinzukriegen. Hunderte von Batterie-Komponenten stehen auf dem Innendeck, wie hier zu sehen ist. Teile für den Elektroantrieb fehlen aber noch. © WP | Josef Schmidt

Doch die Tage des Dieselantriebs bei den Personenschifffahrten auf dem Bigge-, dem Henne- und dem Sorpesee sind gezählt, wie die Lux-Werft mit Sitz in Niederkassel in einer Presseerklärung mitteilt: „Bereits zu Beginn dieser Saison wird das umgerüstete Motorschiff ,Sorpesee’ emissionsfrei fahren.“ Der Umbau der MS „Westfalen“ läuft zwar auf Hochtouren, Wolfgang Keseberg räumt aber ein: „Auch wir sind von gestörten Lieferketten betroffen. Einige Teile für den Elektromotor fehlen. Ob wir das bis Ostern alles hinbekommen, müssen wir sehen.“ Hintergrund: Rund um die Ostertage stechen die Schiffe auf der Bigge traditionell in See. Möglicherweise müsse auch erst einmal mit dem Diesel in die Saison gestartet werden.

Mona Neubaur (Grüne) hat 700.000 Euro im Gepäck

Rückenwind erhalten die See-Kapitäne und die Lux-Werft jetzt von der Politik: Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) brachte bei einer Betriebsbesichtigung der Werft in Niederkassel vier Förderbescheide mit. Gesamtvolumen: über 700.000 Euro.

Die LUX-Werft

Die Lux-Werft und Schifffahrt wurde 1945 von Johann Lux gegründet. Als Werft hat man sich auf den Bau und den Umbau von Fahrgastschiffen und Fähren fokussiert. Aktuell wird an Baunummer 227, einem neuen Fahrgastschiff für den Hamburger Hafen, gearbeitet.

Weiteres Standbein des Unternehmens ist der Betrieb von Fahrgastschiffen auf den Sauerländer Seen sowie auf dem fränkischen Brombachsee. Des Weiteren werden zwei Fährverbindungen auf dem Rhein betrieben.

Das Familienunternehmen wird in dritter Generation von vier Enkelkindern des Firmengründers geleitet. Die Personenschifffahrt Biggesee, die ihren Sitz in Olpe-Sondern hat, gehört zum Verbund.

Das Geld soll für die Errichtung von sogenannten Landstromanlagen an den Seen verwendet werden. Das sind leistungsfähige Trafostationen, an denen die gewaltigen Batterien der künftigen Elektro-Schiffe nachts geladen werden können.

Die Motorschiffe der Weißen Flotte auf dem Biggesee, die MS Westfalen und die MS Bigge. Die Westfalen wird derzeit grundlegend umgebaut, die MS Bigge soll später folgen. Die Dieselmotoren kommen aus, ein Elektroantrieb rein.
Die Motorschiffe der Weißen Flotte auf dem Biggesee, die MS Westfalen und die MS Bigge. Die Westfalen wird derzeit grundlegend umgebaut, die MS Bigge soll später folgen. Die Dieselmotoren kommen aus, ein Elektroantrieb rein. © WP | Josef Schmidt

Das Land fördert seit Mitte 2021 Landstromanlagen in der Güter- und der gewerblichen Personenschifffahrt mit 80 Prozent der Ausgaben und dem erforderlichen Zubehör. Die Ministerin erklärte beim Besuch der Werft: „Es freut mich sehr, dass wir mit unserem Förderprogramm dazu beitragen, die für die elektrische Schifffahrt dringend benötigte Versorgungsinfrastruktur aufzubauen. Mit den Landstromanlagen schonen wir unsere Gewässer vor Verunreinigungen durch Verbrennungsmotoren und bereiten die Schiffsbranche auf eine klimafreundliche Zukunft vor. Nordrhein-Westfalen leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und stärkt den nachhaltigen Tourismus in der Region.“

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Allein bei dem Motorschiff „Westfalen“ in Sondern, dem MS „Hennesee“ in Meschede und der „Sorpesee“ in Sundern würden durch die Umrüstung knapp 330 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. „Das ist ein Durchschnittswert auf zehn Jahre gerechnet. Dabei haben wir die CO2-Bilanz für die Herstellung der Batterien und die Umrüstung bereits beachtet“, erklärt Petra Lux, Geschäftsführerin der Lux Werft- und der Schifffahrt.

Strompreise im Blick

Mittelfristig sollen auch die beiden Schiffe „Möhnesee“ und „Körbecke“ am Möhnesee sowie die „Bigge“, das zweite Schiff auf dem Biggesee, einen Elektroantrieb erhalten. Bei der Werksbesichtigung auf der Werft am Rhein konnte Ministerin Neubaur einen Einblick bekommen, wie ein Fahrgastschiff entsteht. Die Geschäftsführer Dr. Rainer Miebach und Elmar Miebach-Oedekoven berichteten von den Innovationen, die das Unternehmen zusammen mit seinen Kunden umgesetzt hat.

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Die Umstellung auf Elektroantriebe habe aber auch ihren Preis, so Schiffbauingenieur Rainer Miebach: „Die Energiekosten müssen für die Industrie bezahlbar bleiben“, appelliert er an die Ministerin. Die Lux-Werft könne sich auch vorstellen, in eigene Photovoltaik-Anlagen zu investieren. „Dafür benötigen wir aber auch Unterstützung der Landespolitik,“, so Rainer Miebach. „Mit einer landgestützten oder einer Floating-PV-Anlage auf dem See könnten wir dank Sonnenenergie für einen geschlossenen Kreislauf aus Ökostromproduktion und -verbrauch sorgen.“

Photovoltaikanlagen auf See denkbar

Für die Tourismus-Destination Sauerland wünscht sich die Lux-Werft auch eine stärkere Bewerbung. Geschäftsführerin Dagmar Wilken: „Um nachhaltigen Tourismus zu fördern, sollte der Urlaub vor Ort stärker in den Fokus gerückt werden. Wenn nur jede zweite Reise ohne Flieger angetreten wird, ist das ebenfalls eine enorme CO2-Einsparung.“ Anreiseanreize mit dem ÖPNV durch Kombi-Tickets wie bei Bundesliga-Spielen könnten ebenfalls einen nachhaltigen Tourismus fördern und eine „Verkehrswende im Freizeitsegment“ bedeuten. Sorgen bereiten ihr allerdings auch die fehlenden Arbeitskräfte in der Gastronomie. Mit jeder Menge Ideen, Problemanzeigen, aber auch Lösungsansätzen im Gepäck ging es für die Ministerin zurück nach Düsseldorf.