Olpe. Der Mann soll einen Hobby-Fotografen am Olper Bahnhof niedergeschlagen haben. Nur dank einer Notoperation überlebte der 79-Jährige.
Ein ungewöhnliches Verfahren läuft derzeit vor dem Olper Amtsgericht, und schon jetzt steht fest, dass auch nach dem Urteil Fragen bleiben werden. Auf der Anklagebank beim Auftakt des Prozesses am Mittwoch saß ein 46-jähriger Mann, dem gleich sechs Anklageschriften aus den Jahren 2021 und 2022 vorgetragen wurden – vom Vorsitzenden der Kammer, Amtsgerichtsdirektor Peter Krumm, spontan ergänzt um eine siebte, die vom Amtsgericht Lennestadt in der Zwischenzeit hinzugekommen war. Seit dem 4. August vergangenen Jahres sitzt der Mann hinter Gittern, zunächst war Untersuchungshaft verhängt worden, inzwischen umgewandelt in eine Ersatzfreiheitsstrafe für Geldstrafen aus zwei Strafbefehlen, die er nicht bezahlt hat.
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Der Dolmetscher griff nur gelegentlich ein; den Großteil der Verhandlung verstand der seit 2013 in Deutschland lebende Afghane ohne Übersetzung und machte die meisten Angaben in zwar nicht perfektem, aber gut verständlichem Deutsch. Was er da wortreich erklärte, hatte aber nur wenig mit dem zu tun, was ihm in den Anklageschriften vorgeworfen wurden: Bis auf Nebensächlichkeiten, die er einräumte, wies der Mann den größten Teil der Vorwürfe entschieden zurück.
Eisenbahnfan schwer verletzt
Die folgenschwerste Tat laut Anklage: Am 2. August vergangenen Jahres soll er einen Mann angegriffen und lebensgefährlich verletzt haben. Zu dieser Zeit lebte der Angeklagte, der Polizei und der Stadtverwaltung Olpe wohlbekannt, in einer Art selbstgebautem Zelt auf dem Gelände des ehemaligen Olper Bahnhofs. Ein 79-jähriger Eisenbahnfan und seine Frau, beide passionierte Fotografen, hatten einen Urlaub in Sondern genutzt, um das verfallende ehemalige Empfangsgebäude abzulichten, worauf der Angeklagte nach übereinstimmender Darstellung des Ehepaars unvermittelt auf sie eingestürmt sei mit der Forderung, die Bilder zu löschen: Offenbar befürchtete er, mit abgebildet worden zu sein. Obwohl ihm beide versicherten, er sei auf keinem Foto zu sehen, soll der Angeklagte weiter auf das Ehepaar eingebrüllt haben. Dann, so die Anklageschrift, ergriff er einen Stein und schlug den 79-Jährigen damit unvermittelt heftig gegen den Kopf. Dieser ging zu Boden, durchbiss sich die Unterlippe und wurde zunächst im Olper Krankenhaus behandelt. Abends zeigte eine Einblutung im Schädel Folgen; der Mann wurde nach Altenhundem in die Intensivstation gebracht, blieb elf Tage im Krankenhaus, wurde als vermeintlich genesen entlassen und hatte dann, zurück im heimischen Schorndorf, eine Notoperation am Schädel, die ihm das Leben rettete, verbunden mit einem weiteren langen Krankenhausaufenthalt. Der Angeklagte widersprach energisch: In der Tat sei es zu einer Auseinandersetzung wegen der Fotos gekommen, aber in der Folge habe der Fotograf ihn geschlagen, nicht er den Fotografen.
Fleischermesser in Motorhaube
Eine 22-jährige Auszubildende berichtete von einem anderen Zwischenfall, der ebenfalls angeklagt war: Der Angeklagte sei über die für ihn rot zeigende Fußgängerampel am Olper Kino gelaufen. Sie habe durch eine Vollbremsung einen Zusammenstoß verhindert, der Mann daraufhin mit einem Fleischermesser dreimal in die Motorhaube ihres Porsche gestochen – Reparaturkosten laut Gutachter: über 3000 Euro –und sei dann zur Beifahrertür, um ihre dort sitzende Mutter mit dem Messer zu bedrohen. Die junge Frau hatte seinerzeit Gas gegeben und war sofort zur Polizei gefahren. Die Beamten hatten aufgrund der Personenbeschreibung den 46-Jährigen sofort im Verdacht, fuhren zum Bahnhof und trafen ihn dort in exakt der von den Frauen beschriebenen Kleidung an, das Fleischermesser lag direkt neben ihm. Auch hier widersprach der Angeklagte – das in Frage kommende Auto sei nicht wie das der Zeugin grau, sondern weiß gewesen und er habe keinesfalls mit einem Messer hantiert. Auch die Randale in einer Grevenbrücker Notunterkunft, in der er zeitweise lebte, habe er nicht so begangen wie angeklagt; er habe lediglich zwei Fenster in seinem eigenen Zimmer zerstört, nicht auch noch in anderen Räumen, das müsse jemand anderes gewesen sein.
Einen Ladendiebstahl in einem Olper Modehaus habe er zwar verübt, aber nicht, wie von drei Zeugen beschrieben, zwölf bis 15 Kappen gestohlen, sondern nur zwei oder drei, und geschlagen habe er einen Verfolger auch nicht – was ebenfalls drei Zeugen so berichtet hatten. Was er zugab, war ein Vorfall im Olper Amtsgericht, hier hatte er in einem Haftraum die Sprechanlage abgerissen und damit eine Scheibe zerschlagen: „Ich hatte Durst und mir wurde kein Wasser gebracht.“ Weiterhin soll er in Altenhundem den Briefkasten einer Zeitarbeitsfirma zerschlagen und zweimal ohne Führerschein Auto gefahren sein, mit einem Messer bewaffnet in einem Altenhundemer Discounter einen Diebstahl begangen und ein Fenster des Olper Bahnhofs zerschlagen haben. Diese Details werden erst in der Fortsetzung des Verfahrens am 25. Januar zur Sprache kommen. Hier wartet das Gericht unter anderem gespannt auf einen angeblichen Brief, in dem ihm erlaubt worden sei, trotz Führerscheinentzugs sein Auto fahren zu dürfen.