Lennestadt. Dank einer ungewöhnlichen Aktion voller Zufälle kann ein brasilianischer Junge operiert werden und laufen lernen.

Für die Kinder unter uns ist Weihnachten etwas Besonderes. Doch für viele Mädchen und Jungen in der Welt ist das Fest der Liebe ein Tag wie jeder andere. Aber immer wieder gibt es Geschichten, die dazu beitragen, dass die Hoffnung auf ein besseres Leben dieser Kinder nicht versiegt, dank Nächstenliebe, Engagement und Mut von Menschen, denen das Schicksal der anderen nicht egal ist. Das, was Enzo, ein siebenjähriger Junge aus Pirpirituba im fernen Brasilien in diesem Jahr erlebte, ist so eine „unglaubliche Geschichte“, wie es Tobias Puspas formuliert. Lennestadts Bürgermeister und seine Familie spielen darin eine nicht unwesentliche Rolle.

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„Als unsere Tochter Jana vor sieben Jahren geboren wurde, waren wir sehr dankbar und haben uns gedacht, dass wir ein Kind, dem es nicht so gut geht, durch die Übernahme einer Patenschaft gern unterstützen möchten“, erzählt Birgit Voucko, Ehefrau von Tobias Puspas. Auf der Suche nach einer passenden Organisation fiel die Wahl schnell auf den Lennestädter Freundeskreis Pripirituba, der seit 30 Jahren Patenkinder, die in der 10.000-Einwohner-Kleinstadt im Nordosten Brasiliens leben, vermittelt und in dem der Bürgermeister Puspas seit vielen Jahren selbst Mitglied ist. Birgit Voucko: „Es wurde Enzo, ein brasilianischer Junge mit blonden Haaren, allein das ist schon etwas Besonderes.“

Nach der OP: Enzo aus Brasilien lernt laufen, zum ersten Mal in seinem Leben.
Nach der OP: Enzo aus Brasilien lernt laufen, zum ersten Mal in seinem Leben. © WP | Team Albert-Einstein-Hospital Sao Paolo

Erst Ende 2020, fünf Jahre nach der Patenschaftübernahme, erfuhr das Paar, dass Enzo eine Fehlbildung an Hüften und Beinen hat. Der Junge konnte noch nie laufen, hätte schon im Babyalter behandelt werden müssen, was aber nicht geschah. Warum die Behinderung des Kindes, das von seinen Eltern verlassen wurde und bei der Großmutter und einer Tante aufwächst, nicht bekannt war, wissen seine Pateneltern nicht - möglicherweise aus Angst, die Paten könnten abspringen, oder aus Scham sei nie darüber berichtet worden, vermutet Puspas.

„Bei uns kam dann schnell die Frage auf, wie können wir helfen“, so der Bürgermeister. Auch für den Freundeskreis-Vorstand war dies selbstverständlich. Zunächst wurde ein Rollstuhl gekauft. Bald war klar, dass nur eine teure Operation Enzo helfen könnte, trotz des Risikos wegen seines Alters.

Von links Peter Berkenkopf (Freundeskreis), Tobias Puspas und Ehefrau Birgit Voucko, Gerd Kitscha und Franz Rotter (Freundeskreis).
Von links Peter Berkenkopf (Freundeskreis), Tobias Puspas und Ehefrau Birgit Voucko, Gerd Kitscha und Franz Rotter (Freundeskreis). © WP | Volker Eberts

Auch fehlte das Geld für die OP, rund 50.000 Euro plus Nebenkosten. Der Freundeskreis initiierte eine Spendenaktion, die einen soliden Grundstock einbrachte, u.a. durch eine großzügige Spende der Firma Mankel aus Ennepetal. Parallel dazu schickte Gerd Kitscha vom Freundeskreis-Vorstand einen Artikel über den Verein, der in diesem Jahr 30 Jahre alt wird, an die Redaktion der Kirchenzeitschrift „Der Dom“, dazu ein Foto von Enzo.

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Was dann geschah, mit dem hatte niemand in den kühnsten Träumen gerechnet. Ein paar Tage später schellte bei Vereinskassierer Peter Berkenkopf das Telefon. Eine Frau aus Gütersloh erzählte, sie habe das Foto von Enzo gesehen und der traurige Blick ließe sie nicht mehr los. Die Dame war Dr. Karin Zinkann, Gattin von Dr. Peter Zinkann, Gesellschafter des Miele-Konzerns. Sie erklärte, sie würde durch eine private Spende die Kosten für Enzos Operation übernehmen, und aktivierte über ihr Netzwerk Freunde und Geschäftspartner in Südamerika, unter anderem Dr. Hans-Tonius, Gesellschafter der Firma CD Waelzholz aus Hagen, der wiederum Pascal Erlmann aus Hagen, der in Brasilien das Stahlgeschäft von CD Waelholz leitet, mit ins Boot nahm.

Erlmann organisierte Operation und Behandlung des kleinen Enzos und managte das ganze Drumherum wie Unterkunft, Betreuung, Physiotherapie. Kurios: Erlmanns Vater wiederum war früher Tobias Puspas Arbeitskollege bei der Polizei in Hagen.

Enzo vor der Operation.
Enzo vor der Operation. © WP | Freundeskreis


Am 3. Mai flog Enzo dann mit Begleitung ins 2800 Kilometer entfernte Sao Paulo, wo er vom Orthopädie-Spezialisten Dr. Alexandre Franciso de Lourenco an beiden Beinen, Füßen und Hüften operiert wurde. Seit dem 2. Oktober ist er wieder zuhause und lernt an Krücken oder Rollator laufen, zum ersten Mal in seinem Leben.

Bis er ohne Hilfsmittel gehen kann, wird noch etwas dauern. „Zunächst muss sich die Muskulatur bilden“, so Tobias Puspas. Wenn alles gut geht, will der Bürgermeister - vielleicht zusammen mit dem Freundeskreis-Vorstand Pirpirituba - Enzo, aber auch die anderen derzerit 160 Patenkinder in Piripirituba, nächstes Jahr zum ersten Mal besuchen.

„Wenn es noch einer Definition des Begriffs „Nächstenliebe“ bedürfte, so bin ich der Meinung, dass diese unglaubliche Geschichte dafür genommen werden kann. Hohes ehrenamtliches Engagement durch unsere örtlichen Freundeskreis Pirpirituba. Mut, etwas Gutes zu tun – und darüber zu sprechen, zu berichten. So entstand dieses wunderbare – nachahmenswerte – Netzwerk. Herzlichen Dank allen Beteiligten – auch im Namen unseres Patenkindes Enzo“, kommentiert Tobias Puspas und gibt gern den Appell der Spenderin, die Enzo Heilung erst möglich machte, weiter: Helfen Sie Kinder in Not!

Der Freundeskreis Pirpirituba, der garantiert, dass jeder Cent an der richtigen Stelle ankommt, ist dafür eine sehr gute Adresse. „Eine Patenschaft für ein Kind kostet 18 Euro im Monat, für viele Familien ist das viel Geld, aber es gibt auch viele, denen dieser Betrag nicht sehr weh tut“, so Lennestadts Bürgermeister.

Info:

Der Freundeskreis Pirpirituba e.V. besteht seit 1992. Bis heute konnte für über 1.000 Kinder eine Patenschaft (18 Euro im Monat) vermittelt werden.

Gerne dürfen Unterstützer auch Mitglied im Verein „Freundeskreis Pirpirituba e.V.“ werden (Jahresbeitrag 31 Euro).

In 30 Jahren konnten rund 1,7 Millionen Euro in die Region überwiesen werden, womit Kindergärten, Suppenküchen und vieles mehr finanziert wurden. Der Vorstand des Freundeskreises kümmert sich um die sachgerechte Koordination und Verwaltung der Spendenmittel, hat mit Joselia dos Santos Pereira eine verlässliche Kontaktperson vor Ort.

Kontakt: Franz-Josef Rotter, Königsbergerstr. 4, 57368 Lennestadt, 02723/5648; Peter Berkenkopf, 02723/67126; Gerd Kitscha, 02723/410867, oder per E-mail an kontakt@freundeskreis-pirpirituba.de.