Kreis Olpe. Thorsten Holzhäuser, neuer Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Olpe, steht Rede und Antwort. Was für ihn die wichtigsten Themen sind.
Seit dem 1. Oktober 2022 ist Thorsten Holzhäuser neuer Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes (AGV) für den Kreis Olpe. Im „Antritts-Interview“ klärt er darüber auf, welche Ziele er sich für den AGV gesetzt hat, wie er die anrollende Wirtschaftskrise bewertet und welche Wünsche er für die nächsten Jahre für die Wirtschaftsregion Südwestfalen hat.
Frage: Wenn der Sauerländer ein neues Gesicht sieht, ist die erste Frage: ,Wo kommt der denn her?’ Wo kommen Sie her, Herr Holzhäuser?
Thorsten Holzhäuser: Ich komme aus Mainz, bin dort geboren und aufgewachsen.
Also überzeugter Rheinhesse?
Schwierige Frage. Vom Herzen her bin ich auch in Koblenz beheimatet, habe dort viele Jahre gelebt und gearbeitet. Und finde die Stadt ganz toll. Ich fühle mich jedoch seit vielen Jahren auch im Sauerland beheimatet und wohl.
Seit wann sind Sie im Sauerland?
Seit 13 Jahren. Letzte Station war Lüdenscheid. Dort war ich ebenfalls beim Arbeitgeberverband tätig.
Für Sie ist der AGV als Institution natürlich ein offenes Buch, Lieschen Müller kennt eher nur den Namen. Können Sie skizzieren, was der AGV eigentlich ist und wen er vertritt?
Wir sind ein Verband, streng genommen ein Verein, der auf freiwilliger Mitgliedschaft der Unternehmen beruht. Ein Zusammenschluss von Unternehmen zum Zweck der gemeinsamen Interessenvertretung gegenüber Gewerkschaften und Staat. Gerade im Hinblick auf die Sozialpartnerschaft mit Gewerkschaften haben Arbeitgeberverbände die Aufgabe, Tarifverträge abzuschließen.
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Was das betrifft also eine Art Gegenpol zu den Gewerkschaften.
In der Tat, wir sitzen mit unseren jeweiligen Interessen auf unterschiedlichen Seiten. Das Beratungs-Portfolio hat sich aber mit der Zeit erheblich erweitert. Wir bieten auch Firmen eine Heimat, die keine Tarifbindung wünschen und die nicht in der Metall- und Elektroindustrie zu Hause sind. Wir sind das tarif-, sozial-, arbeitsmarktpolitische Sprachrohr unserer Mitgliedsunternehmen in der Region. Darüber hinaus vertreten wir Unternehmen vor den Arbeitsgerichten.
Also ähnlich wie bei den Gewerkschaften, die ihren Mitgliedern Rechtsschutz bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber gewähren?
Ja genau.
Hat der Kreis OIpe Besonderheiten, was die wirtschaftliche Situation betrifft?
Er ist wirtschaftlich ungeheuer stark. Der Schwerpunkt liegt in der Metall- und Elektroindustrie. Zum Beispiel mit vielen Weltmarktführern, die unter dem Begriff Hidden Champions zusammengefasst werden. Südwestfalen ist die industriestärkste Region in Nordrhein Westfalen und die drittstärkste in ganz Deutschland.
Themenwechsel: Schlittern wir gerade in eine schlimme Wirtschaftskrise?
Wir haben aktuell nach wie vor große Unsicherheiten am Markt. Ich hoffe, dass wir eher in eine leichte Rezession geraten, nicht in eine Crash-Situation.
Was sorgt für ihren Optimismus?
Nicht zuletzt einzelne Rückmeldungen aus Unternehmen. Es besteht die Hoffnung, dass die Nachfrageeinbrüche nicht so dramatisch sind wie befürchtet. Aktuell gibt es noch Nachholeffekte durch die Coronaflaute. Man darf jedoch nicht unterschätzen, dass die Metall- und Elektroindustrie eine sehr heterogene Branche ist. So kann es für den einen durchaus positive Perspektiven geben, während für den anderen erhebliche wirtschaftliche Probleme bestehen.
Welches sind die größten Probleme der Unternehmen?
Die Unsicherheiten. Was passiert in der Ukraine, was passiert mit den Lieferketten und wie gestaltet die Politik den Rahmen?
Wir haben mehrere Krisenfaktoren: Energiekosten, Zinsexplosion, Krieg, Facharbeitermangel, zu wenig Gewerbegebiete, das Rahmedetal-Fiasko. Welches ist derzeit der gravierendste Faktor?
Die Rahmedetalbrücke ist für Südwestfalen und das Sauerland ein immens wichtiger Faktor, der andere Probleme verschärft. Zum Beispiel den Fachkräftemangel. Aber abgesehen davon berührt viele Unternehmen das Thema Energie am stärksten.
Warum?
Weil noch niemand weiß, ob der politische Rahmen stimmig ist, mit den verschiedenen Preisbremsen. Diese sind an ein großes Bedingungsgerüst geknüpft, das nicht einfach zu durchschauen ist. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Unternehmen auch hier im Sauerland stehen im internationalen Wettbewerb, und bei der Energie sind die Gas- und Strompreise in Europa ein erheblicher Nachteil gegenüber anderen Regionen dieser Welt.
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Thema Tarifabschluss: 5,2 Prozent ab 2023, 3,3 Prozent ab 2024, 3.000 Euro für beide Jahre obendrauf. Dreht sich einem Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes da nicht der Magen um?
Das ist ein Abschluss, der mit Sicherheit an die Grenze des Möglichen geht und nur vor dem Hintergrund der langen Laufzeit und den verankerten Differenzierungsmöglichkeiten umsetzbar ist. Es wird sicherlich Betriebe geben, die dieser Abschluss überfordert.
Aber wir haben zehn Prozent Inflation. Da bleibt nicht viel übrig im Geldbeutel der Arbeitnehmer.
Tarifpolitik sollte aber nicht das Problem der Inflation lösen. Das kann gefährlich sein, mit Blick auf eine Lohn-Preis-Spirale.
Können Sie den Begriff erläutern?
Höhere Löhne treiben die Preise in die Höhe, höhere Preise die Inflation, und höhere Inflation wieder die Löhne. Das ist ein gefährlicher Teufelskreis. Den wir bei der Ölkrise in den 70-er Jahren schon einmal erlebt haben. Damals hatten wir spürbar zu hohe Tarifabschlüsse, die eine solche Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt haben. Wir hoffen, dass das durch den jetzigen Abschluss nicht geschieht. Ein Vorteil des aktuellen Tarifabschlusses ist die lange Laufzeit. Das gibt Planungssicherheit. Und das ist wichtig.
Soll heißen, wenn ein Unternehmen die Hosen runterlässt und nachweist, dass er keinen Gewinn macht, können die Tarife unterschritten werden?
Ja genau. Dann darf so abgewichen werden, dass die Unternehmen mit der gefundenen betrieblichen Lösung zurecht kommen. Das ist bzw. war aber schon immer möglich. Wenn Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, gibt es schon seit geraumer Zeit Möglichkeiten für betriebliche Lösungen mit entsprechenden Abweichungen vom Flächentarifvertrag.
Aber die steuerfreie Inflationsausgleichprämie von 3.000 Euro müssen die Unternehmen ja erst einmal bringen.
Die Unternehmen sind bemüht, im Sinne ihrer Beschäftigten Lösungen zu finden - auch im Hinblick auf die aktuelle Inflation. Aber jeder sollte sich vor Augen führen, dass diese Inflationsausgleichsprämie von den Unternehmen gezahlt wird, nicht von der Bundesregierung. Das haben einige Arbeitnehmer nach unglücklicher Berichterstattung einiger Medien offenbar missverstanden. Die Realität ist, dass ein 100-Mann-Betrieb dann 300.000 Euro auf den Tisch legen muss. Da ist die Frage der Steuerfreiheit sekundär. Das Geld ist für das Unternehmen erst einmal weg.
Haben Sie in den nächsten fünf Jahren für den AGV konkrete Pläne, vielleicht sogar Visionen?
Visionen hat man immer. ich habe jedoch in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, Prozesse und Abläufe erst einmal zu beobachten. Eines meiner ersten Ziele wird sein, alle 90 Mitgliedsunternehmen zu besuchen.
Gibt es konkrete Aktionen?
Gemeinsam mit der neuen Verbandsspitze um den neuen Vorsitzenden Christopher Mennekes und Christian Hermann als Stellvertreter wollen wir gemeinsam überprüfen, was läuft an unseren Dienstleistungen für die Mitgliedsbetriebe gut und wo können wir optimieren. Da bin ich dabei, über einen Fragebogen herauszufinden, welche Dienstleistung die Unternehmen in Anspruch nehmen, wie zufrieden sind sie, und was neue Ideen sein könnten?
Wir haben bald Weihnachten. Angenommen, Sie könnten sich mit Blick auf die Unternehmen ihres AGV die Erfüllung eines Wunsches von vieren aussuchen. Welcher wäre das: Die Inflation sinkt 2023 auf 2 Prozent, der Ukrainekrieg endet in 2023, bis 2025 bekommt der Kreis Olpe drei neue Gewerbegebiete oder die neue Rahmedetalbrücke wird bis 2025 fix und fertig.
Ich würde die Rahmedetalbrücke nehmen. Weil ich glaube, das sie derzeit für unsere Region das naheliegendste Problem darstellt. Der regionale wirtschaftliche Schaden ist verheerend. Eine hohe Inflation betrifft alle gleichermaßen. Im Januar wird es eine Veranstaltung mit allen beteiligten Akteuren, Unternehmen, Kammern, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein in Kreuztal geben, bei der wir die Probleme rund um die Sperrung der A 45, aber auch die Schaffenskraft der Region aus allen Perspektiven ausleuchten wollen.
Zur Person:
Thorsten Holzhäuser (48) ist Diplom-Wirtschaftsingenieur. Er ist verheiratet und lebt in Hagen. Wegen der gesperrten Rahmedetalbrücke wohnt er momentan in der Woche in Olpe. Er ist in Mainz geboren und aufgewachsen und hat in Darmstadt studiert. Seine Hobbys sind Joggen, Inline-Skiing und Reisen.