Attendorn/Olpe. Ein 48-jähriger Mann soll in Listerscheid von zwei unbekannten Tätern überfallen worden sein. Doch dem Gericht fehlt die Überzeugung.
Sie waren erst Nachbarn, wurden dann gute Freunde und fuhren vor einigen Jahren sogar zusammen in den Iran in Urlaub. Danach kam es zum Bruch, es folgten Streit, Drohungen und gegenseitige Strafanzeigen. Am Mittwoch trafen sich die beiden Attendorner vor dem Amtsgericht Olpe wieder, der arbeitslose Ältere (53) als Angeklagter, der jüngere Frührentner (48) als Opfer und Hauptzeuge.
Am 25. März 2022 sollen die Streitereien eskaliert sein. Der 48-Jährige soll in der Nähe der Tankstelle in Listerscheid von zwei unbekannten Tätern überfallen und mit Holzknüppeln traktiert worden sein. Anschließend soll das maskierte Duo in einen Wagen geflüchtet sein. Auf der Beifahrerseite will das Opfer seinen ehemaligen Freund gesehen haben.
+++ Lesen Sie hier: Verstecktes Mädchen in Attendorn - Was wir bis jetzt wissen +++
Widersprüchliche Zeugenaussagen
Die Anklage lautete auf Mittäterschaft bei einer gefährlichen Körperverletzung. Richter Peter Krumm deutete zu Beginn des Prozesses an, dass auch die Anstiftung zu einer gefährlichen Körperverletzung in Betracht komme. Am Ende der Verhandlung mit widersprüchlichen und „diffusen“ Zeugenaussagen folgte Richter Krumm dem Vorschlag der Staatsanwältin und stellte das Verfahren ein. „Zwar spricht einiges dafür, dass sich die Tat so abgespielt hat“, wie von der Anklagevertreterin vorgetragen, aber dem Direktor des Amtsgerichts fehlte die „volle Überzeugung“, den Angeklagten aufgrund der vorliegenden Beweise und Aussagen zu verurteilen.
„So etwas geht gar nicht, unabhängig davon, ob es so passiert ist. Überlegen sie, wie sie miteinander umgehen“, so der Jurist. Bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung hätte dem 53-Jährigen eine Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren gedroht. „Da ist nichts mehr mit Geldstrafen“, erinnerte Richter Krumm an die zwei Verurteilungen des Angeklagten wegen Drogenhandels.
+++ Lesen Sie hier: Anwalt greift Kreisjugendamt an - „Gar nichts unternommen“ +++
„Es geht die ganze Zeit um mich“, hatte die Lebensgefährtin des überfallenen Mannes ausgesagt. Zum Tatzeitpunkt am 25. März 2022 hatten sich die beiden getrennt, leben inzwischen aber wieder in Attendorn zusammen. Auch mit dem Angeklagten war die Frau gut befreundet. „Aber wir waren kein Paar.“ Mittlerweile will sie, wie auch ihr Freund, nichts mehr mit dem Angeklagten zu tun haben. Einen Tag vor dem Überfall soll der alleinlebende Hansestädter gegenüber dem Sohn des späteren Opfers gedroht haben, seinem Vater ein paar Leute auf den Hals zu schicken. An den genauen Wortlaut der vermeintlichen Drohung konnten sich vor dem Amtsgericht aber weder der Sohn noch die Lebensgefährtin erinnern.
Mit Holzknüppeln auf den Rücken geschlagen
Den Überfall am 25. März in Listerscheid schilderte das Opfer so: Gegen 11 Uhr habe er Zigaretten in einer Tankstelle, nur wenige Minuten von seiner damaligen Wohnung entfernt, holen wollen. Plötzlich hätten ihn zwei Unbekannte mit OP-Masken von hinten angegriffen und mit Holzknüppeln auf den Rücken geschlagen. Als er ein Taschenmesser gezückt habe, seien die Männer zu einem Auto gelaufen und geflüchtet. Im Vorbeifahren habe er den Angeklagten auf dem Beifahrersitz gesehen. „Ich habe das nicht gemacht“, wies der Beschuldigte alle Vorwürfe zurück.
Der Überfallene ließ sich von einem „Kumpel“ abholen, erst zur Polizei und dann ins Krankenhaus fahren. Im Ambulanzbrief der Attendorner Helios-Klinik ist von „Prellungen und Kratzwunden im Brust- und Lendenwirbelbereich“ die Rede. Der Arbeitskollege machte Bilder vom lädierten Rücken, rote und blaue Striemen sahen und bestätigten der Sohn und die Lebensgefährtin.
Der Angeklagte hat allerdings ein Alibi. Eine Zeugin will am 25. März mit ihrem „sehr guten Bekannten“ von morgens 9.30 Uhr bis gegen 16 Uhr zusammen gewesen sein, um dessen Wohnung aufzuräumen und für eine Feier am Abend einzukaufen. Der Überfall in Listerscheid soll sich gegen 11 Uhr ereignet haben.