Siegen/Grevenbrück. Der brutale Raubüberfall auf eine Seniorin in Lennestadt bleibt weiterhin unaufgeklärt.

Der brutale Raubüberfall in der Nacht zum 16. Februar 2020 auf eine damals 82-jährige Frau aus Grevenbrück bleibt vorerst unaufgeklärt und ungesühnt. Wie erwartet, sprach die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Siegen unter Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach den Angeklagten frei. Der 58-jährige Franzose ist schon seit der letzten Hauptverhandlung auf freiem Fuß und war zur Urteilsverkündung aus seiner Heimat wieder ins Landgericht Siegen gekommen.

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„Was die Frau damals erleiden musste, war schrecklich“, blickte Richterin Dreisbach noch einmal auf den Überfall in Grevenbrück zurück. Zwei Männer überfielen die Seniorin in ihrem Schlafzimmer, fesselten sie und forderten die Herausgabe der Tresorschlüssel. Einer der beiden Täter drückte der verängstigten Lennestädterin, die bis heute unter den Folgen des Raubüberfalls leidet, ein Kissen ins Gesicht. Mit Bargeld, einer teuren Armbanduhr, Schmuck und zwei wertvollen Handtaschen flüchtete das Duo. Das Opfer konnte sich von den Fußfesseln befreien und Nachbarn um Hilfe rufen.

Am Tatort wurden auf der Bettdecke DNA-Spuren des Angeklagten gefunden. Die Polizei nahm den damals 55-Jährigen am 1. April in Frankreich fest. Seitdem saß der Vater von drei Kindern, der zunächst an einen „Aprilscherz“ gedacht hatte, in Auslieferungs- und später in deutscher Untersuchungshaft. Aber die wohl durch Hautschuppen hinterlassenen DNA-Spuren reichten der 1. Großen Strafkammer nicht zu einer Verurteilung. „Die DNA kann nur über die Kleidung übertragen worden sein. Aber wir können nicht nachweisen, dass der Angeklagte in dieser Kleidung gesteckt hat“, begründete Richterin Elfriede Dreisbach den Freispruch nach dem Motto „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Für den Tatverdächtigen gibt es nur eine Erklärung, wie seine genetischen Spuren an den Tatort gekommen sein können. Im Februar 2020 hätten ihm zwei junge Albaner in Frankreich eine Tasche mit seiner Arbeitskleidung auf dem Weg zum Bahnhof aus dem Auto gestohlen. Das bestätigte der Bruder des Angeklagten, wo der heute 58-Jährige als Dachdecker beschäftigt ist. Das Duo aus Albanien habe Arbeit gesucht, aber keine gültigen Papiere vorweisen können. Deshalb sei nichts aus der Anstellung geworden.

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„Außer der DNA gibt es gar nichts, was den Angeklagten mit der Tat in Verbindung bringt“, betonte Richterin Dreisbach in ihrer halbstündigen Urteilsbegründung. Die von der überfallenen Seniorin abgegebene Täterbeschreibung einschließlich des Phantombildes passten nicht zum Angeklagten. Zudem gebe es „keinerlei Verbindung“ von Frankreich nach Grevenbrück. „Der Angeklagte hat von Anfang an bestritten, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Er sei auch noch nie in Deutschland gewesen“, sagte die vorsitzende Richterin. Zwar ist der 58-Jährige für die Justiz seiner Heimat kein unbeschriebenes Blatt. So saß er wegen Einbruch, Diebstahl oder Hehlerei insgesamt zehn Jahre im Gefängnis, zuletzt 2010. Seitdem gab es aber nur noch Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten. Und soweit bekannt, hat der Angeklagte bei seinen Straftaten auch nie Gewalt angewendet. Was laut Richterin Elfriede Dreisbach weiter für den Franzosen spricht: Nach der Tat habe es bei ihm keine „Auffälligkeiten“ gegeben, wie außergewöhnliche finanzielle Aktivitäten. Der seit über 40 Jahren mit seiner Lebensgefährtin liierte dreifache Vater sei familiär stark eingebunden und arbeite fest im Betrieb seines Bruders. Zudem habe die Auswertung der Funkzellen in der Umgebung des Tatortes kein eingeloggtes französisches Handy ergeben.

Bereits seit der letzten Hauptverhandlung am 24. Oktober ist der 58-Jährige auf freiem Fuß. Für das halbe Jahr Auslieferungs- und Untersuchungshaft steht ihm eine Entschädigung zu. Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des freigesprochenen Angeklagten trägt die Staatskasse.