Olpe/Lennestadt. Ein 34-jähriger Lennestädter vergriff sich an einer Zehnjährigen und muss jetzt ins Gefängnis. Die Vorgeschichte spielt eine wesentliche Rolle.
Auch nach der über vierstündigen Beweisaufnahme, den Plädoyers und dem Urteilsspruch blieb am Freitag vor dem Schöffengericht in Olpe einiges im Dunkeln: Ist der 34-jährige Angeklagte aus Lennestadt eine unberechenbare, sexuell triebhafte Zeitbombe oder eher ein unkontrollierter Grapscher, der sich in seinem Drang nach jungen Mädchen und Kindfrauen nicht im Griff hat und nur der Therapie bedarf?
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Möglicherweise liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Fest steht allerdings seit Freitag: Der junge Mann muss ins Gefängnis. Und zwar für ein Jahr und sechs Monate, ohne Bewährung. Verurteilt wurde er von Richter Richard Sondermann wegen versuchten sexuellen Missbrauchs eines zur Tatzeit zehnjährigen Mädchens. Angesichts seiner Vorgeschichte und einem stattlichen Vorstrafenregister keine Überraschung. Richter Sondermann und Staatsanwältin Lisa Stöcker waren sich in der Bewertung weitestgehend einig. Völlig einig waren sich sämtliche Prozessbeteiligte, dass der 34-Jährige dringend eine psychotherapeutische Therapie benötige. Sondermann war sich im Urteilsspruch sicher, dass die im Gefängnis erfolgen könne.
U-Haft Schuss vor den Bug
Strafverteidiger Martin Pohlmann (Arnsberg) sah das anders. Man könne seinem Mandanten nicht unterstellen, dass er eine Gefahr für die Öffentlichkeit sei. Zudem sei er einsichtig, wisse genau, dass er etwas gegen seine Neigungen tun müsse. Pohlmann: „Es ging hier zunächst um eine Körperverletzung. Das sexuelle Moment kam erst auf, als bekannt war, um wen es sich handelte.“ Der Angeklagte sei zudem seit drei Monaten in Untersuchungshaft und habe damit schon einen spürbaren Schuss vor den Bug erhalten. Eine Gefängnisstrafe zur Bewährung mit der Auflage, sich therapieren zu lassen, sei der bessere Weg als das Gefängnis. Vor dem Urteil hatte der Angeklagte zugesagt, er wolle zur Beratungsstelle „Die Brücke“ in Dortmund und würde sogar einen Umzug dorthin erwägen, um der Dauerbaustelle in Lüdenscheid zu entgehen.
Detailliert aufgearbeitet wurde im Gerichtssaal, was genau am Tattag, dem 25. Juli 2022, im Olper Drogeriemarkt Rossmann passiert war. Der Mann hatte die Zehnjährige zunächst in der Drogerie Müller gesehen, was bei ihm offenbar den verhängnisvollen sexuellen Schalter umlegte. Er verfolgte das Mädchen über die Martinstraße bis zum Rossmann und sprach sie an, ob man sich nicht kennen würde. Nachdem das Mädchen verneinte, griff er kurz darauf von hinten zu, umklammerte sein Opfer zweimal und fasste es an Bauch und Brust. Erst als eine Kundin ihn anschrie, abzulassen, ergriff er die Flucht.
Geständnis bei Polizei
Gleichzeitig erkannte er, was seine Tat für Folgen haben würde. Er rief seine Ehefrau an und beichtete ihr den Übergriff ebenso wie seinem Anwalt, einer Beratungsstelle und schließlich der Polizei. Als den Beamten klar wurde, wer geständig war, folgte die Festnahme und die U-Haft.
Neben Beleidigung, Raub, Diebstahl und Körperverletzung war der 34-Jährige 2013 wegen schweren sexuellen Missbrauchs an einer 13-Jährigen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Allerdings aus einer Beziehung heraus, hob Verteidiger Pohlmann hervor. Verfahren u. a. wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos waren entweder eingestellt worden oder standen kurz vor der Einstellung. Die Hintergründe kamen im Gerichtssaal nur ansatzweise zum Vorschein.
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Einschätzung der Bewährungshelferin: Der Angeklagte habe möglicherweise eine gravierende Persönlichkeitsstörung, unter anderem verursacht durch kindliche Traumata. Die Kindheit: Vater Alkoholiker, Mutter drogensüchtig, aufgewachsen in Heimen bzw. Pflegefamilie. Der Mann habe zwar keine Berufsausbildung, sei aber fleißig. Als positives Merkmal hob sie hervor: „Es gibt eine deutliche Bereitschaft zur Therapie.“ Deshalb sei es wichtig, sein sexuell auffälliges Verhalten zu diagnostizieren und zu behandeln. Eine Therapie sei unerlässlich.