Siegen/Grevenbrück. Nach dem brutalen Raubüberfall in Grevenbrück will der Rechtsanwalt nun auf Freispruch plädieren - obwohl DNA-Spuren sichergestellt wurden.

Bei seiner Festnahme am 1. April 2022 dachte der 58-jährige Franzose zunächst an einen Aprilscherz. Nach einer Polizeikontrolle an einer Tankstelle unweit seines Wohnortes nahmen ihn die Beamten mit zur Wache. Dort wartete ein internationaler Haftbefehl auf den Mann, der mit einem Komplizen eine 86-jährige Frau in Grevenbrück brutal überfallen und dabei Schmuck und Geld im Wert von 76.000 Euro erbeutet haben soll. Am Tatort wurden DNA-Spuren des mehrfach vorbestraften Franzosen gefunden.

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Aber ob diese genetischen Nachweise für eine Verurteilung wegen schweren Raubes mit gefährlicher Körperverletzung reichen? Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Siegen unter Vorsitz von Elfriede Dreisbach hat offensichtlich ihre Zweifel. Zumal es ansonsten „keinerlei Verbindung vom Angeklagten nach Deutschland“ zu geben scheint, wie die Richterin am dritten Verhandlungstag betonte. Von einem möglichen Komplizen gibt es noch keine Spur. Rechtsanwalt Wortmann, der Verteidiger des 58-Jährigen, wird auf Freispruch plädieren.

Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen

Die Tat in der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 2020 sorgte bundesweit für Schlagzeilen und wurde in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ nachgestellt. Zwei Einbrecher überfielen eine 86-Jährige in ihrem Wohnhaus in Grevenbrück, fesselten sie und plünderten den Tresor. Die Seniorin leidet bis heute körperlich und psychisch unter den Folgen des brutalen Raubüberfalls.

Aber ist der gut zwei Jahre später festgenommene 58-Jährige auch einer der Täter? Das Auffinden seiner DNA-Spuren am Tatort versuchte der Franzose so zu erklären: Zwei Albaner, die zeitweise mit ihm in der Dachdeckerfirma seines Bruders beschäftigt waren, hätten eine Tasche mit Arbeitskleidung des Angeklagten gestohlen. Jetzt will die Staatsanwaltschaft noch einmal überprüfen, ob ein französisches Handy in der betreffenden Funkzelle eingeloggt war.

In der Nähe des Tatortes in Grevenbrück hatte in der Nacht des Raubüberfalls ein 26-jähriger Lennestädter telefoniert. Dadurch geriet er in den Kreis der Verdächtigen. Vor der 1. Großen Strafkammer war der junge Mann aber nur als Zeuge geladen. Gegen 2.20 Uhr morgen habe er aus seinem Auto per Freisprechanlage einen Freund angerufen, sagte der 26-Jährige aus. Mit seinen beiden Schwestern sei er an diesem Abend unterwegs gewesen, um in einem Siegener Kino in die Spätvorstellung zu gehen. Kurz vor 3 Uhr sei man zu Hause gewesen. Auch die ein Jahr jüngere Schwester bestätigte den gemeinsamen Ausflug, konnte sich aber nicht mehr an das Telefongespräch im Wagen erinnern.

„Das war eine schwere Tat. Wir haben überhaupt nichts damit zu tun“, beteuerte die 25-Jährige. „Ich weiß, das ist eine heftige Sache“, hatte zuvor ihr Bruder erklärt. Obwohl seine Mutter im Haushalt des Überfallopfers gearbeitet hatte, sei er nie auf dem Grundstück gewesen. „Ich bin nie da hochgefahren.“ Auch den Angeklagten habe er vorher noch nie gesehen.

Angeklagter war mehrfach im Gefängnis

Ausführlich beschäftigte sich die 1. Große Strafkammer mit der Lebensgeschichte des Angeklagten. „Meine Kinder sind mein ganzes Leben“, ließ der dreifache Familienvater und sechsfache Großvater durch seine Dolmetscherin erklären. Sein Vorstrafenregister, das Richterin Elfriede Dreisbach vortrug, war lang. Mehrfach musste der Franzose wegen Einbruch, Diebstahl oder Hehlerei ins Gefängnis, zuletzt aber vor 22 Jahren. „Das waren Jugendsünden“, berichtete der 58-Jährige, der in U-Haft 22 Kilogramm abgenommen hat. Zuletzt kam er wegen Fahren ohne Führerschein mit dem Gesetz in Konflikt. Der Grund seien Alkoholprobleme während des Lockdowns gewesen.

Die DNA des Angeklagten war nach einem Raubüberfall 2009 in Frankreich sichergestellt worden. „Das Opfer war ein Freund von mir, er hat mich sofort entlastet“, übersetzte die Dolmetscherin für den neben ihr sitzenden 58-Jährigen. Mit ihm habe er öfter zusammen etwas getrunken. Der wirkliche Täter sei später festgenommen worden.

Der Prozess vor dem Landgericht Siegen wird am Montag, 24. Oktober, um 13 Uhr fortgesetzt.