Attendorn. Ein Ehepaar aus Attendorn sitzt auf der Anklagebank des Landgerichtes in Siegen. Es wurden kinderpornografische Fotos gefunden.
Die Plastiktüte, die der Wind am 28. Januar 2020 nachmittags in den Hof des Hauseigentümers aus Attendorn wehte, hatte es in sich und löste Stunden später einen größeren Polizeieinsatz aus. „Es roch komisch, wie nach Gras“, erinnerte sich der als Zeuge vor dem Landgericht Siegen geladene Mann und hatte auch einen Verdacht. Seine Frau hatte schon mehrfach den Geruch von Marihuana im Flur zu den drei Wohnungen im Haus wahrgenommen und eine Mieterin darauf angesprochen, die aber alles abgestritten hatte. Bei der polizeilichen Durchsuchung am frühen Abend stellten die Ordnungshüter in der Wohnung des Ehepaares A. (Name geändert) über 200 Gramm Marihuana, eine sorgsam versteckte Cannabisplantage und vermeintliche Waffen wie einen Schlagring und Baseballschläger sicher.
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Junge Mutter wird freigesprochen
Seit Dienstag muss sich das Ehepaar A. vor dem Landgericht Siegen wegen gemeinschaftlichem bewaffneten Handel mit Betäubungsmitteln verantworten. Schon nach dem ersten Verhandlungstag konnte die angeklagte junge Mutter den Saal 165 als freie Frau verlassen. „Sie haben beim Anbau und Verkauf nicht mitgemacht. Und so etwas zu dulden, ist keine Straftat“, begründete die vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach den Freispruch. Zuvor hatte auch Staatsanwalt Dennis Lotz „keinen Tatnachweis“ gesehen.
Ihr Ehemann bleibt auf der Anklagebank, auch weil auf seinem Handy über 200 Fotos mit vermeintlich kinder- und jugendpornografischen Abbildungen gefunden worden sind. „Ich habe keine Dateien heruntergeladen“, versicherte der Angeklagte. Die Bilder seien ihm per Instagram über einen Link zugeschickt und angeboten worden. Er habe nur einen Screenshot gemacht und mit Kinderpornografie nichts zu tun.
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Wesentlich klarer scheint die Sachlage beim Vorwurf des Drogenhandels und -anbaus. An verschiedenen Stellen der Wohnung wurden die Polizeibeamten fündig. In einem Schuhkarton entdeckten sie 30 Gramm Marihuana, 22 Gramm „Gras“ befanden sich in einem Glas im Schrank, 24 Gramm waren in einer Tabakdose versteckt, 26 Gramm lagen unter der Couch. Im Dachgeschoss stießen die Polizisten hinter einer Trennwand auf eine „Indoor-Plantage“, wie die vorsitzende Richterin Dreisbach die Töpfe mit Cannabispflanzen und -samen sowie Ausrüstungsgegenstände wie Lampen bezeichnete. Das vorgefundene Material war so umfangreich, dass einer der eingesetzten Polizisten einen Bulli von der Wache holen musste.
Beamten öffneten Eingangstür gewaltsam
Weil ihnen auf ihr Klingeln und Rufen niemand öffnete, mussten die Beamten die Eingangstür gewaltsam öffnen. Ob der Angeklagte fliehen wollte? Jedenfalls soll ihn laut Zeugenausaussage eines Polizisten ein Kollege aus dem Dachfenster gezogen haben. Neben den Betäubungsmitteln fanden die Ordnungshüter in der Wohnung des Ehepaares A. einen Schlagring, einen Baseballschläger und eine spezielle Taschenlampe mit Elektroimpuls (Elektroschocker). Den Schlagring aus Aluminium habe der Angeklagte selbst hergestellt, der Baseballschläger gehöre dem Sohn, versuchte sein Anwalt den Vorwurf des bewaffneten Handels mit Drogen zu entkräften. „Das sind im weitesten Sinne Alltagsgegenstände und keine Messer oder geladenen Pistolen.“ Staatsanwalt Lotz gab sich mit diesen Erklärungen aber nicht zufrieden.
Aus der Wohnung, wo die Drogen, die Cannabisplantage und die vermeintlichen Waffen gefunden wurden, ist das Ehepaar A. mittlerweile ausgezogen. Der Angeklagte macht eine Umschulung, die Familie wird vom Jugendamt betreut. Seit mehreren Jahren sind die beiden verheiratet und versicherten vor dem Landgericht, wieder zusammengefunden zu haben. Für ihren ehemaligen Vermieter waren sie „ruhige Mieter“, die immer bezahlt hätten. Trotz des Marihuana-Aromas im Flur und den vielen Besuchen von unbekannten Personen. „Komisch ist uns das nicht vorgekommen“, berichtete der Hausbesitzer in seiner Zeugenaussage. Das änderte sich erst, als die Plastiktüte mit dem Geruch von Gras neben seinem Auto im Hof landete.
Der Prozess wird am 27. Oktober vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Siegen fortgesetzt.