Heggen. Olena ist mit Schäferhund Kirk aus Saporischschja geflohen. Nicht nur in der Flüchtlingsunterkunft Heggen sorgen sie für großes Staunen.

Olena lacht viel. Vor allem, wenn sie mit ihrem Belgischen Schäferhund Kirk zusammen ist. Der mag es ganz besonders gerne, wenn sie mit ihm Ball spielt. Oder wenn er sich durch ihre Beine schlängeln darf. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Voller Vertrauen. Voller Verständnis. Als Olena, ihre Mutter und ihr Bruder sich dazu entschlossen hatten, ihre Heimat zu verlassen, musste Kirk einfach mit. „Die Flucht hat er besser verkraftet als wir“, erzählt Olena und lacht. Es ist ein Lachen aus Verlegenheit. Sechs Tage hat es mit Bus und Bahn gedauert, bis die kleine Familie endlich in NRW angekommen ist. Der Großteil der Verwandten ist in der Ukraine geblieben. Sie wollten nicht gehen. Wie es den Großeltern geht, weiß Olena nicht. Sie leben in der ukrainischen Region Saporischschja. Mit der russischen Besetzung ist der Kontakt abgebrochen. Kein Lebenszeichen seitdem.

Olena Polianska kniet neben ihrem belgischen Schäferhund Kirk. Das junge ukrainische Duo haben großes Talent im Hundesport.
Olena Polianska kniet neben ihrem belgischen Schäferhund Kirk. Das junge ukrainische Duo haben großes Talent im Hundesport. © Britta Prasse | Britta Prasse

+++ Lesen Sie auch: Feuerteufel im Kreis Olpe: Was wir bis jetzt wissen +++

Olena studierte zuletzt an der Uni in Saporischschja Wirtschaft. Sie hätte auch zu einer renommierteren Uni gehen können, nach Kiew zum Beispiel. „Ich wollte aber lieber in der Nähe meiner Familie bleiben. Und bei den Hunden“, erzählt die 20-Jährige. Ein paar deutsche Worte kann sie schon – vor allem Hundekommandos. Für eine Unterhaltung reicht es allerdings noch nicht. Deswegen ist ein Dolmetscher dabei, als wir Olena in der ehemaligen Jugendherberge in Heggen besuchen. Olena erzählt, dass Kirk mit eineinhalb Monaten als Welpe zu ihnen gekommen ist. Heute ist er 2 Jahre alt. Er ist nicht der erste Hund der Familie. Auch Jessi, eine fünfjährige Mischlingshündin, gehört dazu. Mit ihr fing auch die Faszination für Hundesport an. „Sie ist früher häufig ausgebüchst. Deswegen habe ich mich an einen Hundetrainer gewandt, um mir zeigen zu lassen, wie man das verhindert“, sagt Olena.

+++ Lesen Sie auch: „Die Lage ist für zahlreiche Unternehmen existenzbedrohend“ +++

Schnell findet Olena Gefallen an der Arbeit mit Hunden. Sie übt immer weiter mit Jessi. Sie bringt ihr sogar das Tanzen bei. Rollen, drehen, Springen, Slalom – alles auf eine Choreographie abgestimmt. Bei „Dogdancing“-Meisterschaften landen die beiden immer auf dem Treppchen. Am liebsten hätte Olena auch Jessi mit nach Deutschland genommen. „Aber sie ist viel sensibler als Kirk. Wir wussten nicht, wie sie die Flucht verkraftet. Das wollten wir ihr nicht zumuten“, erzählt Olena.

+++ Lesen Sie auch: Im Überblick - Was Sie im Kreis Olpe zur Energiekrise wissen müssen +++

Kirks Begabung liegt nicht unbedingt im Tanzen. Dafür sehr viel mehr in der Fährtenarbeit und in der Obedience (Gehorsam). Die starke Verbindung zu seinem Frauchen ist unverkennbar. Nichts kann Kirk von Olenas Befehlen ablenken. Immer sucht er ihren Blickkontakt. „Das ist schon wirklich bemerkenswert“, findet Jürgen Roland, 1. Vorsitzender beim Verein Deutscher Schäferhunde Ortsgruppe Attendorn. Der Verein wurde von Barbara Sander-Graetz, Einrichtungsleiterin vom Deutschen Roten Kreuz, auf Olena und Kirk aufmerksam gemacht. „Zum Glück“, meint Roland. Denn ein Team mit einer derartigen Qualität sei bislang einzigartig in dem Verein. „Die beiden sind etwas ganz Besonderes. Vor allem, weil sie noch so jung sind. Dass Kirk mit seinen zwei Jahren schon derart gut ausgebildet ist, ist wirklich selten.“

Die Vorderbeine abgelegt, die Hinterbeine stehen: Kirk hat viele Tricks auf Lager. 
Die Vorderbeine abgelegt, die Hinterbeine stehen: Kirk hat viele Tricks auf Lager.  © Britta Prasse | Britta Prasse

Seit etwa drei Wochen übt Olena mit Kirk regelmäßig auf dem Hundeübungsplatz in Attendorn. Für sie ist das eine Premiere. „In der Ukraine gibt es so etwas nicht. Da haben wir nur in Parks geübt. Es ist toll, wie organisiert das in Deutschland ist“, findet sie. Überhaupt habe die Familie bislang viel Positives in Deutschland erlebt. „Wir sind so dankbar, dass wir hier mit offenen Armen und Herzen aufgenommen worden sind“, sagt Olenas Mutter Alla. Sie wollte ihre Kinder in Sicherheit bringen. Schon im April hatten sie versucht zu fliehen, sind bis nach Lwiw im Westen der Ukraine gekommen. Bis das Heimweh durchschlug und sie wieder nach Saporischschja zurückkehrten. Dort blieben sie bis Mitte August. Dann folgten die Raketenangriffe, ganz in der Nähe ihres Wohnhauses. Kinder wurden unter Trümmern vergraben. Irgendwann möchte Olenas Familie wieder in die Heimat zurückkehren. Wann, das wissen sie nicht. Nur so viel: Kirk wird dabei sein.