Drolshagen. Apothekerfamilie Kirchhoff aus Drolshagen will mit selbst ausgedachten und originellen Schaufenster-Dekorationen weg vom Werbe-Einerlei.
Die junge Frau, die an der Alten Apotheke in Drolshagen vorbeischlendert, hält kurz inne. Offenbar fragt sie sich, was Puppenköpfe mit Aluhüten im Schaufenster einer Apotheke zu suchen haben? Ein Moment, in dem jeder Passant wohl das gleiche tut: Nachdenken. „Das ist die Absicht“, lacht Dr. Christian Kirchhoff (53), seit 2013 Inhaber der Alten Apotheke in der Hagener Straße 26: „Die Leute sollen über Werbung und den Wahrheitsgehalt nachdenken.“ Der gewollte Kontrast sei die Präsentation einer homöopathischen Arznei, die neben den Aluhüten beworben werde: „Das, was wir hier anpreisen, wirkt. Im Gegensatz zu Aluhüten“, sagt Kirchhoff.
Woher der Begriff Aluhut stammt
Der Aluhut entstammt ursprünglich einer 1927 veröffentlichten Science-Fiction-Geschichte von Julian Huxley, dem Bruder des weltberühmten britischen Schriftstellers Aldous Huxley. Die Alufolie soll den Träger des Hutes vor unerwünschten Effekten von telepathischen Strahlen schützen.
In der jüngeren Vergangenheit hat der Aluhut zweifelhafte Prominenz erlangt, da er als Symbol für Wissenschaftsfeindlichkeit steht, die man Verschwörungstheoretikern insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unterstellt.
Der Begriff „Aluhut“ wurde 2020 vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in eine Liste von Neuworten (sprachliche Neuprägung) der 2010er-Jahre aufgenommen.
Gemeint ist ein Heilmittel, das das Immunsystem gegen Erkältungsviren stärke. Mit Eibischwurzel, Kamillenblüte, Schachtelhalmkraut, Walnussblättern, Schafgarbenkraut, Eichenrinde und Löwenzahnkraut. Und dazu hat der promovierte Apotheker eine klare Meinung: „Auch homöopathische Arznei gehört in die Apotheken.“ Dass diese Position umstritten sei in der Branche, wisse er, habe er erst kürzlich auf dem Deutschen Apothekertag in München erfahren, wo er als Delegierter den Apothekerverband Westfalen-Lippe vertreten habe.
Aus der Not geborene Kreativität
Zurück zur Frage, wie es zu den ungewöhnlichen Schaufenstern in seiner Apotheke kommt: „Das ist eigentlich aus der Not geboren“, klärt Ehefrau Annegret auf. Nach der plötzlichen Kündigung ihres Schaufenster-Dekorateurs sei es schwierig gewesen, Ersatz zu finden. „Da haben wir uns gedacht, wir versuchen es selbst einmal. Und machen es ganz anders.“ Ganz wichtig ist es Annegret Kirchhoff, dass sie nicht in eine politische Diskussion eingreifen wolle: „Die Aluhüte sollen nicht als Aussage für oder gegen irgendwelche Ideologien verstanden werden.“ Sondern als humorvoller Denkanstoß. Angestrebter Grundsatz: mit einfachsten Mitteln Aufmerksamkeit erzielen. Was ihr mit den Aluhüten zweifellos gelungen ist, wie neugierige Passantenblicke beweisen.
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Wobei Kirchhoff offenbar gar nicht auf Werbung angewiesen ist. Während unseres Gespräches geht es zu wie im Taubenschlag, zahllose Kunden drücken sich die Klinke in die Hand, die jeweils einen Klingelton hervorruft. Und es bimmelt in einem fort. Von einem Online-Knick beim Umsatz also nichts zu bemerken? „Nein. Die Drolshagener sind apothekentreu. Der Onlinehandel gräbt uns nicht das Wasser ab“, grinst er, während es schon wieder zweimal bimmelt.
12 Jahre in der Forschung tätig
Kirchhoff schätzt die Mentalität seiner Kunden, obwohl er selbst kein Drolshagener ist. Der gebürtige Bergneustädter studierte in Tübingen und Düsseldorf, war anschließend zwölf Jahre in der Forschung beim Biotechnologie-Unternehmen Evotec in Hamburg beschäftigt. Also meilenweit weg von Homöopathie. Und noch weiter weg von Aluhüten. Dennoch sitzt Kirchhoff nicht naserümpfend auf dem hohen Ross der Schulmedizin und kanzelt naturmedizinische Ansätze ab: „Man muss da unterscheiden. Homöopathie fußt auf einem Erfahrungsschatz, auch, wenn die Wirkung nicht immer wissenschaftlich nachzuweisen ist.“
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Annegret und Christian Kirchhoff wollen ihren originellen „Werbe-Feldzug“ jedenfalls weiterbeschreiten: „Die nächste Schaufensterdekoration beschäftigt sich mit dem Thema E-Rezept.“ Die Frage, auf was sich die Passanten denn einstellen müssen, wird mit einem klaren: „Das verraten wir noch nicht“ beantwortet. Die Bundesregierung wolle bekanntlich das digitale Rezept befördern, und Westfalen-Lippe sei als Testregion auserkoren worden. Damit also auch das Sauerland. Mit der Hützemerter Hausärztin Dr. Anne Albus arbeite man fortschrittlich zusammen: „Sie stellt E-Rezepte aus, und der Kunde kann es auf dem Handy in der Apotheke vorzeigen. Oder auch digital übermitteln.“ Hilfreich seien dabei die Linda-App und die App gesund.de.
Überzeugter Landapotheker
Bleibt noch die Frage, was einen forschenden Apotheker aus Hamburg in die tiefste Provinz verschlagen hat? Kirchhoff: „Ich habe mal ein Praktikum in einer Landapotheke gemacht und bemerkt, dass das meiner Idealvorstellung sehr nahe kommt.“ Zudem habe er sich immer gewünscht, über seiner Apotheke wohnen zu können.
Da sei das Angebot aus Drolshagen genau das richtige gewesen. Er stamme aus einem Pfarrhaus und sei es von Kindesbeinen gewohnt gewesen, dass sich der Vater hautnah um die Belange der Menschen gekümmert habe. Diese Philosophie könne auch ein Apotheker auf dem Lande ein Stück weit leben.