Wenden/Hünsborn. Wenig Personal, viel Medizin - in einem Neubaugebiet in Hünsborn soll das Ärztehaus der Zukunft entstehen. Was damit gemeint ist.

Patienten und Ärzte reden nur noch per Bildschirm miteinander, den Blutdruck oder das EKG misst sich der Kunde selbst, die orthopädische Knie- Diagnostik geschieht mit Hilfe einer Maschine? Ein Hauch von Medizin-Science-Fiction wehte am Montag Abend durch den Sitzungssaal des Wendener Rathauses, als Allgemeinmediziner Stefan Spieren aus Hünsborn seinen Zukunftsplan vom digitalen Ärztehaus im Haupt- und Finanzausschuss vorstellte.

Eines vorweg: Die meisten Ratspolitiker hatten zwar grundsätzliches Bauchgrimmen angesichts des Schreckgespenstes „Medizin ohne Menschen“, sie verschlossen sich aber nicht der Realität, dass es immer weniger Ärzte und Fachpersonal gibt, die die medizinische Versorgung gerade auf dem Lande übernehmen. Inmitten dieser bedauerlichen Realität gewinnt die Idee von Stefan Spieren durchaus an Reiz.

800 Quadratmeter An der Wahre

Was will der Allgemeinmediziner auf dem rund 800 Quadratmeter großen Grundstück am Rande des Neubaugebietes „An der Wahre“ in Hünsborn?

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Zunächst einmal Grünes Licht vom Gemeinderat. Dann will er das Grundstück kaufen und sein digitales Ärztehaus (mit Apothekenangebot) auf drei Etagen (rund 600 qm) bauen. Investitionsgröße: zwischen 2,5 und drei Millionen Euro, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion nach der Ausschusssitzung grob kalkuliert: „Ich bin ja schon länger mit dieser Idee unterwegs, habe mich dann aber entschlossen, das Projekt einzufrieren, bis wir wissen, ob und wie es weitergeht.“

Der Allgemeinmediziner Stefan Spieren (Hünsborn) stellt dem Wendener Haupt- und Finanzausschuss seine Pläne für ein überwiegend digital ausgerichtetes Medizinisches Zentrum in Hünsborn vor.
Der Allgemeinmediziner Stefan Spieren (Hünsborn) stellt dem Wendener Haupt- und Finanzausschuss seine Pläne für ein überwiegend digital ausgerichtetes Medizinisches Zentrum in Hünsborn vor. © WP | Josef Schmidt

Der Allgemeinmediziner legte Wert auf die Klarstellung, dass das digitale Ärztehaus nicht für eine „Medizin ohne Menschen“ stehen werde. Aber: „Die genaue Zahl der Mitarbeiter, die dort tätig sein werden, steht noch nicht fest. Zu Beginn vermutlich mehr. Eine medizinische Fachangestellte wird in jedem Fall immer vor Ort eingesetzt, möglicherweise auch ein Arzt oder eine Ärztin.“ Grundsätzlich gehe es darum, auf jeden Fall das, was wenig mit tatsächlicher Medizin zu tun habe, technisch, also digital zu lösen: „Das fängt bei der Anmeldung an, betrifft aber auch eine Rezeptanfrage.“ Eine Blutabnahme müsse natürlich von einer Fachangestellten gemacht werden, nicht aber die Begrüßung und der Anmeldevorgang des Patienten an der Rezeption. Spieren nennt ein Beispiel: „Eine digitale Stimme sagt dem Patienten dann eben: ‘Guten Tag, gehen Sie zur Blutabnahme in Kabine 5.’“

Digital-Lotse soll helfen

Für Menschen mit einer ausgeprägten Digital-Allergie sei es geplant, einen sogenannten Digital-Lotsen einzustellen. Wobei Spieren dem Vorurteil widersprach, dass sehr alte Menschen nicht in der Lage seien, solche Systeme zu bedienen.

Ob und wie viele Ärzte aus welchen Fachdisziplinen verpflichtet werden könnten, auf der anderen Seite der Bildschirme zu sitzen, stehe zwar noch nicht fest. Die Rückmeldungen, so Spieren, seien aber erstaunlich gut.

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Im Erdgeschoss des neuen Medizinzentrums sei ein Apothekenangebot vorgesehen. Ob es allerdings tatsächlich gelinge, einen Apotheker zu finden, sei fraglich: „Momentan ist das sehr schwierig“, sagt Spieren auch mit Blick auf die gerade erst geschlossene Kunibertus-Apotheke (wir berichteten).

Als „Lockmittel“ bezeichnet der Arzt die Wohnungen im Dachgeschoss des geplanten Zentrums, mit denen vielleicht ein Apotheker, Arzt oder anderer Mitarbeiter für eine Tätigkeit im Haus geködert werden könnten.

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Im Obergeschoss würden die Untersuchungseinheiten für die Video-Sprechstunden untergebracht, inklusive moderner Geräte, die teilweise eine Selbstbedienung ermöglichten.

Die Baupläne, so Spieren, seien so konzipiert, dass später flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert werden könne.

Unterschiedlichste Fachärzte seien denkbar: ob nun der Dermatologe, die Neurochirurgin, der Orthopäde oder die Kardiologin. Das wissenschaftliche Interesse der Universitäten, so Spieren, sei jedenfalls groß.

Einem möglicherweise durchs Dorf galoppierendem Gerücht wollte Spieren am Montag Abend sofort entgegentreten: „Meine Hausarztpraxis im Buchwald bleibt unabhängig von diesem Projekt bestehen.“