Feldmannshof. Zwei Landwirte und ein Lebensmittelhändler haben sich zusammengetan und produzieren frische Vollmilch aus der Region und für die Region.
Der kleine Weiler Feldmannshof, zwischen Drolshagen und Hützemert gelegen, ist ein Dörfchen wie viele andere im Sauerland auch. Zwei Dutzend Häuser, einige Bauernhöfe, eine Bushaltestelle – aber dann fällt doch etwas auf, was anders ist. Feldmannshof hat eine Molkerei. Genauer: die einzige Molkerei im Kreis Olpe. Unmittelbar neben dem Hof Engels steht ein neues Gebäude, noch sind außen einige Arbeiten zu verrichten, aber im Inneren ist alles fertig, es blitzt und blinkt. Fliesen und Edelstahl, wohin das Auge blickt, alles darauf angelegt, damit hier hygienisch und rein gearbeitet werden kann.
66 Jahre nach der Schließung der ersten Drolshagener Molkerei haben die Bauernfamilien Engels/Bieker (Feldmannshof) und Alterauge (Drolshagen) gemeinsam mit dem Lebensmittel-Filialisten „Dornseifers Frischemarkt“ Hünsborn zu gleichen Teilen eine Firma gegründet und eine echte Bauernmolkerei geschaffen. Die Produktion ist angelaufen und wird nun Schritt für Schritt ausgeweitet.
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Anna Bieker ist Chefin der Molkerei. Gemeinsam mit Beatrix Schneider und Anna Schürholz stellt sie zurzeit an drei Tagen pro Woche das erste Produkt her, das bereits in den Dornseifer-Regalen zu finden ist. „Volle Kanne“ heißt die Molkerei, und so heißt auch die Marke, unter der bislang frische Vollmilch mit natürlichem Fettgehalt zu haben ist. Milch aus der Region für die Region, ohne lange Wege vom Landwirt bis zum Verbraucher, das ist das Ziel dieser Kooperation.
Zwei Sorten Rohmilch
Draußen am Gebäude befinden sich metallene Stutzen, hier wird die Milch vom Tankwagen in die beiden gekühlten Lagertanks der Molkerei gepumpt. Dabei wird streng getrennt: Vom Hof Engels direkt nebenan kommt sogenannte A1-A2-Milch, während Alterauge A2-Milch liefert. Beide Sorten unterscheiden sich hinsichtlich ihres Milcheiweißes, die Zusammensetzung hängt vom Erbmaterial der milchgebenden Kühe ab. Manche Kunden schwören auf Milch, die ausschließlich die A-2-Eiweiße enthält, weil diese als leichter verdaulich gelten. Daher wird die A-2-Milch zuerst verarbeitet und abgefüllt und auch separat auf der Verpackung gekennzeichnet.
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In aller Frühe beginnt die Verarbeitung. Anna Bieker weist auf Leitungen und Schläuche, die durch die Halle von Maschine zu Maschine führen, versehen mit einer für den Laien kaum zu durchschauenden Batterie von Ventilen, die den Materialfluss regeln. „Zuerst wird das ganze System mit Wasser gefüllt“, berichtet Anna Bieker, die von Hause aus Ökotrophologin ist, „wir wollen ja so wenig Milch wie möglich im Prozess verlieren.“ Sobald die Anlagen komplett durchlaufen werden, alle Geräte auf Betriebstemperatur sind, wird Milch statt Wasser in die Zuführung gegeben. Schaugläser in den Leitungen zeigen an, wann die Milch die einzelnen Phasen erreicht, worauf entsprechende Ventile umgelegt werden und die Verarbeitung startet.
Am Anfang der Verarbeitung steht eine Filterung und die Pasteurisierung, die kurzzeitige Erhitzung der Milch auf mindestens 72 Grad, um Mikroorganismen abzutöten, die die Milch schnell verderben lassen würden. Dann wird die Milch durch eine Zentrifuge geschickt, bei der sich Magermilch und Rahm trennen. Bei „Volle Kanne“ wird lediglich die Magermilch homogenisiert, das heißt, die verbleibenden Fett-Tropfen in der Milch werden zerkleinert, ihre Oberfläche so vergrößert.
Das macht die Milch einerseits bekömmlicher, andererseits sorgt dies dafür, dass die fertige Milch nicht mehr aufrahmt, sich also das Milchfett wie bei Rohmilch nach längerer Standzeit an der Oberfläche absetzt. Für die zurzeit ausschließlich produzierte Milch mit natürlichem Fettgehalt, was mindestens 3,8 Prozent sind, werden dann Rahm und Magermilch wieder zusammengemischt. Für die später vorgesehene Magermilch-Produktion wird an dieser Stelle der Rahm abgezogen, sodass eine Milch mit rund 1,8 Prozent Fettanteil übrig bleibt.
Datum wird aufgesprüht
Die nun pasteurisierte und homogenisierte Milch ist jetzt abfüllbereit und wird dazu in einen von zwei Kesseln gepumpt, die gekühlt vor der Abfüllanlage stehen. Die Abfüllstraße arbeitet fast vollautomatisch: Sie faltet Kartons auf, verklebt mit Hitze den Boden, setzt einen Schraubdeckelverschluss in den Giebel der Tüte und füllt dann exakt einen Liter Milch ein, bevor die Tüte verschlossen wird. Dann sprüht ein Automat das Haltbarkeitsdatum auf die Kopflasche, und die „Frische Vollmilch mit natürlichem Fettgehalt“ von „Volle Kanne“ kann in den Handel gebracht werden. Und dann beginnt das Putzen. Unmittelbar nach Abschluss der Verarbeitung wird wieder Wasser in die Geräte gegeben, um die Milch herauszuspülen, und wenn die Kartons im Kühllastwagen stehen, dann geht es an die Grundreinigung. Penible Sauberkeit ist angesagt.
Noch läuft die Produktion auf kleiner Flamme. Vieles gilt es noch auszutesten, vieles muss sich noch einschleifen. Oft greift Anna Bieker noch zur Stoppuhr und prüft, wie lange welcher Schritt dauert, um Abläufe zu optimieren. Doch mit jedem Tag kehrt mehr Routine ein, und mit jedem Tag läuft der Betrieb ein bisschen runder. Und so werden die nächsten Anlagen an den produktionsfreien Tagen vorbereitet.
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Die Becherabfüllung wird bald in Betrieb genommen, und dann sollen auch vier Sorten Fruchtjoghurt, Quark, Frischkäse und Sahne von „Volle Kanne“ angeboten werden. „Wir liefern ganz normale Frischmilch, die nicht mikrogefiltert ist“, betont Anna Bieker: Das, was als Frischmilch in den Kühlregalen steht, trägt meist den Zusatz „ESL“. Das steht für „extended shelf life“, zu deutsch etwa „verlängerte Haltbarkeit“, und besagt, dass diese Milch vor der Abfüllung noch eine Mikrofilterung unter Hochdruck erfahren hat, was aber den Geschmack nachhaltig beeinflusst, also praktisch eine Zwischenstufe zwischen echter Frischmilch und H-Milch darstellt.
„Ich trinke selbst am liebsten normale Frischmilch, ich mag die Geschmacksveränderung durch die ESL-Behandlung nicht, und das geht auch vielen Verbrauchern so“, hat Anna Bieker in Erfahrung gebracht. Derzeit arbeitet „Volle Kanne“ sicherheitshalber noch mit einer Mindesthaltbarkeit von sechs Tagen nach Abfüllung. Entsprechende Laboruntersuchungen laufen, und die Chefin rechnet damit, dass diese Frist bald auf zehn Tage verlängert werden kann. Ohnehin hat das junge Unternehmen noch viel vor, und wer verfolgt hat, wie zügig die Arbeiten von der ersten Planung bis zum Produktionsstart gelaufen ist, der glaubt an den Erfolg der „Vollen Kanne“.