Kirchhundem. Neun Azubis starten heute bei der Firma Straßen- und Tiefbau ihre Ausbildung. Aber 160 Lehrstellen im Handwerk bleiben unbesetzt.

Das neue Ausbildungsjahr 2022 beginnt am 1. August auch bei der Firma Straßen und Tiefbau GmbH in Kirchhundem. Aber diesmal nicht mit Sorgenfalten beim Blick in die Zukunft, sondern recht entspannt. „Neun neue Auszubildende zum Straßenbauer fangen bei uns an – darunter eine junge Frau und ein dualer Student“, freut sich der kaufmännische Leiter Andreas Kurth. Eine Traumquote für das Unternehmen, lange Zeit sah es nicht danach aus.

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Vor drei Jahren hatten nur zwei Auszubildende in Kirchhundem angeheuert, die den Beruf des Straßenbauers erlernen wollten. Diese erhielten nach bestandener Prüfung vor 14 Tagen ihren Gesellenbrief. In den letzten beiden Jahren sah es nicht besser aus. Durch die Pandemie waren fast alle Informationsplattformen, um über sich, das Unternehmen und auch das Berufsbild in adäquater Form zu informieren, weggefallen: Infoveranstaltungen in Schulen, Berufsmessen, Orientierungs- und Schulpraktika, alles wurde komplett abgesagt. Firmenchef Andreas Behle sagte letztes Jahr zu unserer Zeitung: „Gerade Praktika sind der effektivste Weg, um das Interesse der Jugendlichen an unserem Beruf zu wecken.“

Aber mit den neun neuen Azubis, die am Donnerstag von Chef Andreas Behle im Straßen- und Tiefbau-Team begrüßt wurden, sieht die Quote des Unternehmens wesentlich besser aus. 27 Auszubildende, davon 25 Straßenbauer, darunter drei duale Studenten und eine weibliche Auszubildende, eine Bauzeichnerin und ein Land- und Baumaschinenmechatroniker, schrauben die Ausbildungsquote bei Straßen- und Tiefbau mit aktuell rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf über zehn Prozent. Ein Wert, für den Unternehmen in anderen Branchen, schon Auszeichnungen ihrer Interessenverbände eingeheimst haben.

Warum es auf einmal klappt mit der Besetzung der Ausbildungsstellen, kann sich Andreas Kurth auch nicht so richtig erklären. Einen Strategiewechsel bei der Suche nach neuen Mitarbeitern habe es im Unternehmen nicht gegeben. „Vielleicht sind wir auf den Berufsmessen, wo wie uns präsentiert haben, positiv aufgefallen.“

Unwahrscheinlich, dass sich das immer noch von Vorurteilen geprägte Image des Straßenbauers, den viele immer noch bei Wind und Wetter mit Hacke und Schüppe im Graben stehen sehen, übers Jahr gewandelt hat. Dabei gehört stupide Handarbeit schon lange der Vergangenheit. Für jede Anforderung gibt es heute moderne Maschinen. Die Löhne sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, es gibt klare und faire Arbeitszeit- und Urlaubsregeln, Ausgleichszahlungen bei witterungs- und saisonbedingten Ausfällen und vor allem: „Der Beruf ist sicher und zukunftsfähig“, sagt Andreas Kurth.

Vielleicht, so Kurth, sei dies der springende Punkt. Gerade in Krisenzeiten stiegen die Aktien für sichere Arbeitsplätze. Während es beim Hochbau aufgrund der aktuellen Lage Anzeichen für eine Konjunkturdämpfung gibt, boomt der Straßen- und Tiefbau weiter. Funktionierende Infrastrukturen, neue bzw. sanierte Straßen, Brücken, Wege, Plätze werden immer gebraucht und dass es in diesem Bereich einen riesigen Investitionsstau gibt, steht täglich in den Medien.

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Fest steht aber auch, dass die Perspektiven für Facharbeiter im Handwerk noch nie so gut waren. „Sie sind heiß begehrt und werden noch begehrter sein. Sie haben eine goldene Zukunft vor sich“, rief Daniela Tomczak, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Siegen, kürzlich bei der Jahrgangsabschlussfeier des Aus- und Weiterbildungszentrums Bau in Kreuztal, wo auch die Bauhandwerker aus dem Kreis ausgebildet werden, den frisch gebackenen Gesellen, darunter 15 Straßenbauer, zu. Sie appellierte an die jungen Fachkräfte, Werbung für ihren Handwerksberuf zu machen. Denn auch zum Beginn des neuen Ausbildungsjahrs 2022 bleiben allein im Kreis Olpe rund 160 Ausbildungsstellen im Handwerk unbesetzt.