Kreis Olpe. „Neu bauen ist für normal Sterbliche kaum mehr machbar“, so Immobilienmakler Oliver Neu. Wie viel muss man heute verdienen, um bauen zu können?

Immobilienmakler Oliver Neu aus Olpe redet Klartext: „Neu bauen ist für normal Sterbliche kaum mehr machbar. Wer weniger als 4.500 Euro Netto im Monat zur Verfügung hat, braucht sich über das Neubauthema keine Gedanken mehr zu machen.“ Was Neu meint, hat in erster Linie zwei Gründe: Die Baupreise sind in den vergangenen drei bis vier Jahren in schwindelnde Höhen gestiegen, und seit etwa einem Jahr haben es ihnen die Bauzinsen nachgemacht. Ein für die Branche möglicherweise giftiger Cocktail.

Von 0,9 auf 3,9 Prozent

Florian Hahnl, Architekt aus Olpe, nennt im Gespräch mit unserer Redaktion konkrete Beispiele aus seiner Praxis: „Ich habe Kunden, die vor einem Jahr noch für einen Kreditzins von 0,9 Prozent ihr Projekt finanziert haben, und jetzt gibt es andere Bauherren, die von Bank-Angeboten von 3,8 bis 3,9 Prozent bei einer Laufzeit von 15 Jahren sprechen.“ Zudem seien die Baupreise in einem relativ kurzen Zeitraum explodiert: „Ein normales Einfamilienhaus von rund 150 Quadratmeter ohne Keller, das vor fünf Jahren mit rund 320.000 Euro kalkuliert werden konnte, schlägt heute mit rund 460.000 Euro zu Buche.“ Unter anderem die Preise für Dämm-Material seien extrem in die Höhe geschnellt. „Zudem sind die Energieverordnungen deutlich verschärft worden. Wo wir unter der Bodenplatte vor fünf Jahren mit 10 oder 12 Zentimeter Dämmung auskamen, müssen es heute 16 Zentimeter sein.“ Sein Fazit: „Die Baufähigkeit von Normalverdienern geht in den Keller.“ Unter den aktuellen Rahmenbedingungen könnten nur noch gut Betuchte bauen.

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Oliver Neu bestätigt diesen Trend: „Je nach Beleihungsbedingungen habe ich von 15-Jahres-Angeboten gehört, die sogar über 4 Prozent Zinsen liegen.“ Angesichts solcher Zahlen höre er aus der Branche sogar von ehemals Bauwilligen, die bereits von Städten oder Gemeinden reservierte Grundstücke wieder zurückgäben, da ein Neubauprojekt finanziell nicht mehr darstellbar sei. Bauherren seien Grundstücke mitunter vor mehr als einem Jahr zugesichert worden, die jetzt vor einer völlig neuen Zinslandschaft stünden. Neu: Solche Kunden sind dreifach gebeutelt. Erstens durch deutlich höhere Zinsen, zweitens durch deutlich höhere Baukosten und drittens durch den weitgehenden Wegfall der KfW-Förderung.“ Hintergrund: Die Bundesförderung für effiziente Gebäude der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurde am 24. Januar 2022 mit sofortiger Wirkung mit einem vorläufigen Programmstopp belegt.

Mit zwei vollen Gehältern kalkulieren

Neu rechnet vor, was die Situation für den Geldbeutel jedes Bauherren pro Jahr oder Monat bedeutet: „Monatliche Abträge von mehr als 2.000 Euro sind realistisch.“ Wer beispielsweise 500.000 Euro finanzieren müsse, bei 3,5 Prozent Zinsen und zwei Prozent Tilgung komme auf eine Jahresbelastung von 27.500 Euro pro Jahr und einen monatlichen Abtrag von 2.300 Euro. Wer mit der Bank eine Tilgung von nur einem Prozent vereinbare, liege immer noch bei 22.500 Euro im Jahr und 1875 Euro pro Monat. Neu: „Vor einem Jahr bei 1 Prozent Zinsen und 2 Prozent Tilgung waren das nur 1.250 Euro.“ Dass eine bauwillige Normalfamilie mit zwei vollen Gehältern kalkulieren müsse, stehe da außer Frage. Denn: „Die nicht kalkulierbaren Energiepreise und gestiegenen Lebenshaltungskosten kommen noch oben drauf.“

„Die Konstellation der extrem hohen Baupreise und der steigenden Zinsen macht die Situation schwierig“, meint auch Florian Schönauer, Architekt aus Hünsborn. Es herrsche vor allem Unsicherheit bei privaten Bauherren, die keine Festpreise haben: „Viele haben Angst, dass die Zinsen in der Planungsphase noch steigen. Es gibt die Sorge, dass die Nachfinanzierung nicht gestemmt werden kann.“ Trotz allem seien Bauplätze in Wenden oder Olpe immer noch rar gesät, so Schönauer: „Es ist schwierig, ein Grundstück zu finden. Die Listen sind immer noch extrem lang. Wenn jemand abspringt, kommt ein Nachrücker.“

Das Architekturbüro in Hünsborn beschäftigt sich vor allem mit großen Trägern, so Florian Schönauer: „Wir sind beim Krankenhaus-Bau und bei der Altenpflege tätig. Da gibt es Förderung von Stadt und Land. Da wird immer noch gebaut, und es springt keiner ab.“ Von einem interessanten Trend seit ein paar Wochen, berichtet der Architekt aus Hünsborn: „Mit den Baukosten geht es schon ein bisschen wieder runter. Die Rohstoffpreise bleiben konstant oder sinken. Das gilt für Gewerke mit Holz und Stahl.“

Ratschläge schwierig

Sparkassenchef Dieter Kohlmeier (Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden) räumt ein, dass die Zinssituation schwierig einzuschätzen sei: „Was soll man einem Kunden für die Zukunft raten?“ Offenbar seien auch die Experten der EZB im Zwiespalt. Deshalb sei die mittel- oder langfristige Entwicklung keinesfalls vorhersehbar. Die Terminkalender der Sparkassenberater, so Kohlmeier weiter, seien mit Blick auf Neubauprojekte „deutlich entspannter“. Wenn Beratung erwünscht sei, gehe es um Sanierung, um Solar- und neue Heizungsanlagen.

Kohlmeier abschließend: „Die Bauzinsen haben sich fast verdreifacht, es ist viel Unsicherheit im Markt.“