Olpe. 20 Minuten EMS-Training sollen zwei Stunden Fitnessstudio ersetzen. Wirklich? Wir machen den Test im Smartfit Olpe – mit überraschendem Ergebnis.

Stärker, fitter und straffer. Und das mit 20 Minuten Training pro Woche. Das Versprechen klingt verlockend. Mit diesem maximalen Erfolg mit minimalem Zeitaufwand werben EMS-Studios. Die sogenannte Elektromyostimulation (EMS) geht über das klassische Kraft- oder funktionelle Training hinaus. Stromimpulse lassen den Muskel zusammenziehen, kombiniert mit verschiedenen Übungen soll der Muskel seine ganze Kraft entfalten. Klingt logisch in der Theorie. Aber wie funktioniert das in der Praxis? Unsere Redaktion hat den Test bei „Smartfit“ gemacht, ein EMS-Studio, das vor Kurzem in der Westfälischen Straße in Olpe eröffnet hat.

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„Smartfit“ hat fast einen Lounge-Charakter. Holzfußboden, eine Sitzecke mit skandinavisch anmutenden Sesseln, schwarze Pendelleuchten, dazu ein paar grüne Zimmerpflanzen, die sich dekorativ über die Fläche verteilen. Der Blick zum Schaufenster verrät aber: Gleich wird es mit der Gemütlichkeit vorbei sein. Kurzhanteln, Kettleballs und Bodenmatten verteilen sich an der Längsseite. Hinter dem Empfangstresen hängen maßstabsgetreue Bilder von Sport-Legenden: Michael Schumacher, Michael Jordan und Mohammed Ali. Viktor Sintschew, der zusammen mit seiner Frau Sylvia das EMS-Studio leitet, nimmt mit mir in der Sitzecke Platz. Für die Anamnese. „Bevor wir das erste Mal mit dem EMS-Training beginnen, ist es wichtig zu wissen, wo die Person steht. Ob sie Vorerkrankungen hat und wie ihr Fitnesslevel ist“, erklärt der 35-Jährige. Prinzipiell ist EMS auch für Sportmuffel geeignet. Es gibt aber auch Ausschlusskriterien.

Das EMS-Studio
Das EMS-Studio "Smartfit" an der Westfälischen Straße in Olpe hat fast Lounge-Charakter. © Privat

Wer einen Herzschrittmacher hat, unter Herz-Rhythmus-Störungen oder unbehandelten Bluthochdruck leidet, sollte auf ein EMS-Training verzichten. Auch Menschen mit neuronalen Erkrankungen wie Epilepsie, Krebspatienten oder Schwangere bzw. stillende Mütter kommen für das stromimpulsbasierte Training nicht in Frage. Wer einen Bandscheibenvorfall hatte oder akut Rückenschmerzen hat, wird unter Anleitung eines Trainers anders, noch rückenschonender trainieren. Und: Auch psychische Faktoren spielen bei der Anamnese eine Rolle. „Wenn jemand psychisch labil ist, muss ich das im Training berücksichtigen. Denjenigen kann ich zum Beispiel nicht unbedingt anfeuern, mehr Gas zu geben, weil ihn das vielleicht triggert“, erklärt Viktor. Man verfolge einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt auch, dass Faktoren wie Stress und Schlafmangel in Betracht gezogen werden. Denn der dadurch höhere Cortisolspiegel im Blut kann dazu führen, dass der Stoffwechsel durcheinander gerät, Heißhungerattacken ausgelöst werden, ein erhöhter Blutzuckerspiegel auftritt und das Abnehmen deutlich schwerer fällt. „Unser Ziel ist es, dass die Leute hier ‘rausgehen und sagen: ‘Geil, ich hab’ mein Ziel erreicht“, meint Viktor.

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Um dieses Ziel zu erreichen, muss ich allerdings auch etwas tun. Ich bin skeptisch. Dafür sollen 20 Minuten reichen? „So habe ich früher auch gedacht“, erinnert sich Viktor, der 15 Jahre lang Leistungsboxer war. „Als ich vor fünf Jahren dann aber bei einer Fitnessmesse war und zehn Minuten EMS-Training ausprobiert habe – natürlich mit starken Impulsen, weil ich so überzeugt von mir war – habe ich gemerkt, wie effektiv das ist. Ich hatte super starken Muskelkater am Tag danach.“ Für mich klingt es immer noch unvorstellbar. Also los.

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Zuerst ziehe ich in der Umkleidekabine spezielle EMS-Trainingsunterwäsche an. Das ist ein Baumwoll-Elastan-Gemisch, der Dreiviertel der Beine und Dreiviertel der Arme bedeckt. Die hautenge Unterwäsche dient dazu, dass die Stromimpulse gut weitergeleitet werden können. Darüber kommt eine Ganzkörperweste mit Elektroden, in die mir Viktor hineinhilft. Die eingearbeiteten Pads an Oberschenkel, Po, Rücken, Bauch und Arme werden angefeuchtet, um wiederum den Strom besser weiterleiten zu können. Die Elektroden werden verkabelt, die Weste wird festgezurrt – es kann losgehen.

Trainer Viktor Sintschew feuert zwei trainierende Männer an, die mit dem EMS-Anzug Ausfallschritte machen.
Trainer Viktor Sintschew feuert zwei trainierende Männer an, die mit dem EMS-Anzug Ausfallschritte machen. © Privat

Per Monitor wird zunächst jede Körperpartie einzeln angesteuert. Ein leichtes Kribbeln setzt ein. Viktor dreht die Belastung höher. „Sag ‘Stopp’, wenn es zu viel wird“ – Stopp. Nachdem Beine, Po, Rücken, Bauch und Arme auf ihr individuelles Belastungslevel eingestellt sind, geht’s los mit dem 20 Minuten Training. Auf vier Sekunden Muskelkontraktion folgen zwei Sekunden Pause. Ich starte mit Kniebeugen, danach folgen Ausfallschritte mit Kurzhantel. Die Beine zittern – auch ohne Kontraktion. Ich mache weiter mit seitlichem Schulterheben, Crunches – wie lange noch? – Unterarmstütz und Liegestütz. Und ja, da ist sie: Die erste Schweißperle, die von der Stirn auf die Matte tropft. Zum Schluss – was, noch zwei Minuten?! – gibt es noch eine knackige Kraft-Ausdauer-Einheit. Breite Kniebeuge und hochspringen. Bis nichts mehr geht. Das Kribbeln, die Anspannung, hört auf. Geschafft. Als ich meine Ganzkörperweste ausziehe, bemerke ich die völlig durchnässte EMS-Unterwäsche. Ob von den durchnässten Patches oder von Schweiß – das ist Ansichtssache.

>>>TERMINE VORAB VEREINBAREN

  • Das Studio „Smartfit“, Westfälische Straße 24 in Olpe, hat von Montag bis Freitag jeweils von 8 bis 20 Uhr geöffnet.
  • Trainingstermine werden immer im Vorfeld vereinbart. So wird sichergestellt, dass auch ein persönlicher Trainer vor Ort ist. „Und: Die Hemmschwelle, abzusagen, ist dann viel größer“, meint Viktor Sintschew.
  • Zusammen mit seiner Frau Sylvia betreibt Viktor Sintschew noch ein EMS-Studio in Senden und Lüdinghausen. Mehr Infos unter www.smartfit-ems.de