Attendorn. 800 Jahre Attendorn: Das Südsauerlandmuseum und die Firma Monokultur-Studio haben einen ganz besonderen, virtuellen Rundgang ausgearbeitet.
Jedes Detail kennt Monika Löcken, Leiterin des Südsauerlandmuseums in Attendorn, nicht. Wie groß etwa die Steine im alten Wassertor waren, sei nicht überliefert. Genauso wenig sei heute bekannt, ob das Wächterhäuschen am alt-ehrwürdigen Stadteingang gemauert war oder aus Fachwerk bestand. Und dennoch: Es gibt eine Reihe wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Aufschluss darüber geben, wie sich das Wassertor in mehr als 600 Jahren verändert hat.
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Wer sich einen bildlichen, vor allem bleibenden Eindruck vom Aussehen dieses geschichtsträchtigen Zugangs zur Stadt im Mittelalter verschaffen möchte, kann dies bei einem virtuellen Stadtrundgang durch die alte Hansestadt, die in diesem Jahr bekanntlich 800-jähriges Jubiläum feiert, tun. Dafür braucht es lediglich ein Handy. Wer vor dem alten Stadttor-Eingang unweit des Hallenbades steht – heute erinnern die Stelen links und rechts der Straße daran – und sich über einen QR-Code (er wird auf einem gut sichtbaren Stein angebracht) einloggt, bekommt virtuell das alte Wassertor in verschiedenen Epochen angezeigt. Und nicht nur das: Man kann mit dem Smartphone in der Hand auch hindurchgehen.
Kleinere Spielerein
Das gemeinsame Projekt vom Südsauerlandmuseum und dem Attendorner Monokultur-Studio ist insofern einzigartig und besonders, weil bei diesem anderen Stadtrundgang die virtuelle Realität mit der echten Umgebung verschmilzt. Man sieht also beides, die Stelen, die heute an das alte Wassertor von damals erinnern, und das Wassertor, wie es im Mittelalter aussah. Kleine Spielerein vervollständigen den Rundgang, so lässt sich beispielsweise die ehemalige Zugbrücke öffnen. Dahinter steckt unglaublich viel Arbeit und technisches Wissen, um diese besondere visuelle Darstellung (Englisch: augmented reality; erweiterte Realität) umzusetzen.
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„Die Anforderung an dieses Projekt war, dass wir die Geschichte erlebbar und greifbar machen wollen“, erklärt 3D-Spezialist Lukas Isphording von Monokultur. Man habe bewusst darauf verzichtet, eine eigene App zu installieren, sondern die Benutzung so einfach wie möglich gehalten. „Und ein Handy hat heute jeder, die Hemmschwelle bei einer App wäre wohl zu groß gewesen. Die müsste man sich zunächst herunterladen“, weiß Isphording. Kleine Einschränkung: iPhone-Besitzer müssen sich noch etwas gedulden, hier gibt es noch technische Hürden bei der Umsetzung. Daran arbeite man aber, so Isphording.
Projekt lässt sich ausbauen
Vollends begeistert von diesem Pilotprojekt ist auch Monika Löcken: „Dieser virtuelle Stadtrundgang bietet enorm viel Potenzial. Ich bin mir sicher, dass er sehr gut ankommen wird.“ Neben dem alten Wassertor bekommen die geschichtlich Interessierten auch den Bieketurm, die alte Klosterkirche, den Sauerländer Dom und natürlich das Südsauerlandmuseum aus dem Mittelalter zu sehen. „Das Schöne ist, dass wir dieses Projekt weiter ausbauen und noch andere Gebäude oder alte Straßenzüge mit aufnehmen können“, ist Löcken zuversichtlich, mit diesem Pilotprojekt auf ein breites Interesse in der Attendorner Bevölkerung zu stoßen.
Ausstellungseröffnung
Das Museum lädt ein zur Ausstellungseröffnung „Das Demokraten-Nest“ am Samstag, 18. Juni, um 15 Uhr. Die Stadt Attendorn, die im Mittelalter eine der angesehensten Städte Westfalens war, hatte am Ende des 18. Jahrhunderts ihre Bedeutung verloren. Im Jahre 1816 erfolgte die Eingliederung in das preußische Königreich und wirtschaftlich hatte sich Olpe zum Zentrum der Metallverarbeitung entwickelt. Die Attendorner mussten sich bemühten, den Anschluss an die neue Zeit nicht zu verpassen. Aber Menschen aus anderen Landesteilen, die andere Konfessionen und modernes Wissen besaßen, brachten neues Leben in die Stadt. Die bürgerlich-demokratischen Ideen, die in Frankreich im Februar 1848 formuliert worden waren, erreichten auch die Menschen in Attendorn. Gefordert wurden demokratische Reformen in Militär und Justiz, Pressefreiheit, ein Parlament des Volkes, nationale Einheit und die Abschaffung der Monarchie. Die Einführung moderner, industrieller Produktionsweisen erfolgte nach dem Bau der Eisenbahnlinie und veränderte auch die sozialen Verhältnisse. Die Stadt hatte sich zu einem Industriestandort mit überörtlich agierendem Gewerbe und mit einer lebendigen, bürgerlichen, traditionsbewussten Stadtgesellschaft entwickelt. Die Ausstellung orientiert sich am Sammlungsbestand des Museums, gezeigt werden 100 Exponate aus der Museumssammlung, die sonst im Magazin lagern. Sie wird durch zwei interaktive, digitale Modell anschaulich.
Im Übrigen kann auch jeder, der zuhause auf dem Sofa sitzt, den virtuellen Stadtrundgang starten – und zwar über die Internetseite des Museums (www.suedsauerlandmuseum.de) und den Reiter „Sammlung“. „Doch viel interessanter ist es, wenn man sich direkt am Ort des Geschehens befindet“, betont Löcken, während sie vor dem einstigen Stadttor-Eingang am Wassertor steht.