Lennestadt. Matthäus Wanzek aus Lennestadt bringt Spenden aus Deutschland bis ins Kriegsgebiet nach Charkiw und drei Menschen in Sicherheit.

Matthäus Wanzek holt die Reste einer sowjetischen Scud-Rakete und ein Dutzend Granatsplitter aus seinem Rucksack. „Die Rakete hat mir ein Schulkind in Charkiw gegeben“, sagt der 39-Jährige. Eigentlich unglaublich, aber in der Ukraine derzeit Realität. Erst vor wenigen Tagen ist der Lennestädter von seiner dritten Hilfsmission aus der Ukraine zurückgekommen, war diesmal nur wenige hundert Meter hinter der Frontlinie.

+++ Lesen Sie auch: IG Metall zum Kampf bereit: Warnstreik in Finnentrop +++

Auf dem Rückweg hat er drei Menschen mit nach Lennestadt in Freiheit und Sicherheit gebracht. „Die Menschen hier in Deutschland müssen wissen, was dort los ist“, sagt Matthäus Wanzek. Deshalb wollen er und seine Mitreisenden ihre Geschichte erzählen.

Olga (links) und Ludmilla zeigen auf einer Landkarte auf ihre zerstörten Heimatstädte, hinten Matthäus Wanzek (rechts) und Olgas Sohn Elja.  
Olga (links) und Ludmilla zeigen auf einer Landkarte auf ihre zerstörten Heimatstädte, hinten Matthäus Wanzek (rechts) und Olgas Sohn Elja.   © WP | Volker Eberts

Matthäus Wanzek ist einer der Gründer der Ukrainehilfe „Lennestadt hilft“. Immer noch, seit drei Monaten organisiert er, der Polnisch und Ukrainisch spricht, Sachspenden und Geld, um sie in das vom Krieg geschundene Land zu bringen. Mit einem Kleintransporter, vollgepackt mit Lebensmitteln, Medikamenten, Hilfsgütern machten er und Olga (29), eine Ukrainerin aus der Flüchtlingsunterkunft in Saalhausen, sich auf den Weg. Diesmal ist Charkiw, 2400 Kilometer entfernt, das Ziel. „Der Krieg kommt in Etappen näher“, sagt Wanzek. Von Ort zu Ort gibt es mehr Soldaten und Checkpoints. „Die Ukrainer sind mega-dankbar für die Hilfe aus Deutschland“, sagt Wanzek. Alle, egal ob Polizisten oder Soldaten, hätten ihnen unterwegs geholfen. Obwohl es kaum noch Treibstoff gibt, hilft ein Bauer mit Benzin aus. Vorbei an zerstörten Dörfern und zerbombten Häusern schaffen sie die knapp 500 Kilometer bis ins umkämpfte Charkiw.

Ein ausgebombtes Wohnhaus.
Ein ausgebombtes Wohnhaus. © WP | Privat

Eine Polizistin stellt den Kontakt zu einer Hilfsorganisation vor Ort her. Die Helfer packen täglich Päckchen für tausende Menschen, die aus Angst vor den Bomben jede Nacht in den Kellern ausharren, vor allem Kinder, Frauen und Senioren. „Sie müssen jeden Tag ums Überleben kämpfen“, sagt Wanzek. „Die Menschen schlafen seit zweieinhalb Monaten auf Isomatten, 60 Personen auf 100 Quadratmeter, abends ist Ausgangssperre und es gehen die Lichter aus, weil Drohnen über die Stadt fliegen.

Ab 1 Uhr fallen die Bomben

Zwischen 1 und 5 Uhr fallen dann die Bomben. „Dann bebt das ganze Haus“, sagt Ludmilla, eine 79-jährige Frau aus Charkiw. Matthäus traf sie einem der Schutzkeller. „Sie fragte mich, ob ich auch alte Menschen mit nach Deutschland nehmen würde.“ Die Seniorin, die eine Tochter in Leipzig hat, hat die Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft in ihrer Heimatstadt verloren. „Sie haben unsere Krankenhäuser und Schulen angegriffen, alles ist zerstört“, sagt sie. „Die Menschen fliehen vor dem Grauen und der Angst“, sagt Matthäus. Er zeigt Bilder und Videos von zerstörten Autos, Häusern und Straßenzügen. „Es wird bewusst in die Wohnhäuser geschossen. Das ist die Realität“, betont der 39-Jährige. Diese will er der Öffentlichkeit zeigen. „Jeden Tag gibt es neues Leid.“

+++ Auch interessant: Wendener Kirmes seit 50 Jahren erstmals ohne Reibekuchen +++

Auf dem Rückweg nach Lennestadt reisen ab Lemberg neben Ludmilla auch noch Raja (40) und ihr Sohn Elja (17), die in der weitgehend zerstörten Hafenstadt Mariupol lebten, mit nach Deutschland. Die drei wohnen jetzt in der Flüchtlingsunterkunft in Saalhausen, hoffen dass sie bald eine Wohnung finden und Ludmilla zu ihrer Tochter nach Leipzig kann. Doch dafür fehlen im Moment die finanziellen Mitteln. Auch deshalb müsse „Lennestadt hilft“ weitergehen.

Im Moment seien Geldzuwendungen das Beste, „jede kleine Hilfe zählt“, so Wanzek.

Geldspenden für die Aktion „Lennestadt hilft“ können weiterhin auf das Konto der Kirchengemeinde St. Bartholomäus Meggen unter dem Stichwort „Lennestadt hilft“, IBAN DE39 460628 1743 41088 602, Volksbank Bigge-Lenne, eingezahlt werden.
Wer Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung stellen möchte, kann sich an die Stadt Lennestadt wenden, 02723/608 222.