Finnentrop. Warum den Gewerkschaftsmitgliedern eine angebotene hohe Einmalzahlung als keine akzeptable Lösung erscheint.

André Arenz hatte die Samthandschuhe zu Hause gelassen. Der 1. Bevollmächtigte der IG Metall im Kreis Olpe sprach Klartext, als er am Mittwoch kurz vor Mittag rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thyssen-Krupp-Werks Finnentrop auf dem Firmenparkplatz begrüßte. Hier fand die Kundgebung statt, zu der die Gewerkschaft anlässlich eines Warnstreiks aufgerufen hatte. Dieser zog sich über mehrere Stunden hin und betraf gleich zwei Schichten.

Die deutsche Wirtschaft sei „ganz gut durch die Krise gekommen“, betonte Arenz, selbst in den Corona-Jahren hätten die meisten Unternehmen gut verdient „und sie tun es noch immer“. Die großen Konzerne stünden vor Rekord-Ausschüttungen an ihre Aktionäre: 70 Milliarden Euro seien das, doppelt so viel wie 2021. Und trotz aller Probleme gebe es insbesondere im Bereich Stahl eine Sonderkonjunktur; die gestiegenen Kosten könnten von den Konzernen weitestgehend an die Kunden weitergegeben werden. Viele Stahlkonzerne seien „richtig gut“ im Geschäft, und das nach einem hervorragenden zweiten Halbjahr 2021. Und da sei die durchaus ambitionierte Forderung der IG Metall nach 8,2 Prozent mehr Lohn auch angemessen. Zuletzt habe es so etwas 2008 gegeben. Und nachdem die IG Metall im vorigen Jahr äußerst verantwortungsvoll gehandelt und dazu beigetragen habe, dass die Branche gut durch die Krise kam, sei nun angesichts einer steigenden Inflation eine gute Entgelterhöhung an der Reihe.

Einmalzahlung wird nicht akzeptiert

In der ersten Verhandlung hätten die Arbeitgeber eine Einmalzahlung von 2100 Euro für zwölf Monate geboten - ungewöhnlich und auch die Summe ist ja nicht klein“. Die Zukunft sei ungewiss, das hätten die Arbeitgeber dazu erklärt. Doch gelte dies nicht nur für die Arbeitgeber, sondern mindestens ebenso für die Arbeitnehmer, die nicht wüssten, wie sich die Preise im Supermarkt, an der Tankstelle oder beim Gaslieferanten entwickelten. Und anders als Unternehmen könne der Arbeitnehmer steigende Kosten nicht weiterreichen. Nun fange die dritte Verhandlungsrunde am 10. Juni bei null wieder an. „Darum ist es wichtig, dass ihr den Arbeitgebern heute zeigt. Wir lassen uns diese Tarifrunde nicht mit einer Einmalzahlung abkaufen.“

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Ein Grußwort hielt ein anderer erfahrener Gewerkschafter: der Bürgermeister der Gemeinde Finnentrop, Achim Henkel, vor seiner Wahl Polizeibeamter und lange im Kreisvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes aktiv. Er unterstrich, die Forderung nach einer spürbaren Lohnerhöhung nachvollziehen zu können, gebe es doch Milliardengewinne auf der einen und echte Reallohnverluste auf der anderen Seite. Eine Einmalzahlung habe keine Wirkung auf Zeit, daher könne er die Forderung der IG Metall verstehen und hoffe auf einen „guten Kompromiss“, zu dem die Tarifrunde am Ende führe.

Auch die Politik ist gefordert

Betriebsrats-Vorsitzender Bernd Sasse betonte, das Werk Finnentrop sei „der kleinste, aber nicht der unbedeutendste Stahlstandort“ von Thyssen-Krupp Steel Europe. Angesichts des Umbruchs in der Stahlbranche hin zur sogenannten „grünen Transformation“ zur klimaneutralen Produktion sei auch die Politik gefragt, denn die dazu nötigen Milliarden-Investitionen seien von den Unternehmen allein nicht zu stemmen. Angesichts des Ukraine-Kriegs müsse berücksichtigt werden: „Tarifpolitik kann keine Inflation und keine geopolitische Krise bekämpfen.“ Nach langer Zurückhaltung und angesichts stark steigender Energie- und Spritpreise sei es aber nun an der Zeit, dass sich im Geldbeutel der Stahlwerker etwas tue, und zwar dauerhaft und nicht einmalig. „Dass wir es ernst meinen, zeigt der heutige erste, aber schon ungewöhnlich mehrstündige Warnstreik. Und ich sage euch jetzt schon: Da geht noch mehr.“ Der Applaus der Stahlwerkerinnen und Stahlwerker machte deutlich, dass Sasse mit dieser Meinung nicht allein ist.

Das Thyssen-Krupp-Werk Finnentrop, ein traditionsreiches, über 150 Jahre altes Werk, hervorgegangen aus der Olper Firma Bonzel, die 1895 von der Firma Wolf Netter & Jacobi übernommen wurde und 1938 im Rahmen der „Arisierung“ Teil von Mannesmann wurde und 1970 zu Thyssen wechselte, ist der einzige Standort im Kreis Olpe, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Stahlbereich gehören; übrige Unternehmen im Kreis, auch wenn sie Stahl verarbeiten, fallen unter den Metall-und-Elektro-Tarif und sind daher von der derzeitigen Tarifrunde nicht betroffen.