Olpe/Attendorn. 18-Jähriger wegen schwerer Brandstiftung verurteilt. Das sind die Hintergründe der unfassbaren Tat in einem Attendorner Ortsteil.

Es ist eine Familientragödie. Gegen 11 Uhr zündete ein 18-Jähriger am 25. November 2021 in einem Attendorner Ortsteil das elterliche Haus an. Das Gebäude, in dem er auch selbst lebte, wurde völlig zerstört, es entstand Schaden von über 100.000 Euro. Seitdem sitzt der junge Mann in U-Haft in der JVA Wuppertal-Ronsdorf. Besucht hat ihn dort von der Familie niemand. Das Verhältnis ist total zerrüttet. „Es ist das Drama eines begabten, zurückgezogenen und tief verzweifelten Kindes“, sagte Psychiater Dr. Michael Mattes. Wegen schwerer Brandstiftung war der 18-Jährige am Dienstag vor dem Jugendschöffengericht Olpe angeklagt.

„Ich gebe zu, dass ich das getan habe“, sagte der Attendorner. Im Zimmer der Schwester hatte er die Matratze angezündet, im Wohnzimmer ein Sofa. Schon seit Monaten hatte seine Welt nur noch aus Computerspielen bestanden. In seinem Zimmer zockte er Tag und Nacht. Dort lebte er völlig zurückgezogen, von der Außenwelt abgeschnitten. „Er saß nur am Bildschirm. Er hat sein Zimmer nur nachts verlassen, wenn ich schlafen gegangen bin. Wir hatten keinen Kontakt von August bis November“, sagte die Mutter.

Schwere Depression

Als das Haus lichterloh brannte, stand der 18-Jährige rußverschmiert davor und schrie. Er war früher schon einige Male in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Angeklagte leide unter einer schweren Depression, diagnostizierte Dr. Mattes. Der Vater habe ihn früher wegen nichtigster Anlässe verprügelt, zur Strafe habe er sich draußen vor ein Stromhäuschen setzen müssen. Diese Depression habe sich zu einer hohen Aggression gegen sich selbst entwickelt, so der Psychiater: „Er fühlte sich immer mehr unter Druck gesetzt. Das ist am Tattag kumuliert. Es war ein aggressiver Akt, das Familienhaus in Brand zu setzen“, so Dr. Mattes, der beim Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit feststellte. Eine Wiederholungsgefahr sah er nicht. Der Psychiater empfahl Betreutes Wohnen und eine stationäre Psychotherapie.

Ziel des Angeklagten sei gewesen, Profi als E-Sportler zu werden und damit sein Geld zu verdienen, berichtete der Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Auch habe er Physik studieren wollen. Er habe ihm erzählt, dass er aber auf keinen Fall nach Attendorn zurückwolle: „Zum Motiv hat er mir gesagt: Ich wollte keine Menschen verletzen, ich wollte das Haus vernichten. Das war das Letzte, was mich noch am Leben hielt. Ich wollte mich töten.“ Der psychisch kranke Angeklagte brauche dringend Hilfe, so der Vertreter der Jugendgerichtshilfe, der sich um die Zusage für eine Kleinst-Jugend-WG in Wuppertal gekümmert hatte: „Viele Einrichtungen haben gesagt: Das ist uns zu heikel. Wir wollen keinen Brandstifter.“

Jugendstrafe zur Bewährung

Staatsanwältin Stöcker forderte zwei Jahre Jugendstrafe zur Bewährung, die Unterbringung in der Kleinst-WG und eine Therapie. „Es ist eine tragische Geschichte, eine fürchterliche Belastung für die Familie, auch für ihn. Er hat seinen Rückzugsort durch die Tat zerstört. Es wird sicher zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen“, sagte Verteidiger Georg Goebel.

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Das Urteil: ein Jahr und neun Monate Jugendstrafe zur Bewährung. Richter Richard Sondermann verkündete folgende Auflagen: „Er wird sich ab sofort in der Kleinst-Jugend-WG in Wuppertal für mindestens ein Jahr aufhalten und eine stationäre Psychotherapie absolvieren und diese nicht gegen den Rat der Ärzte beenden.“ Der Haftbefehl wurde aufgehoben, das Urteil von allen Seiten akzeptiert und damit rechtskräftig. Und Verteidiger Goebel fuhr den jungen Mann direkt vom Gericht aus zu seiner neuen Wohnung nach Wuppertal.