Kreis Olpe. „Die Unsicherheiten waren selten größer“ - so kommentiert HK-Präsident Felix G. Hensel die neueste IHK-Konjunkturumfrage im Kreis Olpe.

„Seit Monaten bremsen Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Rohstoffen, Energie sowie Vorprodukten die wirtschaftliche Entwicklung. Der Krieg in der Ukraine verschärft diese Probleme nun deutlich. Hinzu kommen die Risiken eines vollständigen Energieembargos sowie die Null-Covid-Strategie in China: Alles in allem eine toxische Mischung. Die Unsicherheiten waren selten größer“ – so kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 499 Unternehmen mit mehr als 37.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.

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Die Geschäftslage

Weite Teile der regionalen Wirtschaft bewerten die aktuelle Geschäftslage noch als passabel. Die Zukunftserwartungen brechen jedoch auf breiter Front ein. Felix G. Hensel: „Es ist erfreulich, wie robust ein Großteil der heimischen Unternehmen immer noch dasteht. Was die Unternehmen jedoch vor der Brust haben, zeigt der historische Absturz der Zukunftsaussichten, der sogar stärker ausfällt als zu Beginn der Corona-Pandemie. Besonders düster fallen die Prognosen im Baugewerbe, im Großhandel und in Teilen der Industrie aus.“

Nur 11 % der Unternehmen aus Olpe und Siegen-Wittgenstein blicken derzeit optimistisch in die Zukunft, 37 % sind zum Teil äußerst pessimistisch. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Wir hatten gehofft, dass wir die lange Corona-Durststrecke langsam hinter uns hätten. Klar ist mittlerweile jedoch vielerorts in den Unternehmen: Wir kommen vom Regen in die Traufe. Schlimmer geht eben immer.“ Die Probleme nähmen durch den gewaltigen Container-Stau in Shanghai deutlich zu. Ein Ende der Preisspirale und Materialknappheit sei nicht in Sicht.

Die Industrie

84 % der Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe sind direkt bzw. indirekt von den Folgen des Krieges betroffen. Besonders starke Auswirkungen spürt die heimische Industrie. Dennoch befürwortet die überwältigende Mehrheit die Sanktionen gegen Russland, unterstützt dabei jedoch zugleich ein Vorgehen mit Augenmaß. Klaus Gräbener: „Es kann keine Sanktionen zum Nulltarif geben. Allerdings ist es auch nicht besonders klug, sich selbst stärker zu schwächen als den Gegner. Blinder Ehrgeiz schadet hier. 86 % der heimischen Betriebe unterstützen daher das eher behutsame Vorgehen der Bundesregierung, sich nur schrittweise von der großen russischen Energie-Abhängigkeit zu lösen.“ Jetzt gelte es, mit aller Kraft sämtliche Bremsklötze beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu lösen, den Netzausbau konsequent voranzutreiben und alternative Bezugsquellen zu sichern, damit schnellstmöglich eine von den russischen Energieträgern unabhängige Grundlastsicherung gewährleistet werden kann.

In Teilen der Industrie überwiegt derzeit noch eine positive Lagebeurteilung. 38 % der Firmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als gut. Jeder zweite Industriebetrieb meldet eine Produktionsauslastung zwischen 85 und 100 %. Felix G. Hensel: „Das ist ein sehr ordentlicher Wert, der den noch guten Auftragsbestand widerspiegelt. Aber: Jedes dritte Unternehmen berichtet inzwischen von geringeren Auftragseingängen. Entsprechend gehen große Teile der Industrie von Umsatzrückgängen aus.“ Zudem breche die Ertragslage förmlich ein. 41 % der Unternehmen berichten von einer schlechteren Ertragslage. 39 %, und somit mehr als doppelt so viele Industriebetriebe wie noch zu Jahresanfang, blicken pessimistisch in die Zukunft, vor allem im Kreis Siegen-Wittgenstein.

Der Großhandel

War in der Vergangenheit die Bauwirtschaft ein wichtiger konjunktureller Stabilisator, schlagen nun die Engpässe und die exorbitant hohen Preise bei nahezu sämtlichen Materialien voll durch. Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: „Zwar ist der Auftragsbestand auch im Bausektor noch ordentlich. Zahlreiche Unternehmen berichten jedoch von gestoppten oder verschobenen Bauprojekten, weil die Preise durch die Decke gehen. Ein weiteres Problem: Inzwischen hat jeder fünfte Betrieb mit Forderungsausfällen zu kämpfen, was zu Liquiditätsengpässen führt.“ Ein ähnliches Stimmungsbild zeichnet sich im Großhandel ab. Während die aktuelle Lage weiterhin so positiv bewertet wird wie zu Jahresbeginn, fallen die Zukunftserwartungen auf einen historischen Tiefststand. Inzwischen blicken 41 % pessimistisch in die Zukunft. Zu Jahresbeginn waren es nur 7 %.

Einzelhandel und Gastgewerbe

Dagegen fällt die Lagebeurteilung im Einzelhandel besser aus als zu Jahresbeginn. 28 % der Händler bewerten ihre derzeitige Geschäftslage als gut, 18 % als schlecht. Ein Viertel konnte in den vergangenen Monaten seine Umsätze steigern. Stephan Häger: „Im Lebensmitteleinzelhandel fällt die aktuelle Lagebeurteilung nach wie vor am besten aus, aber auch der Textil- und der Kfz-Handel bewerten ihre derzeitigen Geschäfte besser als noch zu Jahresbeginn. Aber: Trotz Aufhebung der ,Corona-Zugangsbeschränkungen‘ ist der Aufholprozess noch nicht richtig in Gang gekommen. Steigende Lebenshaltungskosten, gepaart mit großer Unsicherheit der Verbraucher, belasten immer stärker das Konsumverhalten.“ Von der Kaufzurückhaltung besonders betroffen ist der Kfz-Einzelhandel (62 %), den zudem starke Lieferverzögerungen bei Neuwagen sowie ein Mangel an Gebrauchtwagen belasten.

Noch spürbarer verbessert sich die Geschäftslage im Gastgewerbe. Inzwischen bewerten 22 % der regionalen Gastronomen ihre Lage als gut. „Nur“ noch 18 % melden schlechte Geschäfte. 42 % konnten in den vergangenen Monaten eine Umsatzsteigerung verbuchen. Allerdings ist wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Hoffnung auf eine Erholungsphase verhalten.

Die Dienstleistungsbranche

Die Stimmungslage in der regionalen Dienstleistungsbranche ist gedämpft. Zwar ist die Lagebewertung nahezu unverändert – 35 % berichten von einer guten und 13 % von einer schlechten Lage - allerdings ist der Blick auf die kommenden Monate von Pessimismus geprägt, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in anderen Wirtschaftszweigen. Erstmals seit knapp zwei Jahren überwiegen auch hier die negativen Zukunftserwartungen.