Attendorn. Der Archivar und Historiker Tammo Fuchs, Nachfolger von Otto Höffer, hat ehrgeizige Ziele. Dabei spielt auch das Medium Facebook eine Rolle.

Das Attendorner Stadtarchiv erlebt dieser Tage einen Generationenwechsel: Auf Otto Höffer, der nicht weniger als vier Jahrzehnte die Historie der alten Hansestadt aufgearbeitet hat und vor wenigen Tagen in den Ruhestand gewechselt ist (wir haben groß berichtet), folgt mit Tammo Fuchs (34) ein junger, gleichwohl ambitionierter neuer Leiter. Der ausgebildete Archivar und Historiker, der offiziell zum 1. März übernahm, will in Zukunft nicht nur die Digitalisierung aller Akten vorantreiben. Genauso liegt dem im Münsterland aufgewachsenen städtischen Mitarbeiter auf dem Herzen, die Attendorner Bürger zum Mitmachen zu ermuntern, vor allem beim Erforschen der eigenen Familiengeschichte und der NS-Zeit.

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„Es wird sich einiges ändern, vor allem bei der Digitalisierung. Dort werden wir große Fortschritte machen“, versprach Fuchs, der Geschichte und Sozialwissenschaften an der HU Berlin, Archivwissenschaften an der FH Potsdam und Europäische Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder studierte, am Montag Vormittag bei einer Pressekonferenz. Und er füllte sein Versprechen gleich mit Inhalt. Ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit sieht die Partizipation der Attendorner Bürger vor – und zwar in Form von Geschichtswerkstätten. „Sie dienen der Aufarbeitung unserer Stadtgeschichte und sind auch nur mit Beteiligung unserer Stadtgesellschaft möglich“, nutzte der neue Archivar, der viele Jahre in Berlin und sogar zwei Jahre in Polen lebte (dort war er als Lehrer tätig), die Gunst der Stunde, um die Werbetrommel zu rühren.

Demokratie- und Parteiengeschichte

Gemeinsam zum Beispiel mit Schülern und Studenten solle in einer Werkstatt die Zeit des Nationalsozialismus in Attendorn aufgearbeitet werden, denn mit Ausnahme der Initiative „Jüdische in Attendorn“, die sich intensiv mit dem Judentum auseinandergesetzt hat, sieht Tammo Fuchs noch reichlich Aufarbeitungspotenzial. Themen dieser Geschichtswerkstatt könnten unter anderem die NSDAP in der Hansestadt, politische Gegner, Kirchen und ihre Verfolgung, aber auch die Industrie und Zwangsarbeiter sein. Dafür stünde ein Fundus an verschiedenen Quellen zur Verfügung – von den eigenen Beständen im Stadtarchiv bis hin zu Gesprächen etwa mit den Kindern von Zeitzeugen.

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In einer zweiten Geschichtswerkstatt will sich Fuchs der Demokratie- und Parteiengeschichte widmen. „Sie ist bisher nur bruchstückhaft und nie zusammenfassend untersucht worden.“ Themen hierbei könnten der Zunftstreit im 15. Jahrhundert oder die Revolution 1848 sein. Beide Werkstätten sollen am Ende in Publikationen enden.

Kontakt

Für die Digitalisierung der zahlreichen Akten wird in erster Linie Heiko Möllerke (41) zuständig sein, der zuletzt im Amt für zentrale Dienste gearbeitet hat und über die notwendigen IT-Kentnisse verfügt.

Tammo Fuchs kann sich gut vorstellen, weitere Geschichtswerkstätten anzubieten, etwa zur Migrationsgeschichte der Stadt Attendorn.

Kontakt und Anfragen (gerne auch für Praktika) an Tammo Fuchs, 02722 / 64431 oder stadtarchiv@attendorn.org

Ganz besonders fiebert der Höffer-Nachfolger der dritten Geschichtswerkstatt entgegen – hier möchte er gemeinsam mit den Attendorner Bürgern eine intensive Familienforschung betreiben. „Sie spielt schon heute in Archiven eine große Rolle. Wir werden jede Woche mit Anfragen konfrontiert. Den Menschen ist die eigene Identität sehr wichtig.“ Bei dieser Erforschung wird Fuchs eng mit seinem Finnentroper Kollegen Yannick Brücher zusammenarbeiten. Die Erkenntnisse hierzu sollen nach und nach digital aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Wikipedia-Artikel geplant

Apropos Öffentlichkeit. Die ist Tammo Fuchs besonders wichtig. Um die Attendorner noch viel enger ans eigene Archiv zu binden, wird der neue Leiter unter anderem einen eigenen Facebook-Kanal sowie eine Stadtarchiv-Homepage an den Start bringen und er plant noch in diesem Jahr einen eigenen Wikipedia-Artikel mit einer Zusammenfassung der Stadtgeschichte und der Bestände. Also alles in allem ambitionierte Pläne, über die Bürgermeister Christian Pospischil sagt: „Tammo Fuchs tritt sicherlich in große Fußstapfen, aber er besitzt das nötige Rüstzeug dafür. Es kommt eine Menge Arbeit auf ihn zu, aber er ist bereit.“ Vor allem in einer Stadt, die laut ihres Ersten Bürgers so viel Geschichtliches zu bieten hat und bekanntlich in diesem Jahr ihren 800. Geburtstag feiert.