Lennestadt. Zu wenig Demut im Amt und Beschlüsse ignoriert: SPD und Grüne kritisieren Führungsstil des Lennestädter Bürgermeisters.
In der Sauerlandhalle türmten sich gestern Mittag noch viele Geschenke, die später an die Gäste der Aktion Warenkorb verteilt wurden. In der Sitzung des Stadtrats am Abend war von der vorweihnachtlichen Atmosphäre nichts mehr viel zu spüren. Dies lag nicht nur am Defizit von fast 4,3 Millionen Euro im städtischen Haushalt 2022. SPD und Grüne nahmen Bürgermeister Tobias Puspas (CDU) wegen seines Führungsstils aufs Korn. Die Genossen bemängeln zu wenig „Demut im Amt“, die Grünen werfen ihm gar „Arbeitsverweigerung“ vor.
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Oliver Weber (SPD), der den erkrankten Fraktionschef Heinz Vollmer vertrat, zielte in seiner Haushaltsrede auf den offensiven und selbstbewussten Kommunikationsstil des Verwaltungschefs. „Überparteilich und neutral unsere Beschlüsse in der Öffentlichkeit zu vertreten ist eine Aufgabe, die sich sicherlich mit einer angemessenen Portion Demut leichter umsetzen lässt“, sagte Weber. Dr. Gregor Kaiser (Grüne) sprach von „Arbeitsverweigerung“, weil die Stadtverwaltung in diesem Jahr einstimmig gefasste Beschlüsse zur Wohnungsbauförderung und zur Bereitstellung günstigen Wohnraums nicht umgesetzt habe. Stattdessen seien städtische Häuser mit günstigen Mietwohnungen verkauft worden. Puspas selbst ging auf die Vorwürfe in der Haushaltssitzung nicht ein.
Alle Ausgaben auf Prüfstand
Aber es ging auch ums Geld: Nur ein beherzter Griff in die Ausgleichsrücklage kann das Loch im Stadtsäckel stopfen. Bleibt es bei dieser Finanzentwicklung müsse die Stadt schon bald ans Tafelsilber, also die allgemeine Rücklage. CDU-Fraktionschef Gregor Schnütgen skizzierte erste Umrisse einer Haushaltssicherung am Lennestädter Finanzhimmel. „Soweit darf es unter keinen Umständen kommen“, so Schnütgen. Das heißt: „Alle Ausgaben oder nicht zwingend erforderliche Standards gehören auf den Prüfstand.“ Unpopuläre Entscheidungen seien nicht auszuschließen. Kein Verständnis habe er für ideologisch gefärbte Anträge, stichelte Schnütgen in Richtung Grüne und nannte die kontinuierliche Kritik am freiwilligen Zuschuss der Stadt (130.000 Euro) an das Gymnasium Maria Königin und die Ablehnung von Ganztagsbetreuung an kleinen Schulen wie in Bilstein.
Kritik an Kreisumlage
Als einzige Fraktion ärgerten sich die Lennestädter Genossen über die „stets verlässlich steigende Kreisumlage“ (22,1 Millionen Euro). Auch für die SPD steht mehr Klimaschutz oben auf der Wunschliste für die Zukunft. Sie fordern bis 2028 einen klimaneutralen Haushalt. Nur noch privilegierte Schulstandorte sollen gefördert werden. Die Anstrengungen für den Erhalt der hausärztlichen Versorgung brauche mehr Tempo, der dafür eingerichtete Arbeitskreis trete auf der Stelle. Start-Up-Unternehmen brauchten Unterstützung, junge Familien und die Wirtschaft bezahlbares Bauland. Im Rückblick lobte Oliver Weber das „gute und ehrliche Miteinander“ im Stadtrat trotz Streits in der Sache, das man woanders nur selten finde.
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Für die Grünen ist der neue Haushalt unakzeptabel, weil eine „gemeinwohlorientierte und ökologische Herangehensweise“ fehle. Gregor Kaiser: „Feststellbar ist, dass weder beim Bürgermeister noch bei den anderen Ratsfraktionen ein Umdenken hin zu einer wirklich nachhaltigen, enkeltauglichen Kommunalpolitik stattfindet.“
Dank an die Bürgerschaft
Zum Schluss wurde es dann doch noch ein bisschen vorweihnachtlich emotional. Kerstin Bauer (UWG): „Wir danken allen Menschen, die in der Pandemie den Laden am Laufen halten“, sagte sie in Richtung aller Bürgerinnen und Bürger, die trotz der Corona-Situation ihren Job und mehr machen. Das Hochwasserereignis im Juli habe gezeigt, wie gut der Zusammenhalt in der Stadt sei. „Das macht mich richtig stolz“, so Bauer.
Bei sechs Gegenstimmen (Grüne (5) und Die Linke) stimmte der Stadtrat dem Haushalt zu.