Oedingen. 90 Haushalte in Oedingen können nur auf eine 16 MBit-Leitung zurückgreifen. Telekom und Kreis sind überfragt. Kurios: Keiner kennt den Investor.

Schnelles Internet ist ein Standortvorteil. Mit dem Ausbruch der Pandemie ist Digitalisierung noch wichtiger geworden. Wer nur über eine schlechte digitale Verbindung verfügt, wird schnell abgehängt. So wie etwa 90 Haushalte im Ortskern von Oedingen. Sascha Pfaff ist gleich doppelt davon betroffen: als Anwohner und als Geschäftsführer der SP Engineering und Beratung. Er sagt: „Wir möchten in den nächsten zwei Jahren expandieren. Mit dem schlechten Internet hier ist das aber so gut wie unmöglich. Einen Standortwechsel muss ich da wohl oder übel in Betracht ziehen.“

Abends wird das LTE-Datenvolumen vom Handy genutzt

Schlechtes Internet heißt: In den meisten Fällen werden die Daten mit maximal 16 Mbit/s übertragen. Dazu kommen häufige Verbindungsabbrüche. „Zuhause nutze ich schon ein Hybrid-Modell. Abends, zwischen 18 und 22 Uhr, ist die Leitung so überlastet, dass kaum noch was geht. Dann nutze ich mein LTE-Datenvolumen“, erklärt Pfaff. Immerhin habe er einen 50-Gigabit-Vertrag. In der Firma sei das natürlich keine dauerhafte Lösung, zumal Kunden sicherheitsrelevante Daten verschickten. „Wir brauchen teilweise 45 Minuten, um Dateien herunterzuladen, die uns ‚mal eben‘ geschickt wurden. Und wenn die Verbindung dann abbricht, müssen wir uns jedes Mal wieder neu anmelden im System, weil diese Dateien natürlich geschützt sind“, erklärt Pfaff. Das verlangsame nicht nur den Arbeitsablauf, sondern sei auf Dauer vor allem sehr frustrierend.

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Der Grund für den instabilen und langsamen Anschluss: Im Rahmen des kreisweiten Breitbandausbaus zwischen 2017 und 2020 wurden keine neuen, leistungsfähigeren Leitungen verlegt. „Bei der damaligen Markterkundung im ersten Call hat ein Privatinvestor den Zuschlag vom Kreis erhalten, der sich dazu bereit erklärte, den Ausbau eigenwirtschaftlich voranzutreiben“, erklärt Wolfgang Schröder, Bereichsleiter der Technikunterstützten Informationsverarbeitung bei der Stadt Lennestadt. Passiert sei seitdem jedoch nichts. „Das Problem ist, dass es keine rechtliche Handhabe gibt, denjenigen zu verpflichten, dort ausbauen.“

Weder Kreis noch Stadt noch Anwohner wissen, wer der Investor ist

Das Kuriose: Offenbar weiß niemand, wer sich hinter dem Investor verbirgt, der sich vor Jahren den Zuschlag gesichert hat. Der Kreis war zu dieser Angelegenheit kurzfristig nicht zu erreichen. „Der Bundesnetzagentur liegen diese Daten zwar vor. Aus datenschutzrechtlichen Gründen darf aber keine Auskunft erteilt werden“, so Schröder. Heißt: Der Appell zum Ausbau läuft ins Leere, solange der Investor nicht selbst aktiv wird. „Aktuell gibt es keine Lösung. Die Haushalte in Oedingen könnten erst mit dem Ausbau der Deutschen Glasfaser vom schnellen Internet profitieren“, bedauert Schröder. Aktuell investiert die Deutsche Glasfaser in Olpe, Wenden und Drolshagen. Der Ostkreis und damit Oedingen stehen für 2023/2024 auf dem Plan. „Aber keiner kann dafür die Hand ins Feuer legen, ob es dann tatsächlich klappt.“

Rund 90 Haushalte und zehn Gewerbetreibende beziehen ihre Internetleistung über diesen Verteilerkasten an der B 55 in Oedingen. An wen dieser Verteilerkasten vor Jahren veräußert wurde, kann nicht mehr nachvollzogen werden. 
Rund 90 Haushalte und zehn Gewerbetreibende beziehen ihre Internetleistung über diesen Verteilerkasten an der B 55 in Oedingen. An wen dieser Verteilerkasten vor Jahren veräußert wurde, kann nicht mehr nachvollzogen werden.  © Britta Prasse

Für Sascha Pfaff und die anderen Anwohner bzw. Gewerbetreibenden sind das keine tröstenden Aussichten. Hausarzt Dr. Andreas Kowarz, der neben seinem Hauptstandort in Schmallenberg auch noch eine weitere Praxis in Oedingen unterhält, sieht seine vertragsärztlichen Aufgaben gefährdet. Denn: Seit dem 1. Oktober sind Ärzte unter anderem dazu verpflichtet, Krankschreibungen unverzüglich und digital an die Krankenkasse zu vermitteln. Dazu kommen E-Rezepte und Aufrufe der elektronischen Patientenakte. In mehreren E-Mails an das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales beschrieb Dr. Kowarz, dass die Leitungsgeschwindigkeit von 16.000 für die „geforderte Teleinfrastruktur“ zu langsam sei. Dass er hoffe, mit den neuen Anforderungen die Praxis überhaupt noch weiter betreiben zu können.

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Die Antwort: Für derartige Uploads und Übertragungen sollten laut Auskunft der KVWL 16 MBit ausreichend sein. Es werde empfohlen, das interne Netz zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Außerdem gebe es die Möglichkeit, Angebote von verschiedenen Telekommunikationsanbietern einzuholen.

100.000 MBit-Leitung für 799 Euro monatlich

Angebote gab es. Allerdings keine, die für Dr. Andreas Kowarz und Sascha Pfaff in Frage kamen. Ein Telekom-Mitarbeiter rechnete ihnen beispielsweise vor, dass für die zusätzlichen Schachtarbeiten rund 16.000 Euro und für die Bereitstellung nochmal etwa 1900 Euro gezahlt werden müssten. Die monatliche Gebühr für eine 30 MBit-Leitung lägen dann bei 599 Euro, bei einer 100.000 MBit-Leitung bei 799 Euro. Auf Nachfrage dieser Redaktion, wie sich diese Preise zusammensetzen, antwortete die Telekom bislang nur vage: Es seien ihrer Einschätzung nach „Missverständnisse und Hörensagen“.

„Wir haben so viele Telefonate geführt, mit dem Bürgermeister, dem Kreis, der Telekom. Aber immer wieder wird man abgeschmettert“, meint Sascha Pfaff. Man fühle sich macht- und hilflos. Eine Situation, die nur der Privatinvestor ändern könnte.