Attendorn. Mit vier verschiedenen Einzelthemen hat die Stadt Attendorn an die Verdienste ihrer jüdischen Mitbürger erinnert.
Die Initiative Jüdisch in Attendorn hat mit Unterstützung des Südsauerlandmuseums und der Stadt unter dem Motto „Shalom Attendorn 2021“ ein neues Kapitel Erinnerungskultur aufgeschlagen. Das Interesse bei den Veranstaltungen zu gleich vier Themenbereichen war am Samstag so groß, dass auch Corona-bedingt kurzfristig in die Aula des Rivius-Gymnasiums ausgewichen werden musste. Im Beisein vieler Gäste enthüllten Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine von Jüdisch in Attendorn das kleine Schild im Zentrum der Innenstadt mit der Aufschrift Minna-Ursell-Platz. „Damit ehrt die Stadt das Andenken einer würdigen Attendorner Persönlichkeit“, freute sich Hosenfeld über die zweite Straße, die nach einem Angehörigen der früheren jüdischen Gemeinde benannt ist.
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Seit 2006 gibt es im Neubaugebiet Biekhofen/Wippeskuhlen eine Straße, die Gerhard Gabriel Stern, dem letzten jüdischen Abiturienten am Rivius-Gymnasium gewidmet ist. „Minna Ursell war eine große Wohltäterin, die für unsere Stadt viel geleistet hat“, würdigte Bürgermeister Christian Pospischil die achtfache Mutter, die am 2. Mai 1927 gestorben und auf dem jüdischen Friedhof bestattet wurde. Sie war die Ehefrau des Attendorner Unternehmers Joseph Ursell. Die von ihren Söhnen Albert und Julius geführte Minna-Ursell-Stiftung verfügte am 21. Dezember 1918 über ein Kapital von 10.000 Mark. Bei der ersten Verteilung der Zinsen erhielten konfessionsübergreifend neun Kriegerwitwen jeweils 15 Mark, für jedes Kind gab es zusätzlich noch 5,68 Mark. Das örtliche Krankenhaus erhielt von der Stiftung einen Röntgenapparat und eine Höhensonne.
Jüdisch in Attendorn
Über das jüdische Leben in Attendorn und dessen Ende durch die Novemberpogrome 1938 hat Hartmut Hosenfeld 2006 das vielbeachtete Buch „Jüdisch in Attendorn“ geschrieben. Bei seinen Recherchen ist der pensionierte Rektor auf Nachfahren in der ganzen Welt gestoßen.
Es sind Freundschaften entstanden, unter anderem mit den Selker-Brüdern aus dem USA, Nachfahren der Ursells. Dank der „außergewöhnlichen und einfühlsamen“ Arbeit, so Hosenfeld, von Übersetzerin Charlotte Pattenden aus Lüneburg liegt jetzt endlich die englische Version „The Jews of Attendorn“ vor.
Den Nerv getroffen
„Wir haben uns von Anfang an gut verstanden“, bedankte sich Hartmut Hosenfeld bei Charlotte Pattenden für die gute Zusammenarbeit. „Das hat bei mir einen Nerv getroffen“, betonte die Übersetzerin, die per Facebook auf die Anfrage von Harry Selker aufmerksam wurde. Während die Selker-Brüder die Übersetzung finanziert haben, übernahmen der Kreis Olpe, die Hansestadt Attendorn, die Stiftung der Sparkasse ALK und die Gerhard-Rosenberg-Stiftung die Druckkosten dieses aufwendigen Buchprojekts. „Das Buch geht in die ganze Welt hinaus“, freute sich Landrat Theo Melcher. Von den insgesamt 150 Büchern in englischer Sprache werden Exemplare in die USA, nach Kanada, Chile, Costa Rica und Israel verschickt.
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Mit „Fun tiefn Harzn“ (Aus tiefem Herzen) hat Attendorn jetzt ein eigens Klezmer-Stück. Klezmer ist das jiddische Wort für Musikant und ist aus der traditionellen Hochzeits- und Festmusik der aschkenasischen Juden im Osteuropa des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden.
„Alles begann in meiner Mittagspause“, erinnerte sich Tom Kleine noch gut an das Treffen mit Lukas Steinberg. Das vom Attendorner Steinberg komponierte und vom Klezmer-Emsemble „Kle4Mix“ der Musikschule vorgetragene Stück erinnert an das jüdische Leben in Attendorn um 1920, als die Fabrikanten, Kaufleute oder Metzger jüdischen Glaubens angesehen und als Mitglieder in den örtlichen Vereinen oder im Stadtrat integriert waren. Das änderte sich spätestens mit dem Jahr 1933.