Olpe. Christian Dirbach aus Olpe hat sich über mehrere Monate mit dem Kahlschlag am Biggerandweg beschäftigt. Und misstraut der Version der Behörden.

Freie Sicht bis zum Café Extrablatt: Für Christian Dirbach, Anwohner der Wüste, ist der Kahlschlag an der Biggerandweg-Böschung ein ökologischer Skandal.
Freie Sicht bis zum Café Extrablatt: Für Christian Dirbach, Anwohner der Wüste, ist der Kahlschlag an der Biggerandweg-Böschung ein ökologischer Skandal. © WP | Josef Schmidt

Die Positionen könnten nicht weiter auseinander liegen. Auf der einen Seite der Verdacht von Anwohner Christian Dirbach (58), dass mehr als 50 Bäume am Biggerandweg vermögenden Anliegern des Hardtweges im Sichtfeld gestanden und deswegen hätten fallen müssen, auf der anderen die beschwörende Versicherung des Olpe Aktiv-Vorsitzenden Peter Enders: „Davon stimmt nichts. Die Bäume waren eine Gefahr für viele Menschen, die den Biggerandweg dort jeden Tag nutzen. Vor allem entlang des Bootshauses und der Minigolfanlage halten sich unheimlich viele Menschen auf.“

Dirbach ist überzeugt, dass es sich bei den gefällten Stämmen unterhalb der L 512 um weitgehend kerngesunde Bäume gehandelt habe.

Zeitdruck wegen Vogelbrut

Enders ist vom Gegenteil überzeugt: „Es hat dort Ortsbesichtigungen mit Vertretern aller Beteiligten gegeben.“ Dort sei Straßen.NRW vertreten gewesen, Judith Feldner, Beigeordnete der Stadt Olpe, Olpe Aktiv, Vertreter des Bauhofes und des ausführenden Baumfällunternehmens. Enders: „Die Situation war ein Sicherheitsrisiko. Und wegen der Vogelbrut waren wir unter Zeitdruck.“ Es habe sich unter anderem um das sogenannte Eschentriebsterben gehandelt. Über all das gebe es Protokolle, die Olpe Aktiv Dirbach zur Verfügung gestellt habe. Doch Dirbach wolle das einfach nicht glauben. Womit Enders Recht hat.

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Diplom-Ingenieur und Architekt Dirbach, der selbst mit Blick auf den Biggesee in der Wüste wohnt, ist sogar wütend: „Das geht doch nicht, gerade aus ökologischen Gründen. Für mich stinkt das zum Himmel.“

Rückblende: Die Geschichte beginnt bereits im Januar diesen Jahres mit dem Ortstermin der Behördenvertreter. Der Großteil der Böschung unterhalb der L 512 befindet sich im Besitz des Landes, fällt somit in die Verantwortung des Landesbetriebs Straßenbau (Straßen.NRW). Der Kahlschlag fand am 12. Februar statt, wie aus dem umfangreichen Schriftverkehr hervorgeht, den Dirbach vorlegen kann:

Freie Sicht bis zum Café Extrablatt: Für Christian Dirbach, Anwohner der Wüste, ist der Kahlschlag an der Biggerandweg-Böschung ein ökologischer Skandal.
Freie Sicht bis zum Café Extrablatt: Für Christian Dirbach, Anwohner der Wüste, ist der Kahlschlag an der Biggerandweg-Böschung ein ökologischer Skandal. © WP | Josef Schmidt

„Ich gehe oft am Biggerandweg spazieren, und an dem besagten Abend des 12. Februar konnte ich die Baumfällarbeiten von der Valentinskapelle aus beobachten.“ Sein erster Gedanke sei damals schon gewesen, dass Bewohnern aus dem Nobel-Wohngebiet Hardtweg und Unterer Hardtweg der freie Ausblick auf die Bigge ermöglicht werden solle.

Telefonat mit Bauhof

Am nächsten Tag habe er dann den Kahlschlag aus nächster Nähe gesehen: „Da standen nur noch Stümpfe, geschätzt mehr als 50. Ich habe eine Reihe von Fotos gemacht und mich später an die Stadt Olpe gewandt.“ Die Begründung, die Bäume seien vom Pilz befallen gewesen, habe er von Anfang an sehr skeptisch gesehen.

In einem Telefonat habe ihm ein Mitarbeiter des Bauhofes auch geantwortet, die Aktion sei von Olpe Aktiv veranlasst worden, da Anwohner einen besseren Blick auf die Bigge haben wollten. Den Namen habe er sich nicht notiert, später aber recherchiert, es müsse sich um Olpes Bauhofleiter Michael de Ryck gehandelt haben. Bei nochmaligem Nachfragen habe der den Inhalt des Gespräches nicht mehr bestätigen wollen. Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt de Ryck das Telefonat mit Dirbach. Dem habe er aber lediglich mitgeteilt, beim Ortstermin mit mehreren Behördenvertretern am 28. Januar teilgenommen und die Diskussion verfolgt zu haben. Mehr nicht. „Da stehe ich zu“, so de Ryck.

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Nach einem Brief an Olpe Aktiv, so Dirbach weiter, in dem er sämtliche Dokumente über die Aktion gefordert habe, sei er zu einem Gespräch im Rathaus eingeladen worden. Peter Enders, Klarissa Hoffmann (Olpe Aktiv) und ein Vertreter des Baumfäll-Unternehmens seien ihm dabei sehr nervös vorgekommen, aber an der Argumentation des Trios habe sich nichts verändert: Pilzbefall, Verkehrssicherheit, auf keinen Fall ein Wunsch der Hardtweg-Anwohner. Dirbach: „Mich hat das alles nicht überzeugt.“

Baumsachverständigen befragt

Deshalb habe er einem Baum-Sachverständigen von außerhalb des Kreises Olpe 23 Fotos der Baumstümpfe geschickt, aufgenommen sechs Tage nach dem Kahlschlag, sowie weitere 25 Fotos vom aktuellen Erscheinungsbild (Baumstümpfe, Gesamtbild, Rindenoptik der angrenzenden Bäume) und neun Fotos vom Zeitraum zuvor, zwischen 2018 bis 2020. In der Antwortmail des Baumgutachters, Diplom-Forstingenieurs Michael Birke aus Menden, an Dirbach heißt es u. a. wörtlich: „Den Fotos nach war der überwiegende Teil der Bäume gesund. Zudem waren ja auch Kirschen, Ahorne und Eichen betroffen, für die das Eschentriebsterben ohnehin keine Relevanz hat.“

Gutachten kostet 1200 Euro

Auf Anfrage bestätigte Birke, dass er vom Fotomaterial her eine Durchforstung als ökologisch sinnvoller vermute. Eine genaue Bewertung könne er vor Ort auch jetzt noch anhand der verbliebenen Baumstümpfe vornehmen, da das „Eschentriebsterben“ sich unter anderem in den Jahresringen widerspiegele. Die Kosten für ein Gutachten lägen bei rund 1200 Euro.

Eine von Olpe Aktiv hinzugezogene Mitarbeiterin des Kreises Olpe (Fachdienst Umwelt) kommentiert die Baumfällaktion in einer Mail vom 2. März 2021 an Olpe Aktiv unter anderem wie folgt: „Um die zu großzügig ausgefallene Schnittmaßnahme (...) wieder zu kaschieren, werden optimalerweise noch in dieser Pflanzperiode (...) als Kompromiss statt hochwachsender Bäume heimische Heckenpflanzen auf der Fläche nachgepflanzt.“

Unsere aktuelle Anfrage beim Kreis Olpe, ob die Baumfällaktion ein naturschutzrechtlicher Eingriff gewesen sei und somit genehmigungspflichtig, verneinte die Behörde.

„Geschulter Blick“

Die Pressesprecherin von Straßen NRW (Landesstraßenbauamt), Julia Ollertz, teilte auf Anfrage mit, dass kein externer Baumgutachter hinzugezogen worden sei, was in solchen Fällen grundsätzlich nicht üblich sei: „Die Expertise begründet sich durch unsere Baumkontrolleure, die mit ihrem speziell dafür geschulten Blick den Baumbestand prüfen und einordnen können. Bei dem genannten Baumbestand war die Einschätzung so, dass die Bäume sich in einem schlechten Zustand befanden (Totholzanteil und Pilzbefall) – dadurch gab es eine Verkehrsgefahr für den unterhalb der L 512 verlaufenden Bigge-Randweg.“ Aufgrund zahlreicher Kalamitäten noch anderer Baumbestände sei dort die Verkehrsgefährdung höher als an der fraglichen Stelle des Biggerandweges gewesen. Deshalb habe Straßen NRW die Maßnahme an der L 512 „an die Stadt Olpe übergeben, die sich wiederum mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt hat.“